laut.de-Kritik

Mund abwischen und alles auf Anfang.

Review von

Jupiter Jones hätten sich im März 2014 mit erhobenen Häuptern aus dem Business verabschieden können. Nach zwölf Jahren gab es schließlich viel zu erzählen. Der steinige Weg ins nationale Rampenlicht, der Durchbruch mit der Single "Still" im März 2011 und unvergessene Konzert-Momente beim Frühstücksfernsehen, beim Bundesvison Song Contest und auf den Bühnen der größten deutschen Festivals: Jupiter Jones hatten viel erlebt. Es hätte also niemand gemurrt, wäre die Band nach dem krankheitsbedingten Ausstieg von Tonangeber Nicholas Müller den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Ein Ende mit viel Applaus: Das wär's gewesen.

Doch Sascha Eigner hatte keine Lust, die Flinte ins Korn zu werfen. Der bärtige Macher in der Band wollte mehr: "Nicholas war ja nicht der Chef des Ganzen. Wir zogen immer alle am selben Strang. Wir standen immer alle auf einer Stufe. Also setzten wir uns zusammen und überlegten uns, was man machen könnte", so der Gitarrist.

Die Lösung: Mund abwischen und alles auf Anfang. In Gestalt des langjährigen Bandkumpels Sven Lauer wurde ein neuer Sänger vorgestellt. Und statt weiter in Richtung Indie-Pop zu schielen, kehrte man zurück zu den Rock-Wurzeln. Zwei Jahre später liegt das Ergebnis einer Entwicklung auf dem Tisch, das man zweifellos als mutig bezeichnen kann. Mit "Brüllende Fahnen" melden sich Jupiter Jones zurück.

Wie klingt es, wenn sich Sascha Eigner während des Songwritings von Bands wie den Arctic Monkeys und den The Black Keys inspirieren lässt? Und wie macht sich Sven Lauer am Mikrofon? Der eröffnende Titeltrack hält noch den Ball flach. Der Rock kommt eher durch die Hintertür. Was zählt, ist der Groove. Es macht sich aber auch schon Aufbruchsstimmung breit: "Wir könnten mit vollgerotzten Taschentüchern untergehen, um dann mit brüllenden Fahnen wieder aufzustehen."

Es folgt "Ein Bisschen Paranoia", ein ebenfalls reduziert beginnender Tänzer im Gleichschritt. Schlagzeug und Bass geben die Richtung vor. Und irgendwann wagen sie sich dann nach vorne: die ersten Gitarren. Leicht angezerrt wecken sie Erinnerungen an die Herren Kiedis, Flea und Co. Passend dazu gibt's Sprechgesang auf die Ohren. Sven Lauer hat nur wenig von Nicholas Müller. Statt mit wärmendem Charisma kommt der Neuzugang mit modernem Pepp um die Ecke.

"Faustschlag" funktioniert ähnlich gut. So langsam groovt sich das Kollektiv ein. Bis zum Pausentee steigert sich die Band im Minutentakt. Wahlweise im Jack White-Modus ("Faustschlag"), hippiesk à la Selig ("Intrigen, Intrigen") oder tiefenentspannt mit waberndem Geblubber im Schlepptau ("Herzen Schlagen Sich") kurven Jupiter Jones gekonnt um alles herum, das heutzutage unter dem Deutsch-Pop-Banner zum Dauergähnen animiert.

Auch die zweite Albumhälfte hält viel bereit. Von klassisch rockpoppenden Entweder-oder-Fragerunden ("Rückenwind-Gegenwind") über psychedelisch schrammelnde Stinkefinger ("Alle Türken Heißen Ali") bis hin zu vertrackten Encore-Tupfern ("Zugabteil"): Jupiter Jones scheuen sich vor keiner Abzweigung. So verdient sich "Brüllende Fahnen" am Ende fast schon den Debutalbum-Button. Mit einem neuen Sänger an Bord, der gekonnt zwischen Harmonie- und Sprechgesang pendelt, einer reduzierten, aber dennoch energiegeladenen Produktion, die die zum Teil etwas aufgeblähten Arbeiten der jüngeren Vergangenheit spielend leicht hinter sich lässt und einer neu gewonnenen Offenheit in punkto Songwriting und Struktur, schlagen Jupiter Jones ein neues Bandkapitel auf.

Trackliste

  1. 1. Brüllende Fahnen
  2. 2. Ein Bisschen Paranoia
  3. 3. Faustschlag
  4. 4. Jede Viertel Sekunde
  5. 5. Intrigen, Intrigen
  6. 6. Herzen Schlagen Sich
  7. 7. Rückenwind-Gegenwind
  8. 8. 70 Siegel
  9. 9. Dann Greif Ich An
  10. 10. Alle Türken Heißen Ali
  11. 11. Lauf, Forrest, Lauf
  12. 12. Zugabteil

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1 Kommentar mit einer Antwort

  • Vor 8 Jahren

    "unvergessene Konzert-Momente beim Frühstücksfernsehen, beim Bundesvison Song Contest und auf den Bühnen der größten deutschen Festivals"

    Nachdem ich sie live gesehen hatte hier Vorort, mag ich die nicht mehr. Bei aller Liebe für deutsche Musik, die sind ein Stimmungskiller bzw. bringen es einfach nicht. Mag auch daran gelegen haben, dass das eines der ersten Konzerte mit neuem Sänger war. Nochmal so lange um endlich erfolgreich zu sein, gähn och nö! Sorry, musste ich auch mal blub machen.

    • Vor 8 Jahren

      Als ich die erstmals bewusst wahrnahm (mit altem Sänger) hab ich mir das "leise unplugged im Kloster Cochem" oder so ähnlich runtergeladen.
      Das hat mir ganz gut gefallen, besser als jedes ihrer Alben die ich danach hörte.