laut.de-Kritik

Ein Schatz, den man lieber im Berg lässt.

Review von

Zu siebt thronen sie mit Softfilter über den Tiroler Bergen auf dem Albumcover. Ein Wolkenmeer, das so weich ist, dass man fast hineinkrabbeln möchte. Ob diesmal wirklich alle sieben Spatzen im Studio waren? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber ehrlich gesagt: Es ist uns langsam egal. Übermäßig Lorbeeren sahnt "Dolomitenschatz", Verzeihung: "Dolomiten Schatz", jedenfalls nicht ab.

Dass das Album bereits im ersten Vers mit einem Voicecrack startet, steht sinnbildlich für das, was noch kommt. Dass auf früheren Alben nur die Stimme original Spatzenproduktion war, lässt heute nur noch den Kopf schütteln. Vielleicht sollte man da auch mal über ein Double nachdenken. Aber na gut, vielleicht ist der schiefe Gesang ja auch ein Stilmittel – und ich bin einfach nur ein Kulturbanause.

Immerhin, im Fach Eingängigkeit sind sie noch Klassenbeste. "Dolomiten Schatz" fetzt mit Bumsbeat und Bläsern los – Metaphorik versteh ich zwar nicht ganz, aber die Spatzen scheinen die Dolomiten sehr zu lieben! Es hat was von Bergdoktor trifft Ballermann, aber wenigstens mit Panorama.

"Mit Dir Träume Leben" geht dann weniger fetzig weiter, aber der Refrain überzeugt irgendwie trotzdem. Nur der Gesang... Wer braucht schon perfekte Töne, wenn man authentisch scheitern kann? Bei "Was Ist Schon Normal" fetzt dann das Saxophon direkt ins Herz. Beim ersten "Dich" kommt der erste Voicecrack des Songs. Trotzdem: Kastelruther Spatzen auf inklusiver Mission. "Das liegt ganz allein bei dir" – "Wie und wen du liebst ist doch egal". Dazu Backing Vocals, Bass-Lines und eine Hook, die sich sehen lassen kann. Ich bin ein bisschen überrumpelt. Schlagerlyrics, die nicht sinnlos sind, und Musik, die über Glitzersynth hinausgeht? Und das 2025? Bravo, Spatzen, kurz mal Zukunftsluft geschnuppert!

"Gute-Laune-Zeit" zeigt, die Kastelruther Spatzen können auch das semantisch Leichte in gute Lyrik dichten. Das macht auch die holprige Intonation wieder ein bisschen wett. Wenn man schon stolpert, dann wenigstens mit Reim.

Bei "Land Meines Herzens" kommt dann wieder der zu erwartende Genre-Patriotismus: Edelweiß, Alm, Heimkehr – der Dreiklang des Südtiroler Spatzen-Universums. Man könnte sagen: Die Spatzen sind kleine Romantiker. Man könnte aber auch sagen: Sie sind lyrische Wiederholungstäter mit Hang zur Postkarte.

"Der Clochard" zeigt mal wieder, was moderner Schlager längst vergessen hat, die Spatzen aber irgendwie noch hinkriegen: Storytelling, simpel, aber nah – ohne debil zu werden. Ein Einblick ins Stadtstreicherleben, schlicht, aber funktionierend. Fast rührend. Da wackelt kurz die Butterblume.

"Du, Für Immer Du" ist dann wieder ein wahres Schunkelmonster, bei "Mein Schönes Südtirol" reicht's dann auch wieder. Dann lieber die neue Hansi Hinterseer. Der Sängerspatz probiert es mit Jodeln – holt damit aber nicht ab. Wenn's wenigstens Echo gegeben hätte, aber selbst der Berg scheint höflich wegzuhören.

"Halli Hallo - Der Schönste Ort Der Lieder" ist Fernsehgarten-Poesie pur. Da kann auch das beste Akkordeon der Welt nichts mehr rausreißen. "Gott Sei Dank Fand Ich Dich" wird dann leider ermüdend. Langsam hat man genug vom schiefen Gesang, dem Akkordeon, den Bläsern und dem Bumsbeat. Aber: fast geschafft, Bergfest erreicht.

Und dann: das Kastelruther Paradoxon. "Worüber Man Nicht Reden Kann" – und trotzdem tun sie's. Die Südtiroler machen das Unmögliche möglich. Die heruntergebrochene Botschaft: Musik heilt alle Wunden. Schöner Gedanke, charmant – nur klanglich etwas plattgedrückt. "Herzensmensch" macht den Album-Downfall komplett – Liebe, Herz, Bumsbeat. Wenn man da noch Emotion findet, hat man ein Goldherz oder Kopfhörer mit Filter.

