laut.de-Kritik

Rotzrock und Radiogefälligkeit unter einem Hut.

Review von

Sorry Lzzy, den imaginären Schwanzvergleich mit Taylor Momsen verlierst du leider. Gegen "Going To Hell" kommt "Into The Wild Life" dann doch nicht an. Trotzdem: Halestorm anno 2015 haben eine Menge zu bieten!

Stimmt schon, bisweilen geht das Pennsylvania-Quartett sehr poppig zu Werke. Das hindert es aber nicht daran, Hit auf Hit rauszuhauen. Der Opener "Scream" animiert schon ganz ordentlich zum Abgehen, ist im Vergleich aber noch einer der zahmeren Tracks. Wenn sie mal nicht zu sehr in Radiogefälligkeiten abdriftet, zeigt Lzzy nämlich Eier, auf die so manch männlicher Kolleger neidisch sein dürfte.

"Sick Individual" startet mit Drumsolo und Metalgitarren, Lzzy beginnt ihre Predigt, wechselt zwischen Verlockung und Bitch und dirigiert die Band selbstbewusst durch die lauernden Start-Stop-Strophen, bevor sie im Stakkato-Chorus wild um sich schlägt. Die Videosingle "Amen" dürfte sich ohnehin schon seit einiger Zeit in den Gehörgängen eingenistet haben.

Zeit für eine Klavierballade. Muss ja auch mal sein. Schließlich ist "Dear Daughter" eine von der besten Sorte. Kitschfrei (abgesehen von diesem seltsamen "Bap-bap-bap"-Sample), eingängig, feuerzeugtauglich, melodiös. Danach läuft die Lagerfeuerjam-Adaption von "Sick Individual" namens "New Modern Love" gleich doppelt so gut rein.

Ebenfalls Teil des gesetzteren Mittelteils: "Bad Girl's World". Getragen von Lzzys Stimme über einem lockeren Fundament aus schwebenden Cleans, leisem Bass und unaufgeregtem Schlagzeugbeat öffnet sich der Song zum Ende hin für ein Solo, das aufgrund nun komplett fehlender Rhythmusfraktion zunächst befremdlich wirken mag, allerdings auch Abwechslung und das Besondere ins Spiel bringt.

Genug Romantik, jetzt wird's religiös: "Hallelujah motherfucker, take me to church" Betschwester Lzzy mag's hart dreckig und am liebsten zu Sabbath, Zeppelin und Lemmy. Im Nachspiel kredenzt sie noch ein A-Capella Chörchen: "If there's a church it's rock 'n' roll / If there's a devil I sold my soul / And it's alright whatever we do tonight / 'Cause if there's a god, dammit, she won't mind."

Mag vielleicht nicht gerade die alleroriginellste Idee sein, solche Zeilen zu verbraten. Kommt hier trotzdem cool rüber, man weiß sofort, wohin die musikalische Reise geht. Neben P!nk fallen einem während "Into The Wild Life" beispielsweise Bon Jovi immer wieder ein. Leider aber gefallen Lzzy offenbar nicht nur die frühen Sachen Jons. "Unupologetic" erinnert nämlich nicht nur dem Titel nach an eine seiner aktuellen Geschmacksverirrungen. Darauf hätte man getrost verzichten können. Zumal es angehängt an das abrupte Ende des Tanzgaranten "Jump The Gun" nicht nur dessen, sondern als Rausschmeißer auch den Vibe des gesamten Albums zerstört. Dabei zeigten Halestorm zuvor in "I Am The Fire" noch wie man Radio und Rotzrock gelungen unter einen Hut bekommt.

Insgesamt ist "Into The Wild Life" ein Album, das man nicht haben muss, von dem man aber auch ganz bestimmt nicht bereut, es zu haben. Über weite Strecken halten sich coole Rockröhre und Schielen in Richtung Mainstream harmonisch die Waage. Einen einzigen Totalausfall (der nur auf der Deluxe-Edition enthalten ist) kann man da schon mal verschmerzen. "If there's a god, dammit, she won't mind!" Amen.

Trackliste

  1. 1. Scream
  2. 2. I Am The Fire
  3. 3. Sick Individual
  4. 4. Amen
  5. 5. Dear Daughter
  6. 6. New Modern Love
  7. 7. Mayhem
  8. 8. Bad Girl's World
  9. 9. Gonna Get Mine
  10. 10. The Reckoning
  11. 11. Apocalyptic
  12. 12. What Sober Couldn't Say
  13. 13. I Like It Heavy
  14. 14. Jump The Gun
  15. 15. Unapologetic

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 9 Jahren

    Kamma machn. Da is nicht wirklich schlechtes drauf und nichts was einen jetzt vollkommen vom Hocker reißt. Ein wenig Schade, das das Album so glatt vor sich hin läuft. Mir fehlt in den Lieder häufig ein zündender Funke, das ist dann doch zu sehr auf Sicherheit gespielt.

  • Vor 9 Jahren

    Rock mit angezogener Handbremse macht mir keinen Spaß.
    Schade eigentlich, denn die Sängerin ist nicht schlecht und die Band Könnte glaube ich auch anders.

  • Vor 9 Jahren

    Das ist ehrlich ein Katastrophenalbum... Sorry - aber das ist echt sowas von langweilig.... Kein Vergleich zu den ersten Alben - ich weiss nicht wie ein Song von dieser CD live diese Stimmung bringen soll, wie die alten Lieder.
    Ich war in Zürich auf dem Konzert und der Schweiss tropfte von der Decke, so hat Halestrom eingeheizt. Bei den Lieder aber .... Sorry - man kann auch mit tollen Liedern Geld verdienen.