laut.de-Kritik
Die Durchschlagskraft der Langatmigkeit.
Review von Erich RenzEin von Sonne und Wind gegerbtes Gesicht als Zeichen der eigenen Verfassung. Die Mimik fasst in Kürze die Gesamtheit all jener Ausdrucksformen zusammen, mit denen Hans Söllner seinen Zustand besingt. Vom Bayaman'Sissdem und Peter Pichler wurden Söllners ehemalige Befindlichkeiten instrumental umgedeutet und ausgestaltet. Dabei handelt es sich weder um eine übertriebene Nabel- noch eine wahllose Werkschau.
Wenn Söllner dasselbe Lied, das er vorher noch als originärer Bänkelsänger in Dur-Stafetten abschloss, nun in einem Moll-Schmiss um die Ecke jagt, weiß man wieder mehr über das Überdauern der Worte in einem neuen Klanggewand Bescheid.
Mancher Satz wie in "Hey Wos Is" mit seinem wippenden Beat und stakkatoartigen Brass, ist gar als Erstschlag abgefasst: "Und wenn mei Freind a Grieche is, dann kriach I mit eam umanand / Bevor I mit dir aufrecht geh fürs deutsche Vaterland."
In "Für Meine Buam" hält sich das Klavier an den Grundakkorden fest, das Akkordeon strömt seine Luft aus, die Gitarre hangelt sich durch ein Arpeggio, das Schlagzeug folgt stoisch dem Rhythmus. Und Söllner? Durch die raffinierte Machart, zuerst Gesang und Gitarre einzuspielen und später die Akustische zurückzunehmen, rückt sein gutturales Stimmregister nach vorn. Das macht seinen Zustand messbar.
Die Stones und die schöne alte Zeit, Dylan und das Gras auf dem Zeppelinfeld 1978. Das alles sind kurzweilige Begebenheiten und natürlich herrlich verschwenderische Gedanken. Aber Söllner stemmt sich dagegen und schmettert: "I denk ned an gestern, I denk an moang / Und wenn I ehrlich bin, hob I furchtbar Angst / Dass irgendwann die Leid bloß über gestern redn und sie merkan ned dass' heid scho kracht."
Von den altbackenen und stereotypen Fragen nach Heimat-Reggae und Liedermacherei muss Abstand genommen worden. Hans Söllner legt mit "Mei Zuastand" die Kraft des Diversen frei. Seine Musik ist der große Interpretationsteppich, den die Instrumentalisten mitsamt Genres auslegen.
17 Kommentare
ich versteh zwar kaum einen Satz des Autors,aber wird schon stimmen
Tolle Platte
großartiger mann. allein schon für die rechtsgeschichte, die er beim bverfg (eigenverantwortliches recht auf rausch) schrieb. muss man ihm danken. echter philosoph im revolverschnauzenmantel. das land ist sich gar nicht bewusst, wen es da seit 30 jahren ignoriert.
Jo! Anwalt da hast du Recht! Ich mag ihn auch schon seit Jahren..... Beste war immer Marihuana für die Mama und Aba olle sama Wixa Kokain weisser Rum usw.... Ach alle sind gut Danke laut.de! Wusste gar nicht dass eine neue Platte kommt, muss ich mir nach Feierabend mal kaufen gehen
So konservativ wie alle sagen, sind wir Bayern eigentlich garned.
aber so richtig viel merkt man vom arab spring bei euch in bayern auch nicht.
@unorigineller_name (« @UnrealFlint
Immerhin grenzt er sich ja doch auch ab von einigen bayrischen Erscheinungen ab, die andere unter Heimatschutz stellen würden ("wiener walzer knödel fressen bladl speim, a weng kultur muas sein" »):
Mhm, auch den "Sepp" kenne ich...
Du hast absolut recht damit, aber ich bin auch dagegen, jeden der sich gegen die konservative bayerische Kultur stellt, sofort als Ikone zu stilisieren.
Ist immer schlecht, wenn man mit seinem Image letztendlich Geld verdient bzw. verdienen muß.
Aber o.k., wer ihn mag - bitte sehr!