laut.de-Kritik

Wenn Trübsal Mainstream wird, liefert Get Well Soon Hoffnung.

Review von

"Stop your whining, you're alright". Mit diesen Worten lässt sich Konstantin Gropper gleich im Opener "A Song For Myself" für seinen Hang zum Melancholischen rügen. Denn während die Welt in den letzten beiden Jahren kollektiv in einen wehleidigen Halbschlaf rutschte, fand Gropper in sich einen Optimisten. Oder anders gesagt: Als Trübsal Mainstream wurde, entdeckte Get Well Soon die Hoffnung. Die Songs auf dem neuen Album "Amen" heißen dann auch "I Love Humans", "Our Best Hope" oder "Golden Days". Man muss sich bei Get Well Soon aber natürlich keine Sorgen machen, dass sich dieser Sinneswandel negativ auf die Musik auswirken würde. Weiterhin croont Gropper hier über groß gedachte, größtenteils doch melancholische klingende Instrumentals, nur dass er diesmal auch einen Silberstreifen am Horizont mitdenkt.

Er nimmt sich auf "Amen" knapp eine Stunde, um das eigene Erleben der letzten Jahre zu reflektieren, in meist abstrakten Texten, die immer wieder mit Groppers durchscheinendem Humor bestechen. In "A Song For Myself" beklagt er auch selbst die Unfähigkeit, glücklich zu sein und schaut dabei neidisch um sich: "Envying the Jesus-freaks' great mood / If they can, why can't I feel good". Im Closer "Accept Cookies" singt er zwar einem unbestimmten Du gut zu, klingt dabei aber gefestigt im positiven Ausblick auf das Leben: "Don't think about the things that you miss / But about what you've got / You got it all, the whole lot".

Wie der Titel andeutet, tauchen in dem Album immer wieder religiöse Motive auf. Es wird vom Sensenmann und vom Tod gesungen, von Dämonen, in "Our Best Hope" wird die Erlösung durch Glauben dann verworfen: "Join, if you can / 'Cause Christ won't save you, man / But an airbag might / Enjoy the light". Seinen Gesang konterkariert immer wieder von eine KI-Stimme, die eine Art Meta-Kommentar zu den Texten bietet. Am Ende von "This Is Your Life" heißt es beispielswiese: "Are you enjoying our little seminar so far? Just keep listening!" Den rockigen Track "Us vs Evil" kommentiert die Stimme zu Beginn mit den Worten: "Yeah, play some funky music, German boy!" Es macht großen Spaß, Gropper bei seinen Belehrungen und Spinnereien zuzuhören, die die kreativen Kompositionen dahinter fantastisch ergänzen.

Denn es gibt auf "Amen" wieder allerhand kreative Einfälle zu entdecken und bewundern. Dennoch kommt bei allem Eigensinn der Pop-Appeal nicht zu kurz. Stücke wie "My Home Is My Heart", "One For Your Workout" oder das erwähnte "This Is Your Life" machen mit ihren treibenden Rhythmen Lust zu tanzen. Andere Songs, etwa das fantastische, besonders melancholische "I Love Humans" oder das Musical-artige "Richard, Jeff And Elon" laden dagegen zum Schwelgen und Innehalten ein. In letzterem Track versetzt sich Gropper in die titelgebenden Milliardäre und ihre Weltraumabenteuer. "Mantra" ist ein verträumter, synthlastiger Track mit wenig Lyrics, der in einem hymnischen Klimax gipfelt. "Chant En Disenchant" ist ein lässiger, groovender Soul-Track in tollem Retro-Sound. Trotz stilistischer Unterschiede und variierender Stimmungen klingen die Songs auf der Platte wie aus einem Guss. Geschrieben hat Gropper die Stücke im heimischen Keller und einem abgelegenen Feriendomizil in der Pfalz, beeinflußen ließ er sich nach Eigenaussage von der eigenen "Happy Place Playlist".

