laut.de-Kritik
Cult Of Luna trifft Lamb Of God in Freakshow.
Review von Manuel BergerEin mit klebriger, pinker Masse bedeckter Mann schreit sich, umgeben von Gasmaskenheinis, die Seele aus dem Leib. Ein Pärchen verwandelt sich beim Autosex in knubbelige Einheitswesen. Das sind Bilder, die Lo! mit ihren Musikvideos auf die Menschheit loslassen. Sie sind für sich gesehen schon verstörend und eindrucksvoll genug, um Fan zu werden. Es kommt aber noch besser: Musikalisch hauen die Australier noch mehr rein.
Für die Soundkulisse, die Lo! in "Vestigial" aufbauen, trifft die Beschreibung "Cult Of Luna trifft Lamb Of God" wohl am ehesten zu. Die atmosphärische Dichte des Post Metal, diese Präzision, wie sie die erstgenannten Schweden in ihren Songs aufweisen, finden sich auch bei Lo! wieder. Dazu gesellt sich mit Sam Dillon ein Vokalist, der irgendwo zwischen Jens Kidman und Randy Blythe angesiedelt ist. In "Glutton" etwa lässt er die Meshuggah-Augen rollen, "A Tiger Moths Shadow" präsentiert dann eher seine Variabilität. Die Urgewalt, mit der er im Refrain brüllt, dürfte so manchen Club in ein Schlachtfeld verwandeln.
Auch die Instrumente legen sich nicht auf eine Zielgruppe fest, sondern basteln sich ihre eigene. "Judas Steer" und "Locust Christ" schrammen am Grind- und Crustcore entlang, die Gitarren überschlagen sich hier fast. In "Gods Of Ruin" schielen die Post-Tremolos bereits Richtung Black Metal. Dillon passt sein Gekreisch dem übrigens an. "Glutton" atmet, wie erwähnt, Meshuggah- und damit Tech-Metal-Feel, wenn auch angereichert durch Sludge-Elemente. Der Mittelteil wiederum wäre unzweifelhaft als Post-Hardcore zu kategorisieren, passend dazu schalten Lo! im Anschluss komplett runter und suhlen sich in gemütlichen Clean-Akkorden.
Eine Pause vom meist vorherrschenden kontrollierten Chaos bietet "Bestial Beginnings". Gerade zu Beginn kommt hier die Cult Of Luna-Karte zum Zug, die Highspeed-Attacken anderer Songs sind vergessen. Behäbig entfalten Schlagzeuger Adrian Griffins und Gitarrist Carl Whitbread die Komposition. Ein stoischer Drumbeat legt die Basis, darum legt sich Whitbreads Delay-Melodie. Dieses Schema behalten Lo! auch bei, als Dillon nach knapp drei Minuten dazustößt und das Kommando für mehr Distortion gibt. Das Chaos rückt in greifbare nähe, bricht diesmal aber nicht aus. Die Spannung ist trotzdem zum Zerreißen.
Lo! könnten das Zeug haben, zum nächsten großen Underground-Ding aufzusteigen. Auf "Vestigial" kombinieren sie unterschiedlichste Varianten der härteren Gangart zu einer fokussierten, wütenden, vor allem aber durchdachten Einheit. Converge-Jünger dürften ob des Ergebnisses im Pentagramm hüpfen, können sich statt auf Lieblingsband 2.0 aber dennoch auf eine sehr eigenständige Truppe freuen. Jeder, der auch nur ansatzweise etwas mit den oben genannten Bands anfangen kann, sollte "Vestigial" anchecken.
3 Kommentare
Nicht übel, hatte ich vorher noch nie was von gehört. Erinnert mich irgendwie auch ein wenig an CB Murdoc...? Die Hardcore Einflüsse feier ich zwar nicht über alle Maßen, aber sonst geht das wohl echt nach vorne. Danke für den Tip!
LO! Death has reared himself a throne
in a strange city lying alone
Far down within the dim West,
where the good and the bad and the worst and the best
have gone to their eternal rest.
unfassbar groovy und rhythmisch fordernd zugleich, abwechslungreich und immer wieder überraschend, erst nach einiger erfahrung nachvollziehbar, dann aber langfristig... die band versteht sich aufs songwriting, und die mucke ist irrerweise trotz mancher musikalisch gewollter irritationen atmosphärisch sehr dicht. monsieur berger bemüht auffallend häufig den vergleich mit cult of luna.. auch hier greift der vergleich nur bedingt – aber es ist was dran. was lo! mit cult of luna teilen, ist wohl das nebeneinander, gegeneinander und miteinander von extremata, die durch eine einnehmende atmosphäre und intelligentes songwriting zusammengehalten werden.
"vestigial“ von lo! ist aggressives ausrasten pur mit rhythmischem mindfuck unter melancholischer sogwirkung.
eines der besten metal-alben des jahres oder gar der alben des jahres für mich.