laut.de-Kritik
Baltimores Synth-Melancholiker entdecken das Glück.
Review von Alexander KrollWie knüpft eine Band an einen Hit wie "Seasons (Waiting on You)" an? Die aufsehenerregende Performance in der Late Show with David Letterman könnte Samuel T Herring wohl kaum wiederholen. Zumindest hat Letterman keine Show mehr. Trotzdem gelingt der Synth-Pop-Band aus Baltimore sechs Jahre und zwei Alben später eine bemerkenswerte Fortsetzung.
Die erste Auskopplung "For Sure" spiegelt musikalisch den Energierausch von "Seasons" wider und bildet lyrisch die schließende Klammer: Auf den berühmten Airplay-Lockruf "I've been waiting on you" folgt jetzt die ergänzende Zeile "And you were waiting for me". Erst zusammen entsteht Vertrauen: "When you say ‘us’ / You make me trust". Mehr als zuvor wagen die altgedienten Post-Wave-Melancholiker auf ihrem sechsten, diesmal selbst produzierten Album eine Zuversicht, die ihren Sound belebt.
"Glada" beschwört gleich zum Einstieg das Glück. Schwer wiegen zunächst die elegischen Keyboardklänge sowie Samuel Herrings Beinahe-Sprechgesang, doch im Refrain schweben selbst die existenziellen Fragen: "Who am I? Do I deserve the sea again? After all I've done / And finding love in the end". Optimistisch führt der Weg von früheren Lasten zur Chance aufs Happy End. "Eine längere Weile glücklich zu sein, hat mich freier gemacht, mich selbst zu entdecken", betont Herring, der mehrere Songtexte bei seiner Freundin in Schweden geschrieben hat. "Glada" heißen in Schweden anmutige Rotmilan-Greifvögel, doch vor allem bedeutet das Wort 'froh'.
Gemessen an der Aufbruchsstimmung der Startsongs ernüchtern die folgenden drei Tracks, die zwar solide, aber leicht unterkühlt wirken. Dann allerdings entfaltet das Album eine besondere Strahlkraft. Viel authentische Energie entsteht beim Zusammenspiel der vier Bandmitglieder, zu denen jetzt auch Drummer Michael Lowry als vollwertiger Impulsgeber gehört. Die Selbstfindungshymnen "Waking" und "Plastic Beach" generieren Soundstrudel, die von New Order bis zu Soul-Anleihen reichen. Einen noch weiteren Klangradius zeichnet "The Painter" mit elektronischer Exzessivität, die klingt, als würden Portishead am Synth-Pop-Klassiker "Popcorn" von Hot Butter herumbasteln, bis das Lied mit kosmischem Refrain in eine Bowie-Hommage mündet.
Im Mix von Melancholie und Mut nähert sich das Album einer erhabenen, fast sakralen Ebene. Eingebettet ins romantische Mondnacht-Motiv entwirft "Moonlight" eine Andacht über Liebe als Vertrauensbeweis zwischen Chance und Risiko: "Here’s our chance -- to make it [...] Here’s my heart / Don’t break it". Eine chorale Bridge mit kristallklar dahin kullernder Bassline krönt das Lied. Fast zum Gospel gerät die herausragende Ballade "Thrill". Am Leitbild des Tar River im US-Bundesstaat North Carolina, in dem mehrere Bandmitglieder aufgewachsen sind, arrangiert die Gruppe eine klangliche und spirituelle Fließbewegung, die Herrings biographisches Thema der Suchtbekämpfung als kathartische Taufzeremonie zwischen Ertrinken und Auftauchen inszeniert.
"Do I deserve the sea again?" lautete die Frage im Opener. "Hit the Coast" heißt die Antwort am Schluss. Als flirrender Road-Trip wird der Abschied zum Aufbruch. "I’m flying and free", singt Herring, "And I’m not crying". Die Future Islands sind auf einem guten Weg.
1 Kommentar
muss mich noch enthalten; die ersten beiden Songs klingen 1a gurkig. Dabei mochte ich das Singles Album sehr.