laut.de-Kritik
Die Welt zerfließt zu Suppe.
Review von Kay SchierHört Gott unsere Schreie? Oder ist er wie ein Stern, der keinen Namen trägt, hoch am Himmel steht und gleichgültig durch die Ranken einer unendlich finsteren Nacht schimmert? Gute Frage. Müsste man mal recherchieren. Genauso wie die Frage, wann deutscher Schlager eigentlich so geworden ist, wie er ist. Was hat ihn bloß so ruiniert? Warum trägt er keine Liebe in sich? Wie kam es, ausgehend von Udo Jürgens, Vicky Leandros und Juliane Werding, zu, naja, Fantasy? An irgendeinem Punkt muss da irgendetwas gekippt sein.
Apropos gekippt: Freitag Nacht lag ich während einer WG-Party besoffen auf der Couch auf dem Balkon, als plötzlich jemand im Zimmer nebenan "You Can't Always Get What You Want" von den Stones angemacht hat. Ich schnellte also sofort hoch, stolperte über ein fremdes Bein, fiel auf die Fresse, schnellte wieder hoch, stolperte über mein eigenes Bein, fiel wieder auf die Fresse, erreichte das Zimmer, aber da lief schon das nächste Lied. Jemand wischte die Bierlache auf, die ich bei der Aktion produziert hatte, weil ich offenbar nicht wirkte, als sei ich dazu unmittelbar in der Lage, und weil die Menschen im Herzen eben gut sind. Was ich damit sagen will: Das hatte Gefühl, das hatte Poesie und eine Pointe, es hat mich außer Schmerzen im Knie am nächsten Tag keine große Mühe gekostet und war trotzdem zehnmal mehr Schlager als "Phönix Aus Der Asche". So schwierig ist es doch nicht.
Fredi Malinowski, absolut geiler Name für einen Schlagersänger, so fair muss man sein, und Martin Hein machen den Job jetzt seit über 20 Jahren. Man kann, streng genommen, nicht behaupten, dass sie die lange Karriere kreativ ausgelaugt hätte. Scrollt man in ihrer Spotify-Diskgraphie ganz nach unten und drückt auf Play, drängt sich einem die Frage auf, warum sich die beiden eigentlich ins Studio schleppen, um neue Songs zu produzieren, wenn es im Prinzip auch reichen würde, einfach immer exakt denselben unter anderen Namen zu veröffentlichen, da sie das im Prinzip sowieso schon tun.
Die Musik klingt so, wie die allermeisten modernen deutschen Schlageralben halt klingen, weil die gefühlt alle an demselben Keyboard mit denselben Presets produziert werden: Nicht drei oder, Gott bewahre, fünf, nein! Vier Viertel müssen es sein. Über diesem Rhythmus erreichen uns die in billigem Reverb zusammengematschten Klimpermelodien wie durch einen dichten Trockeneisnebel. Sie betont der immer gleiche Stampfbass, der gleichzeitig penetrant und seltsam flach klingt.
Das hört sich einen Song lang zwar echt nicht gut an, aber jetzt auch nicht weiter wild. Musik hat mich schon deutlich negativer berührt, es ist jetzt nicht Ikke Hüftgold oder Mark Forster oder so. El Malinowski reimt "schau mich nicht so an" auf "wie im Liebesroman", der Bass bumst, mit genug Rotkäppchen im Blut haben da Leute bestimmt ihren Spaß dran. Auf Albumlänge setzt aber recht schnell eine desorientierende Wirkung ein, "Bienenstich ins Herz, dann gingst du fort", er hat sie oder ihn tausend und eine Nacht geliebt, Bums-Bums-Bums-Bums, da capo, da capo. Der Kunstnebel legt sich über Hirn und Herz und die Welt zerfließt zu einer Suppe aus simulierten Emotionen.
