laut.de-Kritik

Liebesprotestpunk zum Beziehungsende.

Review von

Eintausendneunhundertzweiunddreißig Wörter, zehn Lieder, ein ganzes Album: Ausschließlich über das Ende der Beziehung. Ecke Schönhauser machen keine halben Sachen, so viel steht fest. "Wie fang ich das bitte an / Wie arbeite ich das bitte auf?" fragt sich Ex-Herpes-Frontmann Florian Pühs in "Neue Ordnung", nachdem Ex-Bandkollegin Anna, die übrigens das Album-Cover ziert, mit ihm Schluss gemacht hat. Tja, und wie nun macht er das nun? Er holt sich den ebenfalls kürzlich von seiner Freundin verlassenen Philipp Lüpitz an die Seite und wählt ein bei derlei Schicksalsschlägen probates Mittel: Das Musikmachen.

Was bei anderen zur Kitsch-Orgie schlechthin geraten würde, gerinnt in den Händen des Berliner Duos zum zornigen Manifest für eine kompromisslose Liebe. Ecke Schönhauser reagieren auf das Beziehungsende nicht etwa mit Selbstmitleid, sondern mit trotzigen Klageliedern, die sie selbst nicht unpassend "Liebesprotestpunk" nennen. Die Musik spröde und zackig, schnörkellos und zornig, die Texte schamlos direkt und voll unverbrauchter Bilder. Allerbeste Hamburger Schlechtwetterfront das, nur eben 2012 und aus Berlin. Die ganze Platte stürmt und drängt, rennt gegen das Beziehungsende an, versucht zu akzeptieren und findet doch nur wütendes Unverständnis.

Denn Pühs fühlt sich seit der Trennung in die widerspruchsvolle Zeit der Pubertät zurückgeworfen: "Wieder Teenager / Nach all den Jahren" singt er in "Auflösen" und in "Ich Will Genauso Wenig Hier Sein" entwickelt sich das Beziehungsende gar zur existenziellen Krise: "Ich will genauso wenig hier sein, wie vor dreizehn Jahren / Und trotzdem schaff ich es, die Fassung zu bewahren / Manchmal aber auch nicht."

"Endlich Mal Jemand" besitzt wie die meisten Songs auf "Input" eine Dringlichkeit, die nie an die für Pop typische Überhöhung von Alltagsbegebenheiten denken lässt. Die stattdessen vermittelt, dass hier alles tatsächlich durchlebt und auch wirklich so schlimm ist. Pühs gelingt dieses Kunststück auch mit seinen banalen und doch bedeutungsvollen Beobachtungen: "Das war sie dann also, unsere letzte Klappe / Ein kleines, gemeinsames Leben überspielt auf eine Festplatte".

Das Highlight "Auflösen" erinnert mit Zeilen wie "Machst mich komplett / Durch dein Zutun" an "You Make Me" von Blumfeld und knüpft auch vom Sound her an deren beste Jahre an. Wie schon bei Herpes schauen an der Ecke Schönhauser außerdem Goldene Zitronen-Sänger Schorsch Kamerun vorbei, dessen hysterischen, halb gesprochenen Gesangs sich Pühs bedient, und die frühen Tocotronic, deren jugendliche Ungestümheit das Album durchzieht.

Aber es finden sich auch ruhige Momente auf "Input", das gezupfte "Neue Ordnung" zum Beispiel oder das neu vertextete Stooges-Cover "I Wanna Be Your Dog". Akustisch und ganz ohne Schlagzeug, hat es mit Gitarren-Feedback im Hintergrund und der zornigen Intonation Pühs' doch nichts von der Bedrohlichkeit des Originals verloren.

Der letzte Song "Mixtape" klagt und fleht noch ein letztes Mal. Wieder drängt sich ein Gitarren-Feedback immer aufdringlicher in den Song, und Pühs wiederholt zunehmend verzweifelter: "Lieder, die ich singe, handeln immer nur von dir / Mädchen, ich brauch dein Input / Sprich mit mir / Verrat mir, wie's dir geht." Spätestens dieser Song macht klar: Trotz aller oberflächlichen Sprödheit rennen Ecke Schönhauser letztendlich der Idee der romantischen Liebe hinterher.

Mit Bands wie Messer, Die Heiterkeit und Bessere Zeiten, deren Debüts ebenfalls dieses Jahr erschienen, und 1000 Robota, Ja, Panik und 206, die schon etwas länger unterwegs sind, lebt Musik nach dem Hamburger Schule-Rezept in letzter Zeit wieder etwas auf. Es scheint, dass auf Virginia Jetzt! und Konsorten eine Generation folgt, die in ihrer Jugend Tocotronic gehört haben, nun aber keine Weichspül-Version der Hamburger Schule liefern, sondern the real thing.

Fraglich bleibt, ob angesichts der völligen Ignoranz jeglicher musikalischer Entwicklungen nach 1994 auch jüngere Menschen einen Zugang zu Ecke Schönhauser finden. Andererseits: Zornige, schlaue und ergreifende Musik hat doch noch immer gezogen, oder? Und wenn's ein ganzes Album voller Trennungslieder ist!

Trackliste

  1. 1. Partner In Crime
  2. 2. Auflösen
  3. 3. Endlich Mal Jemand
  4. 4. Neue Ordnung
  5. 5. Ich Habe Meine Freundin Verloren
  6. 6. Seltsame Dinge
  7. 7. I Wanna Be Your Dog
  8. 8. In Deinem Dreieck
  9. 9. Ich Will Genauso Wenig Hier Sein
  10. 10. Mixtape

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