laut.de-Biographie
Döll
"Ich bin in Hessen geboren und aufgewachsen", erklärt Döll gegenüber dem österreichischen Magazin The Message, "dementsprechend represente ich Hessen und nicht Hawaii." Authentizität spielt ohnehin eine große Rolle im Schaffen des Darmstädters. Stets von Erlebtem auszugehen, bildet, so sagt er, den Kern seiner Herangehensweise an seine Kunst.
Das Raptalent liegt offensichtlich in der Familie: Acht Jahre jünger als sein großer Bruder Marco tritt Fabian Döll in dessen Fußstapfen. Der Ältere ist am Mic unter dem Namen Mädness unterwegs. Praktisch für Fabian: Ihm bleibt der griffige Familienname, Döll.
Es passt aus mehreren Gründen. Zum einen macht dieser Döll auch sonst kein großes Gewese um sich, lässt lieber seine Skills sprechen. Zum anderen: "Es gibt für mich eigentlich keinen großen Unterscheid zwischen der Privatperson und dem Künstler Döll. Klar gibt es Grenzen, die ich ziehe, oder Sachen, die ich nicht erzähle, aber ich spiele in dem Sinn keine Rolle."
Döll rappt also einfach, zunächst zusammen mit seinem Kollegen Nomis als Nomis & Döll. Als Einzelkünstler tritt er 2014 erstmals in Erscheinung: Während seines Studiums, das er teils in Stuttgart, teils in Madrid absolviert, funkt er sein erstes Solo-Lebenszeichen im EP-Format, wie der Titel besagt, von "Weit Entfernt", aus der spanischen Hauptstadt.
Das Ding schlägt in der Deutschrapszene ein wie die viel zitierte metaphorische Bombe. "Luxusproblembehaftet", so beschreibt Döll seine damalige Situation gegenüber BR Puls. "In dem Moment, in dem ich die EP rausgebracht hatte, hätte ich eigentlich alles machen können: Indie, Major, Management und so weiter. Es hat mich damals immens gefreut, weil der Traum, von der Musik zu leben, endlich da war."
Die Fülle an Optionen, die sich Döll urplötzlich bieten, überfordert ihn aber auch: "Am Ende hab' ich mich für gar nichts entschieden und alles abgelehnt. Das war rückblickend vielleicht nicht die schlauste Entscheidung. Ich war auch psychisch nicht gesund. Die Kombination von allem hat dazu geführt, dass ich letztlich gar nichts unterschrieben hab'."
Großartig in Bedauern zerfließt er darüber jedoch nicht. Dafür bleibt auch gar nicht wirklich Zeit. Zusammen mit seinem Bruder Mädness unterstützt Döll 2016 Audio88 und Yassin auf deren "Halleluja"-Tour. Im Jahr darauf supporten die Dölls zudem K.I.Z. Die Chemie stimmt, warum also nicht gemeinsam aufnehmen?
Als sich Mädness und Döll an die Arbeit machen, haben sie eigentlich nur eine EP im Sinn. Die Aufnahmesessions erweisen sich aber als derart produktiv, dass am Ende ein komplettes Album vorliegt. Der Titel, "Ich Und Mein Bruder", grüßt höflich in Richtung des zweiten Weltwunders, der Stieber Twins. Das Album erscheint bei Four Music, bringt das Brüderpaar in aller Munde und hieft sie obendrein auf das Cover der Juice. Auftritte mit und ohne Liveband, ein gemeinsamer Podcast, zudem hosten die Dölls wiederholt eine Weihnachtsshow, natürlich in Darmstadt ... es läuft.
Dass es in Dölls Leben hinter den Kulissen trotzdem ordentlich rumpelt, zeigt sein Anfang 2019 erschienenes Soloalbum. Um Themen, die er vorher nur angerissen hatte, breitet er auf "Nie Oder Jetzt" mit schmerzhafter Tiefe aus. Vor allem spricht er auf dem Album wie in Interviews dazu nun offen über seine Spielsucht.
Schon als Kind sei er erstmals mit Glücksspiel in Berührung gekommen: Beim Restaurantbesuch mit dem Patenonkel landete sein Taschengeld in einem Spielautomaten. Später, als Jugendlicher, hing er mit seinen Kumpels immer öfter in Spielotheken ab. "Das Automatending hat mich aber gar nicht wirklich gereizt", so Döll gegenüber der Zeit. Ihn ziehen Sportwetten ins Verderben, zudem spielt er online, Roulette und Blackjack.
Was als soziales Happening begonnen hatte, entwickelt sich schnell zur Sucht, die Döll von seinem Freundeskreis und seiner Familie isoliert. Den Absprung schafft er erst, als er realisiert, dass er sich mit seiner Abhängigkeit nicht nur finanziell, sondern auch sozial und gesundheitlich ruiniert hat. Döll offenbart sich gegenüber seinen engsten Vertrauten, findet Unterstützung in Selbsthilfegruppen und bei Fachleuten. Das Thema bleibt ihm aber auch dann noch ein Anliegen, als er die akute Phase seiner Krankheit hinter sich gelassen hat:
"Ich glaube, dass der finanzielle Anreiz der Hauptgrund für die Affinität vieler Leute zum Zocken ist", analysiert er gegenüber MZEE. "Dieser ganze Glücksspiel-Scheiß ist ein riesiges Geschäft mit der Hoffnung von Leuten, gerade von unterprivilegierten Menschen. Es ist kein Wunder, dass in Neukölln die Anzahl von Wettbüros in einem Radius von 500 Metern größer ist als die von Bio-Supermärkten. Diese Läden stehen dort, wo die Leute nichts haben. Die naive Hoffnung auf Reichtum oder Wohlstand lockt die Leute dorthin, wo sie dann noch ihr Kleingeld aus der Tasche gezogen bekommen."
Dölls lange erwartetes Solo-Album kommt bestens an, im Frühjahr 2019 bricht er zu seiner ersten Solo-Tournee auf, der er im Dezember noch eine zweite Runde Shows folgen lässt. Zwischendurch supportet er Dendemann bei dessen Liveshows. Zu einer EP namens "Kultur", die Ende 2020 erscheint, soll eine sinnig "Kultour" betitelte Tour folgen. Allein: Covid19 sagt vorerst nein.
Im Februar veröffentlicht Döll zusammen mit Torky wieder eine EP namens "Chips", im Jahr darauf kooperiert er mit Wandl. Auf ein neues Solo-Album lässt er seine Fans jedoch schon wieder reichlich lange warten. Um genau zu bleiben: bis Januar 2025.
Seinem Titel zum Trotz, bleibt "Weg Vom Weg" auf dem Pfad, den Döll mit dem Vorgänger eingeschlagen hat. Wieder serviert er harte Themenkost, spricht den Freitod seines Vaters und erneut seine Spielsucht an. Bei alldem geht es Döll aber auch darum, seinen Status klarzustellen: Als "Döll, Hessens Sohn" stellt er sich vor. "Bin für Rapper 'ne Respektsperson."
Der längst erfolgte Umzug nach Berlin ändert an Dölls Selbstverständnis übrigens überhaupt nichts. Geboren in Eppertshausen bei Darmstadt, ist und bleibt er Hesse durch und durch: "Daran, dass ich aus dem Rhein-Main-Gebiet komme, wird sich nichts mehr ändern, auch nicht, wenn ich morgen nach Singapur ziehe."