laut.de-Kritik

Bombast-Pop für Konfetti-Kanonen.

Review von

Wie weit, wie opulent und wie mystisch möchte man gehen? Das Albumcover zu "From The Pyre" mit seinen Zitaten aus Popkultur und Kunsthistorie zeigt, dass The Last Dinner Party auch beim zweiten Album überhaupt kein Interesse an Zurückhaltung haben. Das Artwork erinnert mit seinem überbordenden Symbolismus stark an Progressive-Rock-Bands der Siebziger und Achtziger.

Es entsteht auf den ersten Blick absolut keine Harmonie in den zusammen gephotoshopten Bildern, aber sobald man das kleine Kunsträtsel auflöst, erkennt man passend zur Thematik des Albums das passende Motiv: der starke, weibliche Kampfeswillen einer Jeanne d'Arc, die klugen Schachspielerinnen aus dem "Chess Game" von der Spätrenaissance-Malerin Sofonisba Anguissola und am Horizont das "Hexensabbath"-Ritual von Francisco de Goya. Witchcraft innerhalb einer Welt, die starke Frauen gerne wieder zurück am Rand oder am besten sofort auf dem Scheiterhaufen sehen möchte.

Die immense Begeisterung um ihr Debüt "Prelude To Ecstasy" rief denn auch mindestens genauso viele Nörgler auf den Plan. Die Londoner Gruppe wäre nur ein weiteres "Industry Plant" und der Inhalt unerträglich prätentiöser Bombast-Pop. So weit hergeholt ist diese Kritik nicht, denn The Last Dinner Party streben nach der übergrößten Symbolik, und auch der zweite Aufschlag geht keinen Schritt zurück. Da ist wieder dieser Mix aus mystischem Gothic-Cabaret, Freddie Mercury-Flamboyanz und theatralischer Kate Bush-Manier.

2025 ist alles noch schillernder, selbst die Anzahl der Gitarren-Soli erlebt eine Steigerung. Fleetwood Mac, Queen und Andrew Lloyd Webber stehen Pate für "Agnus Dei", während Sängerin Abigail Morris in ausufernden sechs Minuten mit Ex-Lovern und Erwartungshaltungen abrechnet. Das muss man sich in Zeiten von TikTok auch erstmal erlauben, aber The Last Dinner Party glauben noch ans Album-Format, und bevor sich Produzent John Ford aufgrund einer schweren Erkrankung aus der Produktion zurück zog, gab er der Band noch einen wichtigen Rat auf den Weg: "Habt Spaß, seid mutig und macht eine klassische Platte."

All das beherzigen die Britinnen und lassen in "Second Best" alles raus, was man an Bombast-Pop lieben und hassen kann. Ein A-Capella-Chor leitet den Song in bester "Bohemian-Rhapsody"-Tradition ein, anschließend führt Morris ihre Mitstreiterinnen mit noch mehr Selbstbewusstsein durch die artistische Revue-Nummer. Es gibt keinen Platz für Verlierer, die Band möchte wieder alles und vor allem genau jetzt. Warum auf den großen Höhepunkt hinarbeiten, wenn in einem Song gleich mehrere Akte auf selbigen hinsteuern? Langeweile kommt nie auf, weil es immer wieder eine neue Finte, ein noch größere Pointe gibt.

"From The Pyre" legt die Stange noch höher. Man merkt, dass The Last Dinner Party sich selbst heraus fordern wollen. Sie arbeiten noch weiter aus, was schon auf dem Debüt gut funktionierte, wo es aber eben auch Verbesserungsbedarf gab. Auf dem Debüt suchten sie teilweise zu schnell der Mitklatsch-Chorus, nun lassen sie genug Platz, um sich in Ruhe zu entfalten. Es ist auch ein Mittelfinger an eine bigotte Gesellschaft, die angeblich starke Frauen fördern will, bei zu großem Erfolg aber doch wieder andere Standards als bei Männern setzt und zur feinen Zurückhaltung mahnt.

The Last Dinner Party lassen sich von solchen Nörglern, die an frühe Klerikale erinnern, nicht einschüchtern. Die Risikobereitschaft zahlt sich aus, wenn "This Is The Killer Speaking" den melodiösen Country-Rock einer Dusty Springfield mit Prog-Rock-Exzentrik aufwertet. Die Zeile "Hope my TV apperance drives you mad" richtet sich an Ex-Lover und maulende Kritiker gleichermaßen. Auch wenn Rache nicht unbedingt als subtilste Art der Konfliktlösung gilt, wirkt sie doch befreiend. Eigentlich schon jetzt der perfekte Abschlussong für die kommenden Live-Gigs, mit hoffentlich zehn Konfetti-Kanonen und viel Gold-Lametta, unter dem man immer wieder wie in Trance "Ahaha-Ohoho - This Is The Killer Speaking" mitsingt.

Nur schade, dass in der zweiten Albumhälfte kein euphorisches Wölfinnen-Geheul mehr folgt, und der klassische Balladen-Teil beginnt. "I Hold Your Anger" ist kein schlechtes, aber sehr routiniertes Material. "From The Pyre" nimmt nun Tempo heraus und erhält eine nachdenklichere Note. Sicherlich braucht jede Theateraufführung einen ruhigeren Mittelteil, in dem die Charaktere vielschichtiger werden, aber gerade beim harmlosen "Sail Away" sieht man schon in einer Traumsequenz die New-Age-Tante Enya barfuß über die irische Grasweide laufen und sanft Schäfchen streicheln. Das ist nicht mehr Hexensabbath, sondern Outdoor-Yoga-Shanti.

Es ist interessant, dass die Hexenkräfte der Last Dinner Party ausgerechnet auf dem eigentlich geradlinigen Terrain der Pop-Landschaft nicht wirken und die Magie etwas verblasst. Das große Feuerwerk weicht hier Piano-Songs der alten Schule. Auch das angekündigte "Inferno" zum Abschluss bleibt aus. The Last Dinner Party wirken in diesen Momenten fast gelangweilt, jedenfalls nicht mehr mutig genug, um ihre pompöse Revue in ein gewaltiges Finale zu treiben. Ein schönes Album ist ihnen dennoch gelungen. Nächstes Mal aber bitte wieder mehr Party und weniger Business.

Trackliste

  1. 1. Agnus Dei
  2. 2. Count The Ways
  3. 3. Second Best
  4. 4. This Is The Killer Speaking
  5. 5. Rifle
  6. 6. Woman Is A Tree
  7. 7. I Hold Your Anger
  8. 8. Sail Away
  9. 9. The Scythe
  10. 10. Inferno

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Last Dinner Party,the – From The Pyre €18,98 €3,00 €21,99
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Last Dinner Party,the – From The Pyre (Amazon exclusive purple Vinyl LP) [Vinyl LP] €20,99 €3,00 €23,99
Titel bei http://www.amazon.de kaufen The Last Dinner Party – The Last Dinner Party, Neues Album 2025, From The Pyre, Exclusive Edition Purple Vinyl, LP €46,90 Frei €49,90

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

5 Kommentare