Porträt

laut.de-Biographie

Lena Stoehrfaktor

Berlin, Mitte der 2000er Jahre: Ein hartes Pflaster für Rap, und ein besonders hartes Pflaster für die Damen der Schöpfung, die um 2004 und 2005 im Fallout der Arschficksongs und Pimplegionäre links und rechts im Kreuzfeuer stehen. Natürlich ist es die wenig elegante Variante, eine Rapperin zuerst über ihr Geschlecht aufzumachen, allerdings soll es 2005 auch ausgerechnet ein Song gegen Sexismus sein, der eine gewisse Lena Stoehrfaktor zum ersten Mal auf die Bildfläche der Berliner DIY-Landschaft bringt.

Lena verwendet die Berliner Schnauze in den kommenden Jahren auf Untergrundshows allen voran, um Haltung zu zeigen. Haltung gegenüber einer Szene, die in ihren Machtdynamiken und kapitalistischen Strukturen nicht nur irgendwie eklig, sondern auch ziemlich unreflektiert ist. Battle-Rap mit Köpfchen und doch in die Fresse gleichzeitig.

Gemeinsam mit Asi-Es, den sie bereits 2002 kennenlernt, entwickelt sich Lena schnell in der Untergrundlandschaft, spielt Auftritte und schließt sich mehreren Projekten an, in denen sie ihre Reputation und ihre Erfahrung weiterentwickelt. Conexion Musical wird eine wichtige Haltestelle, die über die Vernetzung mit Tapete und Rauhfaser Records entsteht. Solidarität und politischer Aktivismus werden zu Markenzeichen, die zwar keinen kommerziellen Erfolg einbringen, aber dennoch an der Basis Ergebnisse erzielen.

2012 erscheint das erste Soloalbum, "Die Angst Vor Den Gedanken Verlieren", das über besagtes Label und mit Gastauftritten von Rebel Diaz, Cloudito, Tapete und MC Josh aufwartet. Weiter geht es mit vereinzelten Projekten und Musikvideos, die allen voran als Futter für die Liveauftritte in ganz Deutschland zu dienen scheinen. "Gott Im Himmel, Leichen Im Keller" und das später entstehende Bandprojekt "Lena Stoehrfaktor Und Das Rattenkabinett" folgen auf den Fuß und enthalten einen von Lenas bis heute bekanntesten Tracks.

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"Seeräuber Lena - Das Brückenmassaker" ist ein Song, der 2017 auf Moop Mama-esken Reggaebeat die Erfahrung von sexuellen Übergriffen - hier spezifisch auf der Warschauer Brücke - in eine subversive Gewaltumkehrung spinnt. Video über Instrumental bis Rap spiegeln passend wider, wofür Lena bis hierhin und auch weiterhin steht: DIY von der ersten bis zur letzten Sekunde, mit allen daraus entstehenden Schwächen und Stärken, Ecken und Kanten.

2018 ist Lena über dreißig und kann von Rap inzwischen einigermaßen leben. Zwar wird sie von Rap- und Musikmedien weiterhin eher unter dem Radar gehandelt und kann nach wie vor keinen Hit in ihrem Katalog ausweisen, aber die Tour-Sektion ihrer Homepage bleibt dicht gefüllt und ihre Verbindungen in die Szene sind solide. Zu diesem Anlass legt sie mit "Blei" und dem Release des Rattenkabinett-Projektes Alben nach. "Blei" zollt ihren musikalischen Wurzeln anhand sehr druckvoller, auf den Punkt gebrachter Asi-Es-Produktion Tribut und weist dennoch einiges an Haltung und offenherzigem Storytelling auf. 2022 folgt mit der "Essenz EP" eine weitere Veröffentlichung, auf der sie sich ganz ihrer nostalgischen Grundstimmung hingibt.

Lena Stoehrfaktor ist eine heilsame Singularität in der Deutschrap-Landschaft, die Alternativität und Untergrund nicht nur als Modeobjekt und Teil einer Ästhetik predigen, sondern sie auch aktiv leben und praktizieren. Die Limitation der desinteressierten Presse und Labels nutzt ihr Umfeld dazu, die Musik zu Kampagnen aus Solidarität und alternativen Räumen aufzuladen - und auch als solche zu verteidigen. Dementsprechend ist der Durchbruch gar nicht so wirklich erforderlich, sondern eher ein nachhaltiges Wachstum gewünscht. Lena und Rauhfaser Records haben die Szene für scheiße befunden und dementsprechend einfach eine eigene gemacht. Und für Leute, denen es wie ein angenehmes Konzept vorkommt, dass die Bühne hier kein Podest darstellen soll, könnte dieser Besuch eine angenehme Überraschung sein.

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