laut.de-Kritik
Weder gestört noch geil.
Review von Franz MauererDrei Mal nur ein Punkt hintereinander! Gestört Aber Geil (deren selbsterklärter Schreibweise "GeiL" ich mich verweigere) sind zumindest beständig. Trotz meines Elektro-Kolumnistendaseins muss ich gestehen, mich bislang nicht mit dem Oeuvre der beiden (beziehungsweise offiziell noch drei, Mitgründer Stephan schied nie formell aus) Sachsen-Anhaltiner beschäftigt zu haben, gehe also ganz froh und frei in "IIII". Der Witz mit den römischen Ziffern ist so scheiße, der ist fast schon wieder gut. "IIII" wurde mit dem angeblich, aber wer mag da widersprechen, tiefsten DJ-Set der Welt begangen, 670 Meter unter der Oberfläche. Da hätten sie das Cover gerne verbuddeln dürfen, hier greift die bekannte Bandkonstanz schon zum ersten Mal.
So tief wie das DJ-Set reicht der Opener "The Fire" nicht, und recht schnell erahne ich, wie die Punkte bislang zustande kamen. Eine Dame namens Claudia Yang liefert eine astreine Kirmes-Scooter-Performance, die deutlich stärker ist als das, was die unbekannte Dame auf "Mockingbird" hervorpresst, wie eine Geburt nach dem 10. Schwangerschaftsmonat. Der ebenfalls kommerziell recht erfolgreiche Plastik-Funk 'veredelt' den Song als Feature-Partner so eindringlich, dass man sich zurücksehnt nach den dünnen, harmlosen Beats von GaG. Das Triumvirat des Schreckens beendet July, die auf "Like A Prayer" einen Aufruf an alle Assessoren zu richten scheint: Das kann doch nicht legal sein, dass man so covern darf. Wo ist die EU, wenn man sie braucht?
Vielleicht ist die Kommission ja im Urlaub, da wünscht man ihr aber einen besseren als den in "Blueprint (Summer)". Gleichwohl mühelos das Highlight der Scheibe, da nur schlecht, aber noch irgendwo im hörbaren Spektrum im Vergleich zum Rest dieses Fledermausecholotscheißdrecks. Die Konkurrenz besteht aus dem Schmachtfetzen "Geschichte Schreiben", der sich anhört, als hätte man einen beliebigen Beat in der Mittagspause über einen Lagerfeuersong gelegt. Es gelingt dem Duo zu keinem Zeitpunkt, eine "drauf geschissen, ich ziehe mir diese Scheiße jetzt rein"-Atmosphäre zu schaffen wie ein Tobee oder Lorenz Büffel das hinbekommen. "Ding Dong" provoziert ja förmlich den Vergleich zum Saufi-Zahnarzt, umso mehr fällt aber auf, wie seelenlos und mies GaG im Vergleich dazu klingen. Alles ist offensichtlich mit dem geringstmöglichen Aufwand entstanden, simpler als "Radioactive" oder "Millionen Sterne" kann Musik gar nicht sein. Das wird umso offensichtlicher, wenn die müde Bearbeitung des schon im Original müden "Wir Fackeln Alles Ab" ein Albumhighlight ist, weil der Originalsong sich der Bearbeitung recht weit entzieht und der darunter liegende schlechte Song weit über GaG-Niveau liegt.
"Total Eclipse Of The Heart" ist der absolute Tiefpunkt des Albums, schließlich schafft dieses Cover es sogar, einen der unkaputtbarsten Refrains aller Zeiten, den jeder Besoffene im Megapark noch irgendwie schön vorstößt, völlig zu versauen. "Ich Will Nur (Gag Club Version)" passt da gut dazu. Es ist eine Kunst, einen Dreckssong nochmals tiefer ins Regal zu packen und die vielen Schwächen Poisels zielgerichtet ins Rampenlicht zu rücken. Seine pathetische Stimme, die er durch die Zähne knurren lässt, im vergeblichen Bemühen um emotionale Tiefe, kommt hier echt noch mal schlechter rüber. "Mama Hat Gesagt (Gestört aber GeiL Remix)" fällt richtig krass aus, mir fehlt aber die Kraft, diese hingerotzten Remixe en détail durchzugehen. "Clarity" geht irgendwie ok als handwerklich schlechte Nummer, aber July und die eine nackige Synthesizerfigur verbünden sich, um wenige Sekunden Sehnsucht aufleuchten zu lassen.
Der KO-Schlag folgt mit dem Closer "Angels", das der besonders schreckliche Anthony Carney mit einer solchen Verve gegen die Wand fährt, dass die Engel freiwillig in die Hölle umziehen. Die beste Nachricht zum Schluss: "IIII" erscheint auch als Doppel-Vinyl. Ihr müsst die Ränder nur noch mit Diamant o.Ä. auskleiden und könnt so im Mortal Kombat-Stil mit gezielten Würfen doppelten Mord-Selbstmord mit einer Person eurer Wahl begehen. Eine andere Verwendung der Vinylscheiben scheint mir ausgeschlossen.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Ich grusele mich. Ich habe den Fehler gemacht, nach dem Lesen der Review das hier verlinkte Video zu „The Fire“ mit Claudia Yang als Feature-Gast zu schauen. Wieso? Warum tun sich das augenscheinlich Tausende an? Almans, die sich verhalten bis ungelenk zur Musik bewegen und das abfeiern. Diese Welt verstehe ich nicht. Fühlt das dort irgendjemand? Wenn das das Deutschland ist, das Kontra K herbeigesehnt hat, dann lehne ich dankend ab und emigriere in mein Inneres.
Wem Schlager zu intellektuell ist.
Es ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wenn sowas genug Hörer innen findet um überhaupt aufgenommen zu werden, dann ist alles gesagt.... Reiht sich ungehört in die Entwicklung des Intellekts, beginnend mit dem Nachmittagsprogramm der Unterschichtensender der letzten Jahrzehnte fortgeführt in Musik, Kulinarik und allgemeiner Kultur...
Die Hörer:innen nehmen das, was man ihnen vorsetzt. Eher schlimm, dass es für so etwas Produzent:innen gibt und die gestörten DJs bei einem renommierten Label wie Island unterkommen.
Pecunia non olet.
Nein. Die Hörer innen kennen nichts anderes, schauen nicht auf etwas anderes und wollen auch nichts anderes. Es gibt genug anderes und keiner muss diesen Mist hören. Es liegt nicht am Produzenten, es liegt an dem der es egal wie blödsinnig es ist, hört.
Das ist der Schlager des Elektros. Dann lieber richtigen Schlager.