laut.de-Kritik

Sensibel und bedächtig statt höher, schneller, weiter.

Review von

Nackt besser aussehen? Ich mache dich fit. Mach' dich krass. Alles und vor allem man selbst muss heute besser, größer und erfolgreicher sein. Mittelmaß stinkt, Stillstand ist im Kapitalismus aller Laster Anfang. Citius, altius, fortius.

Auch die gestellten Aufgaben in der ProSieben-Show "Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt" gehorchen einem ähnlichen Prinzip. Nur die sympatisch kleine Band von Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol (Wir Sind Helden), mag das Spiel nicht so ganz mitspielen. Gloria drängen sich nicht in den Vordergrund, machen nicht auf dicke Hose. Zwar ufert manch ein Refrain in Pathos aus, aber die Grundausrichtung bleibt zurückgenommen, sensibel und bedächtig. Gloria sind einfach nur da. Das ist doch auch mal ganz schön.

Der Überraschungseffekt des Debüts ist verflogen, aber der Lack noch lange nicht ab. Ja, Klaas Heufer-Umlauf kann singen. Seine von Melancholie vernarbte Stimme trägt "Geister". Tavassol, der auch als Produzent fungiert, hat sein Gespür für Arrangements und Melodie nicht verloren. Beide ergänzen sich angenehm. Für die zweite Platte steht ihnen zudem ihre eingespielte Live-Band zur Seite.

Bei Tavassols Background verwundert es nicht, dass vieles auf "Geister" an seine ehemalige Band oder in verirrten Momenten an Radio Doria erinnert. Zaghaft finden Lieder wie "Stolpersteine" eine ganz eigene Prägung. Vieles läuft bei Gloria richtig, manches jedoch zu geschliffen und manierlich.

"Heilige Und Hunde" startet behutsam von dort, wo die Straßen keinen Namen haben. Ein bewusst gezügelter Beginn, der mit seiner Großstadtschwermut die Schattierung für den weiteren Longplayer vorgibt. Der Titelsong "Geister" erhebt sich voller Pathos aus den zu Beginn verhaltenen Klavier-Akkorden und übernimmt die Rolle, die auf dem Vorgänger "Eigenes Berlin" inne hatte: das dynamische Glanzstück mit einer beißenden Portion Seelenschmerz.

Ein Problem von Gloria stellen nach wie vor Heufer-Umlaufs Texte dar, die zu oft ins Phrasenhafte abgleiten. Gerade bedächtige Tracks wie "Schwaches Gift" und "Kreis" benötigten gezielte Stiche, um ihr Potenzial voll auszureizen. "Leben ist das, was passiert / Wenn du wo anders so beschäftigt bist / Wenn du den Wagen lenkst / Und dabei dein Ziel vergisst", singt er in "Das, Was Passiert" und bewirbt sich für einen Platz in der Zitaten-Rallye auf Facebook. Bald findet sich sein nachdenkliches Profil in der Gesellschaft von ausgelutschten Sprüchen von John Lennon, Yoda und Miley Cyrus.

Obwohl er auch in "Stolpersteine" nicht ganz die beabsichtige textliche Tiefe erreicht, schlägt er sich bei dem schweren Thema wacker und authentisch. "Du rennst die Treppen rauf / Und die Schatten laufen dir entgegen / Diese Leute wollten hier nicht gehen." Tavassols sprödem Basslauf stehen nur ein spärliches Arrangement mit splittrigen Beats zur Seite. In diesem Augenblick sind Gloria tatsächlich nackt, und sie sehen zerbrechlich aus.

Trackliste

  1. 1. Heilige Und Hunde
  2. 2. Geister
  3. 3. Das, Was Passiert
  4. 4. Das Seil
  5. 5. Stolpersteine
  6. 6. Schwaches Gift
  7. 7. Neu Beginnen
  8. 8. Kreis
  9. 9. Der Pilot
  10. 10. Haut
  11. 11. Ohne Träume

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3 Kommentare mit 21 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Mark Tavassol war bei Tomte?

    • Vor 9 Jahren

      sorry. da fehlte ein sinnzurechtrückendes komma. mein fehler.

    • Vor 9 Jahren

      Ghostwriter für den Kabelitz, echt jetzt? Ist der so mit Facebook beschäftigt, dass er seine Rezis nicht mehr selber schreibt. :-D

    • Vor 9 Jahren

      Wir haben da ein total lustiges und abgefahrenes Konzept entwickelt. Nennt sich "Redaktion" und "redigieren". Wir sind da noch in der Entwicklungsphase, aber langfristig dürfte die Nummer das Internet zerbersten.

    • Vor 9 Jahren

      vieraugenprinzip. einer schreibt, einer redigiert. sollten sie eigentlich überall so machen, normalerweise reduziert das die fehlerzahl drastisch. aber wenn der redakteur sich, wie in diesem fall, in der materie nicht auskennt, kommt halt auch mal blödsinn dabei raus. verzeih.

    • Vor 9 Jahren

      oder was der kabelwitz sagt. :D

    • Vor 9 Jahren

      So ne Professionalität hätte ich euch nun nicht unterstellt. Komisch nur, dass der Redigierende den alleinigen Anspruch auf den Fehler erhebt. ;-)

      Den "Redigisten" kann man ja mal unter dem Artikel vermerken, da weiß man gleich, wen man noch zusammenscheißen muss. :-D

  • Vor 9 Jahren

    Ne danke. Hab nicht gegen den Tavassol, aber bei dem Klaas Typen hört es bei mir auf. Dem unlustigen Oliver-Pocher-aus-dem-Jahre-2010 Verschnitt gebe ich keine Aufmerksamkeit. Da würde ich mir lieber einen Hoden abschneiden als mir dem seine Stimme zu geben. Ach was sage ich, ich würde mir beide Hoden lieber abschneiden.

    • Vor 9 Jahren

      Also jetzt mal real talk:

      Du wachst auf, hast keine Erinnerung an die letzten 12 Stunden, findest dich in einer alten abgeranzten Lagerhalle wieder, allein und auf einen Stuhl gefesselt.

      Vor dir steht ein Fernseher. Als er sich von alleine einschaltet, siehst du nach einem kurzen weißen Rauschen das Gesicht einer Clownspuppe, die das Video mit den Worten "I wanna play a little game" einleitet und dir folgende Spielregeln beschreibt:

      Du hast 30 Sekunden Zeit, dir mit einer alten rostigen Stichsäge die Klöten abzusäbeln, mit denen du nämlich an dem Stuhl fixiert bist. Solltest du es in der Zeit nicht schaffen, dich deiner beiden Vorstandskollegen zu entledigen und das Video zu pausieren, würde es in einen Live-Mitschnitt von Gloria übergehen und zwar genau zu einer Stelle, an der Klaas Hallmackenreuther-Umlauf zu singen beginnt.

      Hab ich das richtig verstanden, dass du es tun würdest?

    • Vor 9 Jahren

      So würde das ungefähr aussehen, auch wenn ich die Jigsam Puppe gegen Mario Barth austauschen würde. Und ja, ich würde meine geliebten Eier (Wolfgang und Eberhard) abscheiden.

    • Vor 9 Jahren

      Der Klaas von Gloria hat aber nur wenig mit dem von Pro7 gemeinsam. Sie stecken nur zufällig im gleichen Körper fest.

    • Vor 9 Jahren

      Ein klassischer Körper-Klaas also.

  • Vor 9 Jahren

    ne bei wir sind Helden!!! geil die Kritiker haben hier echt keinen Plan mehr .