laut.de-Kritik
... und Skills und Hunger und Herzblut.
Review von Laura Sprenger"Ich würd' gern noch so viel machen, doch ich schaff' des nicht, weil: Nie ist die passende Zeit." Eine simplere Rechtfertigung fürs Arsch-nicht-hochkriegen, Auf-morgen-verschieben und Kopf-in-den-Sand-stecken gibt es nicht.
Mädness und Döll, straight outta Hessen-Darmstadt und Brüder nicht nur im Geiste, haben ihre Köpfe statt in den Sand lieber zusammengesteckt und ein Album veröffentlicht, das nicht einmal der Vermerk "lange erwartet" schmückt, weil es niemand so richtig auf dem Zettel hatte.
"Ich Und Mein Bruder" ist kein verzweifeltes Aufbäumen zweier Rapper, die trotz Kritikerlob-Hagel und treuer Fangemeinde immer ein bisschen unter dem Radar geflogen sind und, pädagogisch ausgedrückt, ihr Potenzial nie voll ausgeschöpft haben. Das ist Schnee von gestern: "Ich und mein Bruder und Skills und Hunger und Herzblut" klingt vielleicht nicht catchy, passt aber wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Dass nach "Maggo" und "Weit Entfernt" beinahe drei Jahre ins Land gezogen sind, mag bedauerlich sein. An mangelndem Selbstbewusstsein lag es bestimmt nicht: Mädness und Döll wissen sehr genau, was sie können, und verteilen Rücken an Rücken mehr als eine gut platzierte Schelle.
Deutschrap für hängengebliebene Rucksack-Realkeeper bieten sie trotzdem nicht. Viel eher ein Reimfeuerwerk in Dialogform und die große Gewissheit: "Es geht nicht um dich, es geht nicht um mich, es geht um Anerkennung."
So viel die beiden gemeinsam haben, so unterschiedlich ihr Rapstil: der eine vollmundig tief, der andere fieberhaft schneidend. Auf den zweiten Blick verbindet sie der perfektionistische Ehrgeiz, sich immer wieder selbst zu übertrumpfen.
Das gelingt nicht immer, aber oft genug: "Frag' mich nicht, was ich grade so mach', doch gib mir 'n bisschen Zeit und ich kack' dir zwei Parts in der Nacht / Hab' mein' Arsch auf die Karte gebracht und arbeit' ihn mir ab, außer Zeit hab' ich nichts zu verlieren, doch warte nicht ab." (Döll in "Frag Mich Nicht")
Obwohl die Beats von mehr als einer Handvoll Produzenten stammen, darunter Torky Tork, Yassin und Dexter, klingen sie nicht nur homogen, sondern bekunden stets die enge Verbundenheit zwischen den Musikern.
Das fast ausnahmslos schleppende Tempo ermüdet stellenweise, schmiegt sich aber um so enger an die selbstreflexiven und nachdenklichen Momente des Albums. "Ich nehme mein Leben mit in die Booth" ist bei Mädness und Döll Programm. Aus Liebe zur Musik und, ganz klar, für die Familie.
10 Kommentare mit 18 Antworten
"Wackness hat auf jeden Fall Tradition in Deutschland." - Döll 2017. Nicht bei diesem Album.
Hmm, Rezi ist etwas knapp ausgefallen.
An schon-reingehört-Haber:
Wenn ich die Typen, Technik und Stimmen mag, aber "Das fast ausnahmslos schleppende Tempo ermüdet stellenweise, schmiegt sich aber um so enger an die selbstreflexiven und nachdenklichen Momente des Albums" für mich wie eine Drohung klingt, soll ich mir das kaufen?
Wenn du sie magst: Ja. Oder teste halt einfach mal bei Spotify.
Geht mir sehr gut rein. Tatsächlich alles eher entspannter/smoother, schleppend würde mir da aber nicht als erstes einfallen.
Souveränes Conscious-Geflexe von Mädness/Döll. Speziell Mädness lässt mich wehmütig an den alten Olli Banjo denken, denn die ähnlich klingenden Patterns/Flows sind so hungrig bzw. verspielt wie zu Schizogenie-Zeiten. Leider hat Banjo diesbezüglich merklich abgebaut bzw. mittlerweile nen anderen Fokus. Hach ja...
Gelungenes Ding. Größtenteils überragende Produktionen ("Passende Zeit" geht mir nicht aus dem Ohr), gute Hooks, die Brüder ergänzen sich sehr gut. I like!
Wirklich gutes Album. Rotiert und wächst. Perfekte Produktion, Ohrwurmcharakter und reale Stories. Überhaupt nicht hängengeblieben wie es vielleicht dem ersten Anschein nach wirken mag....
Leider haben sich meine schlimmsten Befürchtungen erfüllt. Es ist wieder dieser typische Backpack-Sound aus der prä-"Zuckerbrot und Peitsche"-Ära. Das kann ich mir irgendwie überhaupt nicht mehr geben, auch wenn beide Protagonisten wirklich top in Form sind. Nur "Mood" sticht ein bisschen aus der Masse raus.
Freut mich trotzdem, dass Mädness auf seine alten Jahre endlich so etwas wie ein wenig Fame erfährt. Nach wie vor guter Mann.
Ich dachte mir schon, dass du damit wenig anfangen kannst, hätte aber eher getippt, dass dir die Themenlastigkeit und der Pathos gegen den Strich gehen.
Das hat mich zuerst abgeschreckt, nachdem ich mir eigentlich ein technisch versiertes Sprücheklopferalbum gewünscht hatte. Langsam höre ich mich aber gut rein. Mir gefallen die Beats und generell der Sound sehr gut. Technisch sind beide über alle Zweifel erhaben. Das Hemdsärmelige ist etwas hart an der Grenze, aber grade noch im Rahmen. Und dein letzter Satz gehört sowieso fett unterstrichen.
Naja, passt doch.