Musste ich beim ersten Mal, als dieser eine Drumbreak kam, den sie als Preset am Start hatten, noch dolle lachen, weil der so arg antiklimaktisch klingt, dass man ironische Absicht dahinter vermuten könnte, kommt er nach dem zehnten Mal nur noch zynisch. (Gespräch im Studio: "Jetzt scheiß doch mal drauf, Martin, die Knete stimmt auch so. Bock auf Hummer?") Zwischendurch lässt sich irgendwo da draußen eine verzerrte Gitarre vermuten, und ganz zum Schluss auf dem treffend betitelten "Na Und" hört man im Hintergrund diese ulkige, kontextlos in den Mix geschissene House-Hi-Hat wie als finalen Spott, wie als Signal, dass man schon richtig Musik machen könnte, wenn man wollte, aber wozu der Aufriss?
Es ließe sich noch seitenweise lustig auf den Lyrics rumhacken ("Ich benehme mich schon wie ein Macho / die Wohnung sieht aus und mein Spiegelbild kennt mich nicht mehr", die Wohnung sieht aus? Wie denn jetzt?!?), andererseits sind die auch so austauschbar, dass es sich nicht lohnt. Traurigkeit wäre ein zu starkes Wort für das, was "Phönix Aus Der Asche" in mir auslöst, denn solche intensiven Regungen gibt dieses Produkt nicht her. Aber betroffen macht es schon, wenn man bedenkt, dass im Schlager noch massig CDs verkauft werden, dass Leute denen ihr Geld geben, in der Hoffnung, irgendetwas zu fühlen, und dann erwartet sie das hier. Merci, Chérie, für absolut gar nichts.
10 Kommentare mit 13 Antworten
Jetzt mal Klartext, ihr werdet doch hoffentlich mit einem Bonus bedacht wenn ihr so eine Grütze besprechen müsst, oder?
Slappt geniuin.
Wie wäre es mal einen Rezensenten da ran zu setzen der mit dieser Musik auch was anfangen kann?
Hier les ich nämlich nur Hass und Neid
heraus.
Herr Schier wohl selbst eine gescheiterte Musikerexistenz?
Einfach nur traurig.
#isso
Die Herren Fantasy sind außerdem wichtige Geschäftsleute!
Eben! Laut.de hätte Hans-Georg Maaßen für das Schreiben der Rezensionen für Musik dieser Art anwerben sollen.
Wirds laut nicht langsam langweilig, absolut jede Schlagerplatte hier zu verreißen? Entweder man mag die Musik oder nicht, aber dieses platte Draufrumgehaue ist sinnlos und kontraproduktiv, weil der Eindruck erweckt wird, der Autor ist was Besseres. Fakt ist das Fantasy und Co. Millionen verkaufen und vor Tausenden von Leuten spielen, die von ihrer Musik emotional berührt werden. Ein besseres Kompliment als so ein Zuspruch kann ein Künstler gar nicht bekommen und darum geht es in der Musik: Positive Emotionen beim Hörer erzeugen. Wie ist völlig egal. Darum ist Fantasy auch nicht schlechter als angeblich bessere Musik. Wer ein Millionenpublikum erreicht, der hat alles richtig gemacht. Zudem sind die Texte nun mal Dinge, nach denen sich jeder Mensch sehnt. Auch der Autor oder irgendwelche Kritiker oder Besserhörer hier. Aber deutsche Musik darf man heutzutage wohl aus politischen Gründen nicht mehr positiv bewerten.
Das ist halt lieblos gemachte Stangenware, für eine sehr dumme und/oder ungebildete Zielgruppe konzipiert, die sich wirklich jeden Scheißdreck auftischen lässt; und du bist der Beweis dafür, du Trottel.
"Wirds laut nicht langsam langweilig, absolut jede Schlagerplatte hier zu verreißen?"
Prinzip Hoffnung. Vielleicht kommt ja doch mal was rum, das an den Lobotomie-Patienten vorbeizielt.
"Entweder man mag die Musik oder nicht, aber dieses platte Draufrumgehaue ist sinnlos und kontraproduktiv, weil der Eindruck erweckt wird, der Autor ist was Besseres."
