laut.de-Kritik

Den Rapper übermannt der Blues.

Review von

"'Heavy Rain' ist jetzt vorbei. Geschäft erledigt? Denke, nein." Chakuza verfügt über ein kaum stillbares Mitteilungsbedürfnis. "Heavy Rain" ist kaum verklungen, da steigt aus seinem Studio bereits wieder weißer Rauch auf. Erneut gibt sich der Österreicher seiner schwermütigen Seite hin. Mit den Händen in den Taschen und gesenktem Kopf offenbart er sich dem Hörer auf "Luna" bei einem nächtlichen Spaziergang unter dem Sternenhimmel und beteuert im stimmigen "Intro (Hell)": "Ich hab' noch so viel nicht gesagt."

"Jetzt gibts kein 'wir' mehr. Zwischen uns liegen zwei Welten", umschreibt "Nicht Mehr" das Ende einer Freundschaft. Mit trägem, genuschelten Vortrag betont Chakuza seine Niedergeschlagenheit angesichts der niemals vollständig vollzogenen Trennung: "Guck, wir haben unser Blut damals mit sieben noch getauscht. Nun verflucht in unseren Adern. Das geht nie wieder da raus." Die Produktion fängt nicht nur die Melancholie des Rappers ein, sondern ähnelt mit seinen Synthie-Sprengseln "Stranger Things", womit sie in gleicher Weise nostalgische Kindheitserinnerungen heraufbeschwört.

Durchaus passabel wagt sich Chakuza immer wieder an melodiösen Gesang heran. "Ohne Worte" stapft ebenso angenehm summend wie schwerfällig durch die musikalische Prärie. Auf dem poppigen "Sie" harmoniert der Rapper mit dem stimmlich nicht weit entfernten Marc Sloan, auch wenn es dem Stück ein wenig an Dramaturgie mangelt. Ausgeglichener Background-Gesang begleitet "Von Anfang An", bis ihn im Refrain wieder der Blues übermannt. Gekonnt umgeht der Linzer seinen Schwächen, indem er weder den Pubertär-Humor bedient noch in überladenen, wirren Metaphern versinkt.

Mit "Das Traurigste Lied Der Welt" reißt er das positive Bild jedoch wieder ein, indem er die etablierte Ästhetik nutzt, um sich über TikTok, "Kindermucke" und "latent schwule Dudes" zu mokieren: "Unser Traum namens Rap ist kaum wiederzuerkennen. Hätte mir jemand erzählt, dass das alles mal so kommt. Heute hör' ich unter Tränen alte MoneyBoy-Songs." Getragen von einer Wolke aus Trübsal, entwertet er seine vorherigen Songs zur reinen Pose, da der Herzschmerz des angehenden Singer-Songwriters offensichtlich sowieso nur der Ironisierung dient.

Da trifft es sich gut, dass Chakuza kurz darauf den Bruch wagt. Mit "Intro (Dunkel)" leitet er die angriffslustigere Hälfte des Albums ein. Gram und Gesang weichen einer rotzigeren Vortragsweise, die wie in "Dam Dam" gelegentlich in ganz alte Verhaltensmuster zurückfällt: "Du lutschst schneller als dein Schatten bläst." Dafür überzeugt der weitgehend unbekannte Rapper Dadi, der mit seiner hohen Stimme und hörbarem Spaß Schwung in die hüftsteife Monokultur bringt. Dank "Schwarz Weiss" und "Nimm Mich Mit" lässt sich aber übertriebenes Vergnügen gerade noch drosseln.

Auch auf seinem zwölften Soloalbum wähnt sich der Linzer noch immer zwischen zwei stilistischen Polen pendelnd: "In meiner Welt nur Drama oder Battle-Rap." Dabei leistet er in den ersten 20 Minuten von "Luna" durchaus ansprechende Arbeit, die sich zaghaft über den Tellerrand des durchschnittlichen oft eintönigen Hip Hops hinauswagt. Wie beim zeitgleich erschienen "Treppenhaus" von Apache 207 hätte sich die Veröffentlichung einer EP als das sinnigere Konzept erwiesen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: "Meine großen Jahre, ja, die kommen noch."

Trackliste

  1. 1. Intro (Hell)
  2. 2. Nicht Mehr
  3. 3. Ohne Worte
  4. 4. Sie (mit Marc Sloan)
  5. 5. Von Anfang An
  6. 6. Das Traurigste Lied Der Welt
  7. 7. Schwerelos (mit Sascha)
  8. 8. Intro (Dunkel)
  9. 9. Schwarz Weiss
  10. 10. Ich Meine S
  11. 11. Nimm Mich Mit
  12. 12. Semtex (mit Dadi)
  13. 13. Dam Dam
  14. 14. Chaos

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