laut.de-Kritik
40 Jahre Onkelz - Schlager für Leute, die Schlager scheiße finden.
Review von Manuel BergerWie feiert man 40 Jahre Böhse Onkelz? 40 Jahre Böhse Onkelz zu feiern, das bedeutet zwangsläufig, auch den Jahren mitzuhuldigen, die nicht einmal die Band selbst versucht, schönzureden – inklusive "Türken raus", "Deutschland Den Deutschen" und so weiter. Doch statt innezuhalten und geläutert darauf Bezug zu nehmen, ignorieren Stephan Weidner und Co. diese Wurzeln zum Jubiläum geflissentlich. Man will schließlich kein Partycrasher sein. Lieber reicht man auch denen die Hand, die vielleicht doch noch ein paar romantische Gefühle für die Rock-O-Rama-Zeit hegen: "40 Jahre Krach und Poesie / 40 Jahre weiße Magie / Kinder, wie die Zeit vergeht / Ein Hoch auf uns're Sünderseelen"
Wäre ja auch irgendwie kontraproduktiv, würde man jetzt Fehler der Vergangenheit noch einmal aufwärmen. Schließlich sind die Onkelz nach 40 Lebensjahren sicher nicht in einer Midlife-Crisis, sondern gottgleiche Kreaturen kurz vor der Erleuchtung – wenigstens stilisieren sie sich selbst als solche. Deshalb haben sie auch mal wieder ihren persönlichen Lobhudler Ben Becker eingeladen. Der eröffnet das Album mit dramatischem "Prolog": "Dies ist eine wahre Geschichte. Die hier besungenen Ereignisse fanden zwischen 1980 und 2020 statt. Auf unseren Wunsch wurde der Name nicht geändert. [...] Die meisten Menschen auf der Welt glauben nicht die Wahrheit, sondern lieber das, von dem sie wünschen, dass es die Wahrheit wäre."
Witzig, dass sich ausgerechnet die Onkelz selbst "die Wahrheit" zurechtbiegen, wie es ihnen am besten in den Kram passt. "Lasst uns heute leben für die Wahrheit in uns selbst / Ein jeder ist ein Lehrer für die Narren dieser Welt", posaunen sie in "Prawda". Übersetzt: Fakten spielen keine Rolle, nur deine eigene Meinung zählt. Das Wort "Lügenpresse" nimmt Sänger Kevin Russell zwar nicht explizit in den Mund – Anhänger solcher Rhetorik werden sich von Zeilen à la "Die nackte Wahrheit oder was du dafür hältst / Ist eine Hure, sie verkauft sich gern für Geld" wohl trotzdem bestätigt fühlen. Doch Kritik am Habitus der Frankfurter ist bekanntlich Treibstoff für dessen Motoren und sie werden nicht müde, das in Songform zu betonen: "Du hasst mich / Ich mag das / Ich lebe durch dich"
Genug also des Nörgelns an fragwürdigen Aussagen des Quartetts. Zumal es offensichtliche Provokation aufs ganze Album betrachtet herunterschraubt. In den vergangenen Jahren haben sich die Onkelz erfolgreich einen Kokon geflochten, in dem nur Verehrer willkommen sind. Längst bemustert und akkreditiert man keine Medien mehr, es sei denn positive Berichterstattung ist sicher. Umgekehrt strafen viele Medien die Band mit Ignoranz. Auch, weil die immer gleiche Keule nach 40 Jahren eben niemanden mehr ernsthaft interessiert. Das haben inzwischen auch die Onkelz kapiert und machen Wohlfühlmusik für ihre Fans. Hie und da gibts ein paar Spitzen gegen "die Anderen", um die unsichtbare Mauer zwischen La Familia, den Stadien füllenden "Outlaws", und dem ungläubigen Mainstream aufrecht zu erhalten. Vor allem aber geht es auf "Böhse Onkelz" um Bier ("Saufen Ist Wie Weinen", "Kuchen Und Bier"), Freunde ("Des Bruders Hüter"), Tote ("Ein Hoch Auf Die Toten"), Wieder aufstehen ("Flügel Für Dich"), Nostalgie ("Die Erinnerung In Meinem Kopf") und ein bisschen Antihelden-Gehabe zum Fäuste ballen ("Rennt!").
Alles Themen also, die die Band über die Jahrzehnte hinweg schon so oft durchgekaut hat, dass sie wahrscheinlich zu jedem ein eigenes Best-Of-Album veröffentlichen könnte. Mittlerweile macht sie sich nicht mal mehr die Mühe, neue Riffs zu schreiben. Für die Bromance-Hymne "Des Bruders Hüter" recyceln Weidner und Co. einfach das ihres größten Hits aus dieser Kategorie, "Auf Gute Freunde". Die Fans feiern es vermutlich als Hommage. Genauso durchgenudelt wie die Riffs geraten die Soli. Die meisten klingen wie direkt aus der Anfänger-Gitarrenschule kopiert. Während Gonzo durch seine Pentatonik fidelt, vertraut er stets auf dieselben zwei Licks.
Immer brav im Mid-Tempo, Mitgröl-Refrain im Anschlag dudeln die Onkelz vor sich hin, spielen Schlager für Leute, die Schlager scheiße finden. Bemühten sie sich auf ihrem Comeback-Album "Memento" noch um Abwechslung, herrscht nun weitgehend kreative Brache. So leblos wie die netten Verwandten durch "Ein Hoch Auf Die Toten" schlappen, meint man fast, sie hängen selbst schon mit einem Arm am Tropf. Dass Gonzo dabei arg simplifiziert bei Megadeths "Trust" abkupfert, merkt sicher eh keiner.