Weiterhin verdient sich Gropper für seinen Art-Pop allerlei schmeichelhafte Vergleiche, von Nick Cave über Tom Waits zu David Bowie. Er ist eine Ausnahmeerscheinung, deren Bekanntheitsgrad trotz nicht verachtenswertem Erfolg weiterhin zu bemängeln ist. Es gibt nur wenige Musiker*innen, die sich mit so beeindruckenden Ergebnissen orchestralem und theatralischem Pop hingeben wie Gropper das mit Get Well Soon seit dem Debüt 2008 tut.

Trackliste

  1. 1. A Song For Myself
  2. 2. My Home Is My Heart
  3. 3. I Love Humans
  4. 4. This Is Your Life
  5. 5. Our Best Hope
  6. 6. One For Your Workout
  7. 7. Mantra
  8. 8. Chant En Disenchant
  9. 9. Richard, Jeff And Elon
  10. 10. Us vs Evil
  11. 11. Golden Days
  12. 12. Accept Cookies

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LAUT.DE-PORTRÄT Get Well Soon

Konstantin Gropper ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Insbesondere sein Herkunftsort Biberach scheint dem 82er-Jahrgang ungenehm bis peinlich.

8 Kommentare mit 29 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    "Er nimmt sich auf 'Amen' knapp eine Stunde, um das eigene Erleben der letzten Jahre zu reflektieren, in meist abstrakten Texten, die immer wieder mit Groppers durchscheinendem Humor bestechen" - ich lese laut.de wirklich gern, aber das ist Schülerzeitungsniveau, tut mir leid.

  • Vor 2 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 2 Jahren

    Hab den nicht groß verfolgt. Wenn er immer mal wieder obligatorischerweise in irgendeinem Kulturprogramm auftauchte, fand ichs blaß. Ohne die Platte gehört zu haben, kommen die zitierten Zeilen bei mir ziemlich peinlich an. Ich finds sehr leicht, sich vorzustellen, wie z.B. Max Giesinger oder Annenmaykantereit sie auf deutsch singen ¯\_(ツ)_/¯.

    • Vor 2 Jahren

      Hör mal rein. Wahrscheinlich wirst du feststellen, dass du Get Well Soon mit dem Max-Giesinger-Vergleich großes Unrecht tust. Denn Max Giesinger ist richtig übel, keine Frage.

    • Vor 2 Jahren

      Hatte die erste Scheibe damals ein paar mal gehört. Dann aber auch nie wieder, auch wenn mir was was shufflemäßig begegnet ist. Zweite Platte wurde dann pflichtgemäß gehört. Die war aber sehr fad. Ist nicht so, als wär mir die "Band" nicht immer wieder mal begegnet. Aber es klang stets wiederholt und ausgelutscht.

      Hab da den guten alten Deutsch-Bonus in Verdacht, dens auch bei Filmen und Büchern gibt. Was überall sonst mittelmäßig wäre, ist als Deutsches natürlich richtig supi. Während das, was international eher beachtet wird, wie The Notwist z.B., von der hiesigen Indie- oder Untergrund-Szenen eher weniger Aufmerksamkeit bekommt Da wirds dann schnell zu bunt.

    • Vor 2 Jahren

      Ja, die Geschmäcker sind halt verschieden - ich kann mit The Notwist nichts anfangen, obwohl ich es oft probiert und mir durchaus Mühe gegeben habe.

    • Vor 2 Jahren

      "Ja, die Geschmäcker sind halt verschieden"

      Nein, in diesem Fall:
      Rage ist schlicht selbstlobotomiert!

      Und in vielen anderen Fällen: Frag hier mal rum....

    • Vor 2 Jahren

      Selbstlobotomie? Psychopharmaka müßte ich auch mal ausprobieren. Danke für die Erinnerung!

      Und ne, Get Well Soon sind einfach super provinziell mit verkrampft urbanen Ansprüchen. Die Verkörperung Baden-Württembergs, sozusagen. Deswegen interessiert sich auch außerhalb des Landes keine Sau für sie. Oder auch nur, wenn vier Wochen seit der letzten Platte vergangen sind und sie entsprechend nicht mehr im Feuilleton erwähnt werden.