Das könnte Gründe haben.
"Fakt ist das Fantasy und Co. Millionen verkaufen und vor Tausenden von Leuten spielen, die von ihrer Musik emotional berührt werden."
Versteh' ich, mir würden auch aus dem Stand einige Gründe einfallen, die mich bei dieser Art von Musik und Lyrik zum Flennen bringen könnten.
"Ein besseres Kompliment als so ein Zuspruch kann ein Künstler gar nicht bekommen und darum geht es in der Musik: Positive Emotionen beim Hörer erzeugen."
Also, gerade gestern hatte ich wieder mal von Alex Kulisiewicz die "Lieder aus der Hölle" aufgelegt, ein Album mit Liedern aus Konzentrationslagern, die von einem Überlebenden, Kulisiewicz selbst, nach dem Krieg vor Publikum dargeboten und auf Tonträger gebracht wurden. Ich würde das jetzt nicht als positive Emotionen bezeichnen, was da in den Tönen lag oder damit erzeugt wurde, aber scheißegal, was es war - es war echt.
"Wie ist völlig egal."
In Worte gegossene Anspruchslosigkeit ...
"Darum ist Fantasy auch nicht schlechter als angeblich bessere Musik. Wer ein Millionenpublikum erreicht, der hat alles richtig gemacht."
Quantität ist nicht gleich Qualität. Massenkompatible Musik ist wirklich selten gute Musik.
"Zudem sind die Texte nun mal Dinge, nach denen sich jeder Mensch sehnt."
Öhm ... nein? Keine Ahnung, wer sich nach einer Extrapackung Fernweh, der endlosen Party und einen erhöhten Sexualpartnerverschleiß sehnt, noch dazu mit einer unrealistischen Erwartungshaltung in alle Richtungen. Ich glaube, wenn man die möglichen Folgen bedenkt, erledigen sich solche Sehnsüchte sehr schnell wieder.
"Auch der Autor oder irgendwelche Kritiker oder Besserhörer hier. Aber deutsche Musik darf man heutzutage wohl aus politischen Gründen nicht mehr positiv bewerten."
Doch, ganz bestimmt. Aber Reißbrett-Lyrik und 08/15-Lala hinterlassen halt keinen positiven Eindruck, warum also entsprechend bewerten ...?
Gruß
Skywise
"Positive Emotionen beim Hörer erzeugen. Wie ist völlig egal. "
Deswegen ist in der Limited Box Edition des kommenden DJ Ugly Katz Album ein kleines Tütchen hochpotente Katzenminze enthalten.
:3
Warum nur ist man als Schlagerfan so schnell angefasst? Steht das in der Stellenbeschreibung? Wenn irgendjemand meine Lieblingsmusik verreißt, stehe ich dazu wie die Eiche, an der die Sau sich scheuert.
Ok, he did it better
"darum geht es in der Musik: Positive Emotionen beim Hörer erzeugen."
Art should comfort the disturbed and disturb the comfortable. (Banksy)
Die Zynik der Meta-Ebene: Der Verriss-Autor ist letztlich genauso ein kleines Rädchen in der Bespaßungsindustrie, muss nach allgemeiner Außenwahrnehmung gegen seinen Willen und jedenfalls mit geringem Anspruch an sein Schaffen für Geld ein immergleiches Produkt erzeugen, welches die niederen Triebe des Konsum-Viehs anspricht. Da er aber nur ein Auswuchs der Human-Centipede "künstlerischen" Schaffens ist, bleibt aber nur ein Bruchteil der Materiellen Entlohnung bei ihm übrig.
Ok, cool.
lol. fack se ßißtim!
besser als deutsch-rap. aber ich hätte im pro-mb von fabfilter bei 4.1k den threshold um ein halbes dB runtergezogen. und vielleicht noch die stereo breite auf 800% gestellt. oder gleich mono.