laut.de-Kritik

Es ballert, wummst und kracht.

Review von

Streicher beschlossen "Unto The Locust". Streicher eröffnen "Bloodstone & Diamonds". Machine Head fügen ihrer eindrucksvollen Diskographie ein weiteres Mosaikteilchen hinzu. Meilensteine hat Robb Flynn inzwischen aber wohl schon zu viele gesetzt. Denn ein weiterer gelingt ihm mit dem neuen Werk nicht. Das liegt in erster Linie daran, dass er sich nicht nur an anderen Bands, sondern vor allem an sich selbst messen lassen muss.

Nah dran ist er trotzdem allemal. "Now We Die" vereint alte Trademarks, wie die aufsteigenden Soloharmonien, das Schwanken zwischen Groove und Thrash, Aggression und Melodie mit eher neuen, klassischen Elementen. Letztere fallen deutlich verspielter aus als die von "Unto The Locust" bekannten Melancholieschleudern. Nach einem fiesen Bassdrop im Mittelteil schleicht sich gar noch ein Klavier in den Song.

Derartige Feinsinnigkeiten sucht man in "Killers & Kings" vergeblich. Weitestgehend brutal preschen die Musiker durch den Track. Robb Flynn wütet blutspuckend und geifernd, einzig die im Chorus auftauchenden Gangshouts wirken etwas bemüht.

Hinter diesem eher typischen Machine Head-Track versteckt sich mit "Ghosts Will Haunt My Bones" ein interessantes, leider aber auch etwas zielloses Stück Musik. Eine Art invertiertes "Sweet Child O' Mine"-Leitmotiv wechselt sich mit einem stark an "Halo" erinnernden Riff ab. Robb Flynns Stimme gleicht einem lauernden Raubtier, das zwar zum Sprung ansetzt, die Fänge aber erst viel zu spät in sein Opfer schlägt. Dieses kann sich zu allem Überfluss auch noch losreißen und entkommt. Tja, gute Idee, nur hapert es leider an der Umsetzung.

Ähnliche Probleme hat zunächst "Sail Into The Black". Vier Minuten dauert es, bis sich inmitten von Obertongebrumme und düsteren Akustikgitarren etwas regt. Songaufbau schön und gut, aber das ist einfach zu lang. Der zweite Teil knallt dafür richtig. Tonnenschweres Schlagzeug, Tremolopicking, das nach einiger Zeit kompromisslose Doublebassattacken begleiten. Und ein Solo, das eher im Rock- als im Metalsektor zu Hause zu sein scheint. Geil!

Bei "Night Of Long Knives" ist es genau umgekehrt. Es langt zwar von Anfang an ordentlich zu, im weiteren Verlauf passiert aber fast zu viel. Der Track wirkt überladen und unausgereift. Wahllos finden sich an jeder Ecke Drumfills, es ballert, wummst und kracht, der rote Faden geht in all dem Chaos notgedrungen verloren.

"Beneath The Silt" startet mit einem maschinellen Riff, das man gerade in die Core-Ecke schieben will, als Flynn mit einem Mastodon-meets-Sabbath-Vocalpart aufkreuzt. Und dann. "In Comes The Flood". Das will ich hören! Streicher und Chor mischen sich mit grandiosen Melodien und brachialer Härte. Das Beste: es klingt absolut unverbraucht und frisch. Standen die bisherigen Songs, ausgenommen vielleicht "Now We Die", klar im Schatten von "Unto The Locust" und dem übermächtigen "The Blackening", gelingt mit "In Comes The Flood" zumindest vorübergehend der Befreiungsschlag.

Dave McClain verzichtet auf Spielerien, prügelt einfach nur gnadenlos tight in seine Felle. Robb Flynn schwingt sich wunderbar angepisst auf seinen MessiasTron. Deutlicher zu proklamieren: "I'm the man" geht wohl kaum. Doch der Größenwahn steht Flynn in diesem Moment hervorragend.

Doch warum zum Teufel streut er im Mittelteil schon wieder so viel Geplänkel ein? Die Fahrt ist raus, Energie und Luft auch. Mit "Halo"-Chören und Amerika-Abgesang fangen sich Machine Head zwar zum Schluss hin wieder, können aber nicht mehr an den Beginn anknüpfen.