    • Vor 2 Jahren

      Könnte es sein, dass hier eine kleine Täter-Opfer-Verdrehung vorliegt? Die Feuilletons begeistern sich (mal wieder) darüber, dass ein Künstler aus der Provinz gar nicht mal so provinziell klingt, wie man das für die Provinz erwartet hätte. Wobei das doch das eigentlich provinzielle an der ganzen Angelegenheit ist - ebenso wie der Vorwurf der Provinzialität von schlecht verarbeiteten diesbezüglichen Komplexen zu zeugen scheint.
      Fehlt noch die Frage nach den Grenzen der Provinz im diesem Land. Die gerne zur Schau gestellte Selbstbesoffenheit unserer (ja auch oft nicht nativen) Großstädter lässt mich manchmal eher vermuten, dass die Provinz sich über ganz Dtl. erstreckt, als Provinz im Kopf, sozusagen.
      Und dann sei noch die Frage gestellt, was im Gegensatz zum Schwabenländle dann Weilheim zum Nabel der Welt gemacht hat (und was Notwist als bundesdeutschen Feuilletonisten-Liebling dann so sehr unterscheidet). Vielleicht ist der Gegenpol zur Provinz vielmehr der Ort (im Atlas oder im Kopf), wo etwas neues passiert, bei dem sich niemand die Frage stellt, wie die Herkunft einzuordnen wäre.
      Sei es wie es ist, eine Wertung nach geographischen Maßstäben halte ich für ein eher schlechtes Kriterium, um sich Musik anzunähern.

    • Vor 2 Jahren

      Ragi einfach mal argumentativ komplett zerstört, dass ihm die Worte abhanden gekommen sind wie sein Profilbild.

    • Vor 2 Jahren

      Netter Versuch, Gleep. Bussi ;)

    • Vor 2 Jahren

      Der exaktere unter den existierenden vogtis hat aber tatsächlich 1-2 Monolithen ins Argumentfeld gepflanzt.

      Weilheim kannste halt höchstens bei pathologischer Fixation auf Live für dich zerbersten lassen aus Fanhörnchensicht, obwohl sie nach dem Ausstieg von Acid Pauli / Console inzwischen auch auf den Alben wieder bissl konventioneller arrangiert tönen. Bleibt dennoch eine ziemlich einzigartige stilistische Entwicklung die ihnen niemand mehr nimmt und kaum wer in vergleichbar kommerziell nennenswertem Umfang zu Stande brachte oder in Relevanz überlebte. Sind zwar für mich seit jeder der Inbegriff einer Studioplattenband, bin aber der ehrlichen Meinung, dass uns musikkulturell und insbesondere für die eigene Aussaat Nachwuschmusikschaffender sehr viel mehr geholfen wäre wenn The Notwist DAS in der internationalen Gunst und als aller Leute naheliegendste Assoziation zu Musik aus Deutschland wäre, was Rammstein und die Scorpions aktuell nun mal leider sind.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Und Get Well Soon hat stärkere und schwächere Alben, zumindest bei mir jedoch hat bisher keines "Mannheim und provinzielle Kurpfalz" oder "badensische Dorfklausegeschichten" als naheliegendste Assoziationskette aushelöst und ich kann's beurteilen als provinzieller Teil des 50km-Speckgürtelradius drum herum.

    • Vor 2 Jahren

      Oh, live sind die Notwist schon enorm gut. Gerade international ein sehr gefragter Live-Act. Und das, obwohl die nicht gerade top vermarktet werden oder wollen. Oder gerade deswegen.

      Das Provinzielle war vielleicht nicht der entscheidende Faktor. Ich erkenne bei den ewig selben Progressions in dramatischem Moll eine große Verkrampftheit, die Vorbilder erreichen zu wollen. Und meine Assoziation dazu ist jedes mal: Du kommst aber hörbar aus Baden-Württemberg, Junge. Ist meine Erfahrung mit vielen Schwaben, daß sie gleichzeitig aus ihrem kulturell verödeten Bundesland herauswollen, ihre drollig-konservative Gemütlichkeit es dann aber irgendwie doch nicht will.

