laut.de-Kritik

Die US-Melancholiker sind bereit für den großen Sprung.

Review von

"I Wish You Way More Than Luck", bitte nicht wieder irgend so eine ambitionierte Indie-Band aus Buchholz-Kleefeld, die ihre Schwierigkeiten mit Syntax oder der englischen Sprache generell vor sich her trägt. Doch der Satz stimmt. Nicht alles, was falsch klingt, ist falsch. Und nicht alles, was gut ist, ist erfolgreich, sonst müssten die hoch verehrten Lo Moon nicht immer noch Supportshows für Metric spielen.

Aber Berlin oder Köln sind eben nicht Los Angeles und New York, wo Lo Moon mittlerweile die Läden ausverkaufen. Auf der Bühne schauten bereits Adam Granduciel von The War On Drugs und Curt Smith von Tears For Fears vorbei - es ist angerichtet. Und nach der kleinen Betriebsstörung namens "A Modern Life" liefern die Amerikaner nun. "I Wish You Way More Than Luck" ist randvoll mit allem, was diese Band ausmacht: Fantastisch herausgearbeiteter Artpop mit Shoegaze-Girlanden, starken Hooks, pompösen Arrangements und Drums, gerade wuchtig genug, um den somnambulen Flow nicht zu stören.

Schon nach zwei Songs ist man von Glück beseelt, die Pianokaskaden sind weitgehend verschwunden, somit auch die Coldplay-Anleihen, herzzerreißend klingen die Songs dennoch. Synth-Reverbs der hohen Slowdive-Schule begrüßen uns gleich in "Borrowed Hills", danach sorgt Drummer Sterlin Laws in "Waiting A Lifetime" für den Rock-Moment der Platte, und ich bilde mir ein, dass der Anfangsakkord für zwei herrliche Sekunden den Cure'schen "Plainsong" zitiert.

Bekannt sind Lo Moon seit "This Is It" und "Real Love" vom 2018er Debüt "Lo Moon" aber eher für kontemplativen Schönklang, der in einer besseren Welt im Stadion gegrölt würde. Der Hit dieser Platte heißt "Connecticut" und zeigt Sänger Matt Lowell wieder gleichermaßen schmachtend und drängend mit seiner unnachahmlichen Mark-Hollis-Stimme. Allein dafür muss man Lo Moon selbstredend lieben. Als hätte das Quartett sich nicht zwischen Ballade und Uptempo entscheiden können, entwickelt der Song eine über die volle Distanz anhaltende Sogwirkung.

"When The Kids Are Gone" bremst die Euphorie mit pastoralem Schwermut aus, bevor in "Water" dann der Albumtitel auftaucht. Zu überraschend leichtfüßigem Pop verabschiedet Lowell seine Angebetete mit zusammengebissenen Zähnen und stellt fest: "I don't need my innocence / Just so I can lose it again." "Day Old News" könnte auch von Sivert Høyem stammen, die Ambient-artige Etüde "Mary In The Woods", die endgültig wie ein Hollis-Outtake aus seinem Nachlass anmutet, leitet über in den knapp siebenminütigen Emo-Brocken "Evidence", den Lo Moon ab der Hälfte mit einem Krautrock-Beat unterlegen und dadurch spannend halten.

Traurigkeit klang lange nicht mehr so beschwingt. Doch des einen Leid, des anderen Glück. Die Kalifornier legen ihr ausgereiftestes Werk vor und empfehlen sich für höhere Ehren. Gerade, wer den frühen, intensiven Coldplay hinterher weint, findet hier sicherlich Anknüpfungspunkte. Spätestens wenn Matt Lowell in "Honest" am Ende alleine von der Kanzel schmachtet.

Trackliste

  1. 1. Borrowed Hills
  2. 2. Waiting A Lifetime
  3. 3. Connecticut
  4. 4. When The Kids Are Gone
  5. 5. Water
  6. 6. Day Old News
  7. 7. Mary In The Woods
  8. 8. Evidence
  9. 9. The Chapel
  10. 10. Honest

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