"Wenn's Der Wastl Tut, Macht Es Ganz Kastelruth" ist eine Heimathymne, die besser innerhalb der Ortsgrenzen geblieben wäre. Der Fremdscham-Faktor kratzt am Gipfelkreuz. "Nur Wer Was Wagt, Gewinnt" ist dann nicht nur abgefallen, es ist auf dem Boden aufgeklatscht. Alliterierende Floskelkanone am Überhitzen, sterile Mukke dahinter – fertig ist der Filler. "War's Das Schon"? Zum Glück: Ja.

Was überraschend stark mit Inhalt und Volkscharakter gestartet ist, enttäuscht am Ende nur noch mit Amigo-Wahnsinn.

Ein Album wie ein Wanderausflug mit Blasen an den Füßen. Man kommt zwar oben an, aber fragt sich unterwegs ein paarmal: Warum eigentlich? Glatt, bemüht, stellenweise charmant, leider zu selten tief. "Dolomiten Schatz" bleibt leider ein Schatz, den man lieber im Berg lässt.

Trackliste

  1. 1. Dolomiten Schatz
  2. 2. Mit Dir Träume Leben
  3. 3. Was Ist Schon Normal
  4. 4. Gute-Laune-Zeit
  5. 5. Land Meines Herzens
  6. 6. Der Clochard
  7. 7. Du, Für Immer Du
  8. 8. Mein Schönes Südtirol
  9. 9. Halli Hallo - Der Schönste Ort Der Lieder
  10. 10. Gott Sei Dank Fand Ich Dich
  11. 11. Worüber Man Nicht Reden Kann
  12. 12. Herzensmensch
  13. 13. Wenn's Der Wastl Tut, Macht Es Ganz Kastelruth
  14. 14. Nur Wer Was Wagt, Gewinnt
  15. 15. War's Das Schon

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6 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Stunden

    Dieser Kommentar wurde vor 10 Stunden durch den Autor entfernt.

  • Vor 10 Stunden

    Dolomiten Schatz. Ein sehr guter Alben Titel.

  • Vor 10 Stunden

    "Nur Wer Was Wagt, Gewinnt" ist nochmal ein schöner Hint auf das Leben. Auch die Fehler bleiben positiv in Erinnerung. Wer will sich schon daran erinnern, dass er Jahre seines Lebens im Bett vergeudet hat, ohne eine sichere Resilienz aufzubauen?

    Doch zunächst ein kleiner Fun Fact am Rande: Ich hab zuerst gelesen "Nur Wer Was Sagt, Gewinnt" - quasi als mittelmäßiges Kalender-Spruch-Wortspiel ins Rennen geschickt, beschreibend, wie zwei Menschen sich eigentlich (gut) finden, aber beide zu schüchtern sind, sich ihre Zuneigung zu offenbaren, indem man sich "etwas traut". Jaja, man liest halt immer das, was man lesen will und münzt es auf sich selbst um. Als schüchterner Bewerbungs-Verweigerer hatte ich mir insgeheim ein paar Tipps erhofft, als ich die Songliste durchgegangen bin. Kurz für's Protokoll: Ich bleibe dabei. Lieber Nichts machen, anstatt etwas verkehrt zu machen.

    Zurück also zum Song: "Für sein Ziel muss man alles geben?"
    Soweit ich im Bilde bin, kann Zielsetzung neuerdings total destruktiv wirken und verstärkt zudem die Fromm'sche Entfremdung.
    Man wünscht sich insgeheim Lindner, Westerwelle & Co. zurück, die anstatt, dass jeder für sein Glück im Leben selbst verantwortlich ist, ins Plenum rufen:

    "Wenn Du Dich traust - mach was daraus!"

    Das würde auch mit Lindners neumodischen Perfektionismus - der mir, s.o., nicht gänzlich unsympathisch ist ("Besser gar nicht regieren als falsch regieren") - widerspruchsfrei einhergehen, da man sich im richtigen bzw. falschen Moment jederzeit zurück ziehen und das Wagnis abbrechen kann. Hinterher wäre es ja nur ein fiktives "Draus machen" geworden. Brauch man also nicht. Alles nur Glaubenssätze durch die Eltern sozial vererbt, ich mach lieber mein eigenes Ding. No Matter What They Say!

    Nun, dass es in Deutschland möglich ist mit solchen Texten seinen Lebensunterhalt zu verdienen und eine Gefolgschaft sich zu "erarbeiten", die einen verehren tut, zeigt ja ironischerweise, dass das Weltbild der FDP in Zeiten des Wahnsinns einen gewissen Retro-Charme versprüht oder, um es mit Westerwelles verblüffend genialen Wünsche-Worten abzuschließen:

    „Glück und Gesundheit. Und zwar beides zusammen, Gesundheit, aber auch Glück. Denn die Menschen auf der Titanic waren zwar gesund, hatten aber kein Glück.“

  • Vor einer Stunde

    Mich triggert als Germanstik diese unnötige Wort Trennung hart.