laut.de-Kritik

Vorlaut, dreist, beleidigend, offensiv und sehr direkt.

Review von

Auf tritt Eminem mit seiner "Show": eine Aufführung, die viel zu bieten hat. Vollgeladen mit zwanzigmal Eminem in allen Facetten: ironisch, humorvoll, sarkastisch, rundum dissend, fluchend, abrechnend mit der Politik und der eigenen familiären Vergangenheit. Die Art und Weise ist so, wie man es von dem Bad-Boy erwartet: vorlaut, dreist, beleidigend, offensiv und direkt, Eminem in Reinkultur. In "Without Me" behauptet Slim Shady selbstbewusst "It's been so empty without me". Tatsache oder reine Selbstüberschätzung, das ist die Frage.

Das Album hat in Sachen Produktion und Vielseitigkeit sehr großes Format. Insgesamt sind die Tracks langsam, mit tiefen, dröhnenden, teils schleppenden, hart schlagenden, fast bedrohlichen Beats behaftet, welche stellenweise hypnotisch sind und für einen gewissen Kopfnicker-Automatismus sorgen. Das beste Beispiel dafür ist "Business". Hier stellt sich Eminem als gefeierter Batman-Marshall dar, der Retter des guten Hip Hop. Flinke, dröhnende, extrem eingehende Beats verknüpft er mit den gewöhnlichen batman'schen Gimmicks à la "poof", "baaf", "bang". Andere Beats sind schneller und klingen irgendwie spacig von Elektronik beeinflusst. Der einzige wirkliche Up-Tempo Track ist aber "Without Me", mit einem Beat, der in die Funk-Richtung tendiert. Überraschend in seiner "Show" sind die Rockeinflüsse, die in "Saying Goodbye To Hollywood" bereits zu hören sind und in "Sing For The Moment" vollends durchschlagen. Das Lied basiert auf "Dream on" von Aerosmith und enthält dessen Chorus und ein fettes Gitarrensolo von Joe Perry.

Textlich gesehen zielt Eminem auf alles ab, was sich nicht schnell genug in Sicherheit bringt: zu erst auf die amerikanische Politik und die Heuchelei im weißen Amerika in "White America". Beachtenswert sind Redewendungen wie z.B "democracy of hypocrisy" (Demokratie der Heuchelei). Weitere Opfer seiner Raps sind seine Mutter und seine Ex-Frau, besonders deutlich wird Eminem im entsprechend genannten Track: "Cleaning out my Closet", eine familiäre Abrechung zurückgehend bis in seine Kindheit. Der gute Eminem scheint einfach nicht über seinen Ärger und Hass hinweg zu kommen und verbreitet nicht unbedingt positive Stimmung. Unerwartet sind hingegen Eminems leise, ehrliche und selbstkritische Töne, die von seiner Abscheu gegenüber dem Musik-Biz handeln und eine gewisse Abschiedsstimmung verbreiten.

Der Eindruck beschleicht, er denke an Rücktritt. Positiv bedacht werden auf dem Album eigentlich nur Dr. Dre und seine Tochter Hailie. Die erhält sogar ihren eigenen Track "Hailie's Song". Da singt Eminem sogar, hoffentlich zum letzten Mal. Keine großartige, aber eine lockere und eigenwillige Performance, die untypisch und, ach du Schreck, fast sympathisch daher kommt. Leider hat die Platte auch ein paar missratene Songs zu bieten. Da ist etwa "Drips", performt von Obie Trice. Diese Interpretation von wechselnden Sexualpartnern und die Folgen ist weder lustig noch kreativ, sondern nur stumpf und überflüssig. Dümmliches weibliches Stöhnen und schwache Lyrics ziehen Tracks wie diesen und auch "Superman" in die Tiefe. Ähnlich verhält es sich mit den Skits, in denen das Waffengeballer einfach nur nervt. Zum Ende hin wird es Westcoast-reminiszent: Die Melodie auf "Say What You Say" hat Ähnlichkeit mit Westcoast-Rap und featured Dr. Dre und Nate Dogg.

Nach der x-ten Hasstirade auf Muttern, die Presse, seine Frau und das Establishment wird man des Ganzen überdrüssig. Insgesamt ist "The Eminem Show" aber ein solides Werk mit hervorragenden Beats, großer Produktion, einigem Lyrics-Müll und einer guten Portion an Ärger und Ironie. Tag und Nacht. Hass und Liebe. Slim und Shady. Im letzten Track, behauptet seine Tochter keck "I think my Dad's gone crazy"... Ganz widersprechen kann man da nicht.

Trackliste

  1. 1. Curtains Up(skit)
  2. 2. White America
  3. 3. Business
  4. 4. Cleaning Out My Closet
  5. 5. Square Dance
  6. 6. The Kiss(skit)
  7. 7. Soldier
  8. 8. Say Goodbye To Hollywood
  9. 9. Drips
  10. 10. Without Me
  11. 11. Paul Rosenberg (skit)
  12. 12. Sing For The Moment
  13. 13. Superman
  14. 14. Hailie's Song
  15. 15. Steve Berman
  16. 16. When The Music Stops
  17. 17. Say What You Say
  18. 18. 'Till I Collapse
  19. 19. My Dad's Gone Crazy(feat.Hailie Jade)
  20. 20. Curtains Close(skit)

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Eminem

Ist er nun Amerikas Alptraum, ein neuer Elvis Presley oder einfach nur ein verdammt guter Rapper? Es treffen wohl die meisten Urteile über Eminem irgendwie …

9 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Mein erste LP überhaupt. Hat bis heute seine Frische. Gerade die Pop-nummern sind sehr gelungen, ein spagat der ihm später nicht mehr gelang.

  • Vor 5 Monaten

    okay dann melde ich mich auch mal zu Wort:

    Rundes Teil, früher absolutes 10/10

    mit dem Alter merkt man hier und da ein weh wehchen. Denke der gröbste Patzer ist wohl Drips, wobei selbst der Track (abgesehen vom Text) geil ist

    • Vor 5 Monaten

      wir haben's verstanden, du magst Eminem

    • Vor 5 Monaten

      diese parts bei white america unerreicht.

    • Vor 5 Monaten

      Ich find die Marshal Mathers LP noch deutlich geiler. Da war die Stimme nicht mehr so schlumpfig wie auf der Slim Shady LP, die Stimmung aber noch aggressiver und die Lines böser. Auf der Eminem Show wirds schon teilweise recht Bubblegummig.

    • Vor 5 Monaten

      Schwingster, ganz so einfach ist es nicht. Ich hab ihn früher mega gefeiert, aber seit ES geht es einfach kontinuierlich bergab und so ab 2014 konnte ich es mir nicht mehr immer schön hören. Und seit Revival released er definitiv mehr Trash als solide Songs

      toriy: ja aber auch square dance, soldier, sing for the moment, hat schon viele gems

      hrvorragend: vermutlich bist du etwas älter als ich. Ich hab die mmlp erst nach der ES kennengelernt. Without Me war der erste Track von Em den ich gehört habe und seitdem wurde ich Fan. Deshalb bin ich von der ES natürlich subjektiv voreingenommen

  • Vor 5 Monaten

    krass dass dieses Album kein Meilenstein ist