laut.de-Kritik
Das zweite Standbein der Dum Dum Girls-Chefin: 80er-Synthiepop.
Review von Andrea Topinka"Selbst wenn ich meine ganze Karriere neu aufbauen muss, arbeite ich lieber unermüdlich, als dass ich das Gefühl habe zu stagnieren", sagt Kristin Welchez über ihre jüngste Entscheidung. Denn der steile Aufstieg, den sie als Dee Dee, Kopf der Dum Dum Girls, hinlegte, schränkt sie auch ein: Dem Bandnamen heftete eine fest gefahrene Erwartung an 60s Girl Group-Pop an, angereichert mit rockigen Gitarren und jeder Menge verträumten Reverb.
Jetzt heißt es aber erst mal weg mit den Dum Dum Girls und Dee Dee: Für ihre Soloplatte "X-Communicate" transformiert Welchez in Kristin Kontrol. Wie ein Symbol für den Befreiungsschlag blitzt Saxofon im Opener "Show Me" auf. Der ausladende Synthesizer-Einsatz zusammen mit knackigen Beats weist den Weg: Kristin Kontrol verwirklicht sich im Dance- und Synthiepop der 80er, sie strebt dabei mehr denn je Vorbildern wie Madonna oder Kate Bush nach.
So schnell schließt sich also der Kreis zurück zu den Dum Dum Girls. Einflüsse der Popspielarten dieses Jahrzehnts hatten schon immer ein Plätzchen in Dee Dees Songs, vor allem auf der letzten Platte "Too True".
Bei Kristin Kontrol breiten sie sich nun aus, verdrängen Gitarrenklänge in den Hintergrund. Wie charttauglich das klingen kann, zeigt die langsam auflodernde Ballade "(Don't) Wannabe", wenn die Musikerin im Refrain die eingängige Frage zum Mitsingen wiederholt: "Don't you wanna be something to someone?" Wie früher spart sie nicht an mitreißenden Hooks. Die diskoinfizierten "X-Communicate" und "Skin Shed" unterstreichen das und wecken den Drang auf die Tanzfläche zu stürzen.
Dazwischen lässt Welchez Raum für ruhige, melancholisch Momente. "What Is Love" läutet mit Piano eine Powerballade ein. Den Kitsch, der bei der Bezeichnung mitschwingt, kann sie nicht ganz vermeiden. Die zurückhaltende Instrumentierung und der ergreifende Gesang im Vordergrund machen "Smoke Rings" hingegen zu einem bildgewaltigen Drama der Einsamkeit.
Worüber auf den Punkt produzierte Ohrwürmer, große Emotionen, Welchez' Präsenz und offensichtliche Freude an Kristin Kontrol, nicht hinwegtäuschen können: "X-Communicate" fehlt es an Besonderheiten, die mehr als eine gut gemachte Synthiepop-Adaption mit einer Handvoll Hits hergeben. Eine solide Basis für eine zweite Karriere ist das natürlich trotzdem. Mal sehen, was sie daraus macht.
3 Kommentare
Eine 3er Wertung ist fair. Wenn man gerade Lust auf Synthpop hat, dann liefert das Album genau das richtige. Ich vermute aber, dass sich die Songs auch schnell abnutzen. Wie die Rezensentin auch schreibt: Es fehlt an Besonderheiten (der Titelsong ist aber ein verdammt guter Ohrwurm).
Wieder mal eine top Rezi, da wird mir Morpho sicher zustimmen.
Gut, dass ich vor 30 Jahren schon Kate Bush Fan war. Somit brauchte ich mir die ganzen hoffnungsvollen Newcomerinnen, welche regelmäßig und leichtfertig mit ihr verglichen werden, nicht antun.