laut.de-Kritik

Techno ist anders.

Review von

Paul Kalkbrenner ist gerade mit grundsympathischen (wenn auch gut getimten) Neuigkeiten in den Zeitungen: Der Lichtenberger Fußballclub seines Herzens benennt sein Stadion nach ihm, als Dank für die jahrelange Unterstützung. Man möchte also nette Dinge über "The Essence" sagen, das erste Album des Berliners seit sieben Jahren – man kann nur nicht.

Der DJ war seit "Self" nicht mehr richtig gut, aber mit "The Essence" ist nun ein seelenloser Tiefpunkt erreicht. "Es ist ein Album ohne Filler, nicht einmal ein Filler-Moment", sagte Paul im Vorfeld des Releases. In Wirklichkeit ist es ein Filler ohne Album. Es herrscht eine Einfallslosigkeit vor, die schon wieder bemerkenswert ist. Stumpf und lustlos lässt der DJ simpelste Versatzstücke ablaufen, bis die Tracks eben vorbei sind.

Schon der Opener "Ninety-Two" macht mit seinem dämlichen Bummsbeat unmissverständlich klar, dass das hier Musik ist für Leute, die elektronische Musik mögen wollen, es aber eigentlich nicht können. Simpler und langweiliger kann man einen Song gar nicht mehr schreiben, als Patient schriebe dieses Ding mit seinen beschissenen Flöten jeder Notarzt ohne Umschweife hirntot.

"Die Stübernitze" ist derselbe Song, nur der Titel ist anders. "Der Schlörheinz" ist derselbe Song, nur der Titel ist anders. Und "Spigito Bite" und "Mein Freund Onze" auch: Es beginnt recht forsch, schnell sind Beat und Melodie da, der Beat treibt bassig, der sehr einfache, kurze Melodiebogen scharwenzelt so fröhlich wie repetitiv dahin, nach zwei Dritteln des Songs bekommt die Melodie ein wenig Auslauf, und der Song darf sich wieder in die Boxen verkriechen.

"The Essence" hört sich an wie ein erster Versuch eines Produzenten auf einem modernen Synthesizer, als hätte jemand im Hobbykeller versucht, der Sache mal auf Albumlänge eine Chance zu geben als Ausgangsbasis für die weitere Arbeit am rauen Stein. Nicht mal eine aalglatte Politur verpasste man dem AAA-Album eines der erfolgreichsten deutschen Künstler überhaupt, es erdrückt hier nicht der Kommerz, die Anbiederung an den Mainstream, sondern die schiere Lustlosigkeit. Es ist nicht Techno, aber das ist nicht das Problem - das Problem ist, was es ist.

"Wonderful Life" und "Die Trompeten Von Berlin" haben mal nicht dieses Muster, dafür fährt das Letzteres schrille Quasi-Trompeten auf. Beide Tracks wummern recht markig durch, ohne weitere Vorkommnisse. Für "Dreaming On" geben Depeche Mode ein Sample frei, was sie selten bis nie tun, und auch dieses Sample setzt Kalkbrenner lieblos ein. Man möchte Martin Gore am Schopf packen und ihn zwingen, sich das anzuhören.

Die Einbindung des eh schon langweiligen Stromae in "Que Ce Soit Clair" gelingt nicht besser. Der Belgier hat scheinbar auch nicht so recht Lust und sein eckiger Sprechgesang quetscht sich in runde Formen. Ein Soundtrack für einen alternativen Take von "The Martian", bei dem Damon schwerelos zwei Stunden tot in einer Kapsel schwebt, so spannend ist das.

"Klettermaxe" ist kurz ein ganz kleiner Lichtblick, bevor das wirklich unerträgliche Sprachsample einen in die fast schon körperliche Ablehnung zwingt. Die billigstmögliche Metapher für Karriereversessenheit, die je auf Scheibe gepresst wurde, so stupide und billig, dass sich die Nackenhaare sträuben. "Cronitis Boy" ist nach Labelangaben der "Album Focustrack" und langweilt fürchterlich.

Trackliste

  1. 1. Ninety-Two
  2. 2. Die Stübernitze
  3. 3. Dreaming On
  4. 4. Cody 3000
  5. 5. Klettermaxe
  6. 6. Der Schlörheinz
  7. 7. Spigito Bite
  8. 8. Que Ce Soit Clair
  9. 9. Mein Freund Onze
  10. 10. Cronitis Boy
  11. 11. Wonderful Life
  12. 12. Die Trompeten Von Berlin

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