Nicht viel weniger einfallslos wie ihre Titel sind "Damage Inside" und "Game Over". Ersteres entpuppt sich als unspektakuläres Balladen-Intermezzo, Letzteres pusht gut nach vorn, klingt aber ganz sicher wie ein Highlight der Bandhistorie. "Imaginal Cells" unterbietet das sogar noch. Dreieinhalb Minuten lang berichten Nachrichtensprecher über den desaströsen Zustand unserer Gesellschaft. Politik, Religion, Dinosaurier, blablabla. Fahrtstuhlmusik mit Metalgitarren – hat Robb Flynn es wirklich nötig, so einen, Verzeihung, Bullshit auf sein Album zu packen? Als Intro für "Take Me Through The Fire" hätte er den ganzen Schmonz auch kürzer fassen können. Immerhin präsentiert er mit besagtem Song einen Rausschmeißer, der die gut 60 Minuten Laufzeit würdig abschließt.

Wow, das war ganz schön viel Gejammer. Größtenteils liegt das wohl an meinen immensen Erwartungen gegenüber einem neuen Machine Head-Release. Denn trotz der viele Bemängelungen spielt "Bloodstone & Diamonds" auf wirklich allerhöchstem Niveau. Beispiel: Slipknots ".5: The Gray Chapter" – eigentlich ein bärenstarkes Album – degradieren Flynn und Co. mal eben zur Randnotiz. Qualitativ waren, sind und bleiben wohl auch Machine Head in ihrem Metier das absolute Nonplusultra. Nur gegen sich selbst kommen sie nicht an.

Trackliste

  1. 1. Now We Die
  2. 2. Killers & Kings
  3. 3. Ghosts Will Haunt My Bones
  4. 4. Night Of Long Knives
  5. 5. Sail Into The Black
  6. 6. Eyes Of The Dead
  7. 7. Beneath The Silt
  8. 8. In Comes The Flood
  9. 9. Damage Inside
  10. 10. Game Over
  11. 11. Imaginal Cells
  12. 12. Take Me Through The Fire

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8 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    unto the locust war ziemlich knackig. Das hier wird bestimmt mal angespielt zum probieren wies so is.

  • Vor 10 Jahren

    finde "unto the locust" genauso wie den vorgänger "the blackening" unglaublich vielschichtig. es spricht bei mir eine sehr hohe bandbreite an emotionen an, anders als viele andere metalbands, und es knallt ebenso gnadenlos wie es mich in seiner komplexität fasziniert und in seiner melancholie berührt. dementsprechend hoch ist meine erwartungshaltung gegenüber "bloodstone & diamonds". werd mir für das album daher definitiv zeit nehmen, um hohe erwartungen und tendenziellen pessimismus meinerseits möglicherweise relativieren zu können. finde die beschreibungen und urteile in der review gut zur orientierung vorab, aber ein wenig zu vorschnell, daher sind sie vielleicht auch ein wenig zu streng, weil ich glaube, dass man bei machine head doch recht viele anläufe braucht, bis man ihre musik erschlossen hat, bis sie "sitzt" und bis man dann relativ gerecht über sie urteilen kann. bin jedenfalls dermaßen dankbar für diese band und dass sie tatsächlich endlich ein neues album am start haben. bin sehr gespannt..

  • Vor 10 Jahren

    1. Durchlauf ist erledigt. Ich bin überzeugt. Man wird es nicht jedem recht machen können, aber es ist eine wahre Freude den Arrangments zu lauschen. I love it!

  • Vor 10 Jahren

    In Comes the Flood eins der besten Lieder ie ich seit langem gehört habe. Hat für mich persönlich alles. Warum wird sowas nicht bei " The Voice" gesungen ?

  • Vor 10 Jahren

    Mehrere Tracks von Locust waren viel zu melodisch für meinen Geschmack, schon fast grenzwertig im kitschigen Sumpf des Symphonic Metal. Jedoch scheinen sie hier bessere Melodien aufzufahren, zumindest auf den ersten vier Tracks. Hört sich verdammt gut an, zwischen Melodie und Härte. Komplettes Album im Stream btw:
    https://www.youtube.com/watch?v=PJKReRPG5t…

  • Vor 9 Jahren

    Ich habe alle Machine Head Alben und bin schon ewig Fan der Band aber ich war am Anfang sehr enttäuscht von dem Album und bin es nach dem zehnten mal hören immer noch! Es ist einfach langweilig mehr kann ich dazu nicht sagen! Es gibt zwar zwei drei gute Songs aber mehr auch nicht. Ich dachte ich würde Zeit benötigen um mich in das Album rein zu hören aber nach über einem Monat hat sich nicht viel an meiner Meinung geändert. Es sind viel zu viele Unterbrechungen auf dem Album und der zweite Teil des Albums kann man nicht mal als mittelmäßig bezeichnen! Allein schon der siebte song "Beneth the silt" ist der langweiligste Machine Head song den ich jemals gehört habe! Bester song des Albums ist meiner Meinung nach "Night of the long knives"
    Meiner Meinung nach ist das das schlechteste Machine Head Album bisher sogar The Burning Red und Supercharger (welche auch gut sind) sind viel besser!