Noch einfallsloser als der Gitarrist zockt auf "Böhse Onkelz" bloß Drummer Pe Schorowsky. In der pseudo-progressiven Powerballade "Wie Aus Der Sage" vereitelt er den Versuch, eine dynamische Steigerung hinzubekommen, von vornherein mit inspirations- und abwechslungslosem Gepolter. Immerhin: Nach einer kompletten Albumhälfte im gleichen Basic-Pattern (Achtel auf der Hi-Hat, Viertel abwechselnd auf Snare und Kickdrum, wahlweise mit Doppelschlag) spielt er hier zum ersten Mal was anderes.
Dabei beginnt das Album mit der schön auf den Punkt gespielten Deutschrock-Nummer "Kuchen Und Bier" musikalisch noch recht vielversprechend. Ihrem Geburtstagsständchen an sich selbst verpassen die Onkelz eine harte Stoner Metal-Schlagseite. Zusätzlichen Boost verdankt das Riffgewitter der guten Produktion, bei der der Band eine gute Balance zwischen Oldschool-Dreck und modernem Druck gelingt. Besonders Weidner am Bass und der fies keifende Russell profitieren davon. Letzterer klingt noch voluminöser als auf "Memento" – und trifft bei "Die Erinnerung Tanzt In Meinem Kopf", dem zweiten und letzten Höhepunkt der Scheibe, überraschend sanfte Töne. Ein wenig erinnert die sehnsüchtige, von Akustikgitarre getragene Ballade an Kansas' "Dust In The Wind". Und gäbe es die Zeile "Ich fühle mich wie ein verkaterter Gott" nicht, könnte man sich hervorragend Peter Maffay dazu am Mikro vorstellen.
"Wenns die Onkelz nicht mehr gibt, hört dieses Lied", singen die Jubilare zum Schluss im Chor. Ja, besser dieses als die zehn vorangegangenen, zwischen Füllmaterial, 0815-Rock und Selbstkopie pendelnden Nummern. Magere Ausbeute bei einem dreizehn Tracks (peinlicher Prolog mitgezählt) fassenden Album. Sind die Onkelz anno 2020 etwa nur eine von vielen durchschnittlich guten Deutschrock-Bands, die die ganze Diskussion um sie herum gar nicht wert ist? Die Wahrheit findest du, wie wir nun gelernt haben, in dir selbst. Alles Gute zum runden Geburtstag, liebe Onkelz. Bitte passt auf, dass ihr beim Feiern nicht dieselben Gäste wie vor 40 Jahren anzieht.
57 Kommentare mit 302 Antworten
1/5. Ungehört. Sollte klar sein.
Die Titel... lol
Igiiittiigit….würg...könnte KOTZEN....
Die einzig legitime Reaktion.
Watt eine peinliche Rezension - für den Autor, nicht für die Band. Wo wir bei Wiederaufwärmen kalten Kaffees sind, den ihr der Band vorwerft: Gähnt ihr nicht selbst bei der immer gleichen Einleitung: 'Ja, die waren bis vor 35 Jahren Faschos...'? Und der Spruch 'Vielleicht interessieren sie auch einfach keinen mehr...' steht ebenfalls schon seit 20 Jahren in der Einleitung zu eurer dilettantisch recherchierten 'Bandbiographie'. Die Antwort darauf: Serverbreakdown wenn Weidner auch nur ankündigt, kacken zu müssen. Und wenn man dann so fragt: 'Ey, kennste laut.de?' - Nee, watt soll datt sein?
Ich finde es ist ein top Album. Und außerdem muss man die Musik verstehen und darüber nachdenken und das tut anscheinend ein Großteil der Leute hier nicht inklusive dem Herr Berger. Aber dieses Denken von manchen ist wie das es nach 30 Jahren Mauerfall immer noch Ost und West gibt. Auch wenn es keine Mauer mehr gibt in den Köpfen mancher Menschen schon. Und um Vorurteile gleich auszuräumen ich bin kein Afd-Unterstützer und verstehe mich super allen Menschen egal wie sie aussehen oder wo sie herkommen. Außer sie sind so wie manche hier komplett unsympathisch in ihrer Denkweise.
Weil Künstler mit komplexeren Texten, über die man nachdenken muss, auch auf laut.de so schlecht wegkommen. Du kannst das Album ja mögen, aber wenn man es mit anderen Alben ambitionierterer Künstler vergleicht, ist es halt der gleiche aufgewärmte Onkelz-Brei mit einfacher Schlager-Rhethorik und -Melodie.
Was das mit Ost-West zutun hat, ist mir unklar. Die Onkelz machen halt langweiligen Deutschrock, unabhängig von der Bandhistorie.
Und nur Menschen zu mögen, die denken wie man selbst, ist zwar immerhin nicht rassistisch, aber nähert sich ähnlich dämlichen Ideologien an.
Würde diesem Kommentar insgesamt eine 2/5 geben. Schlechter Ansatz, aber konsequent durchgezogen. Musste man auch nicht viel drüber nachdenken.
Sowohl Album, als auch Rezension sind erbärmlich.