    • Vor 2 Jahren

      Ouh... hätte dir gar nicht zugetraut da so viel zu gönnen, @Ragi.

      So viel i.S.V. mehr als ich, der sie seit der "Neon Golden" eigentlich zu jeder neuen Scheibe wenigstens einmal um die Gegend HD/KA herum in Clubatmosphäre live mitzunehmen versucht und absolut überzeugt ist, dass Achers' Markus sich seither mindestens so hart bemüht, gesanglich zum technischen Niveau der Rest-Truppe und seinem eigenen übrigen Bühnenwirken aufzuschließen wie Derwatt sich vor seinem Kommentar hier bemüht hat The Notwist prinzipiell zu mögen und gut zu finden. Wie wir inzwischen wissen ja leider beides mit dermaßen bescheidenem Erfolg, dass wahre Bescheidenheit an der Stelle gebietet eben dieses stete Bemühen gar nicht erst einen solchen zu nennen.

    • Vor 2 Jahren

      Ragi, vielleicht könntest du auch einfach mal aufhören deine Unzufriedenheit mit deinem Kartoffeldasein auf alles und jeden zu übertragen, hm? Danke.

    • Vor 2 Jahren

      Nö. Ich werde euch an meinem traumatisierenden Kukturschock, der mit monatlich zunehmender hiesiger Bräsig- und Regungslosigkeit nur verschärft wird, teilhaben lassen. Zumindest bis meine Umstände und mein Wille es ermöglichen, dieses ewig gestrige, zurückgebliebene, bald hochmilitarisierte Drecksloch Europas wieder zu verlassen. Grinsesmiley!

    • Vor 2 Jahren

      Richtig so, Ragi. Geh zurück nach Russland!

    • Vor 2 Jahren

      ragism bruder du soltest auch in deutschland nicht chillen nur mit kartoffel hier ist auch am start viele coole kanakz mehr auswahl als in andere lander

    • Vor 2 Jahren

      Tja, ganz eindeutig Lässigkeitsvorteil "Nicht meine Spezies, nicht mein Problem" kann ich da nur schreiben. :)

  • Vor 2 Jahren

    Wer sich fragt wieso deutsche Musik international nicht viel reißt der höre sich diese Lieder hier an und vergleicht diese mal mit Rammstein.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Nun gut, den hätt ich weiter oben auch an @Ragi schenken können, dass der eine nennenswerte Vorwurf Richtung Gropper tatsächlich nur sein kann, dassde den Bub zwar irgendwann oimal wieder naus kriegt hoscht aus der Mannheimer Popakademie, seine manchmal zu bemerkende schematisch-schablonenhafte Herangehensweise ans Komponieren aber selbstredend den Eindruck bekräftigt du bekämst die Mannheimer Popakademie jetzt erst mal net mehr so schnell aus dem Bub naus.

      ...aber wenn wirr jetzt zu schematisch-schablonenhaftes Songwriting bekriteln möchten kommt dein Gegenbeispiel auch ziemlich beinamputiert zum Vergleich gerollt... :rayed: :confused:

    • Vor 2 Jahren

      Zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Aber gut, ich mag beides.
      Übrigens ist Erfolg kein Gradmesser für handwerkliche Qualität, sonst wären Scooter und DJ Bobo nicht die einzig erfolgreichen Überlebenden der 90er Techno- und Eurodancecraze.

  • Vor 2 Jahren

    Konstantin Gropper for ESC

  • Vor 2 Jahren

    Sorry aber wenn man gws mit rammstein vergleicht, sagt das mehr über den
    Hörrenden aus als über die Musik. Amen ist ein Kunstwerk, das man nur erfasst, wenn man sich von Musik berühren lässt. Besten Album ever!