laut.de-Kritik
Man glaubt ihm die Leidenschaft wieder.
Review von Olaf SchmidtMarilyn Manson macht es seinen Fans und der Musikpresse in letzter Zeit wirklich nicht leicht. Fragwürdigen Live-Aufritten wie dem beim letzten Wacken-Festival schloss sich eine aktuelle Aktion an, als Manson an einem Bühnenelement herumkraxelte, das prompt kippte und ihn unter sich begrub. Die Folge: neun abgesagte Konzerte und enttäuschte Anhänger.
Dazu kommt aus Schreibersicht noch die unmögliche und paranoide Praxis seines Managements, Journalisten vorab nur erschwert Zugang zum neuen Album zu gewähren. Ein Textlein von diskutabler Rechtskräftigkeit musste vorab unterschrieben und in die USA geschickt werden, nur um den Login zu einem Stream zu bekommen, der immer wieder abriss. So verspielt man ordentlich Wohlwollen, von der Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme ganz abgesehen.
Nötig hat Brian Warner das alles eigentlich nicht. Kreativ befindet er sich deutlich im Aufwind. Schon "The Pale Emperor" geriet ihm besser als die wurstigen Platten davor, Mansons neues Studioalbum "Heaven Upside Down" legt sogar noch eine Schippe obendrauf. Einige Stücke schielen in Richtung der klassischen Ära rund um "Antichrist Superstar" oder "Holy Wood" und dürften einige Leute überraschen, die damit nicht mehr rechneten. Ob das an der erneuten Integration von Langzeitbassist Twiggy Ramirez liegt, der bei der letzten Platte durch Abwesenheit glänzte? Am Songwriting beteiligte er sich jedenfalls nicht. Dafür rumpelt sein Instrument gut vernehmlich auf der ganzen Platte.
Gleich der Opener "Revelation #12" bedient besagte Nostalgiegefühle und geht mit Schmackes nach vorne. Diese Kombination aus Industrial, ein wenig Elektronik und Gothic Rock der härteren Gangart beherrscht die aktuelle Marilyn-Manson-Band erfreulicherweise immer noch. Manson selbst hatte sein stimmliches Charisma nie verloren, aber er klang schon gelangweilter als auf seiner zehnten Platte. Hier glaubt man ihm die Leidenschaft wieder. In eine musikalisch ähnliche Kerbe schlägt die vorab schon bekannte Single "We Know Where You Fucking Live".
Die vom letzten Album bewährte Kombination aus Gothic-Elementen und einer gewissen Chain-Gang-Atmosphäre kommt bei "Tattoed In Reverse" erneut zum Tragen. Das elektronische Geplucker und Gefrissel im Song macht Laune und geht auf die Kappe von Gitarrist und Keyboarder Tyler Bates, der zusammen mit Manson auch für den vielschichtigen Sound des Albums verantwortlich zeichnet. Der Mann muss unbedingt bleiben, dann traue ich der Band aus Florida noch einmal einen ganz großen Wurf zu.
"Say10" war einst der Titeltrack, bis Manson den Namen der Platte doch noch änderte. Der Song hätte ohne weiteres auf "Holy Wood" Platz nehmen können. Mit einem Unterschied: Marilyn Manson verkommt hier endgültig zum textlichen Klischee-Kasperle. "You say God and I say Satan", stellt eins der lyrischen Lowlights dar, die sich auf "Heaven Upside Down" finden. Was ist da nur los? Ein durchdachter und reflektierter Typ, als den man Manson hin und wieder in Interviews erkennen kann, muss doch in der Lage sein, besseres Textwerk zu produzieren.
Noch ein Beispiel gefällig? "I write songs to fight and to fuck to / if you wanna fight, then I'll fight you / if you wanna fuck, I will fuck you / make up your mind or I'll make it up for you." Is scho recht, Brian. Der dazugehörige Song "Je$u$ Cri$i$" besitzt dafür ein schönes Break in der Mitte, wo alles zusammenbricht, als hänge sich gerade ein Computer auf.
Zum Ende raus wird das Album etwas ruhiger. Nach den härteren, schnelleren Stücken bringt Manson die stimmungsvolle Halbballade "Blood Honey" unter, die ein paar schicke prägnante Synthie-Melodien in die Gitarren einflicht. Auch der abschließende Song "Threats Of Romance" bewegt sich in langsameren Gefilden und erinnert sehr angenehm an die Zeiten von "Mechanical Animals".
Auf Marilyn Mansons zehnter Platte ist sicher nicht alles Gold, was glänzt, dennoch lohnt sie sich. Dass die erste Hälfte stärker ausfällt als die zweite, nicht jeder Song absolutes Hitpotenzial besitzt und einige Texte arg klischeehaft dräuen: geschenkt. Brian Warner und seine Mitstreiter machen endlich wieder Laune.
13 Kommentare mit 14 Antworten
Empfinde das genau anders herum. Finde die zweite etwas ruhigere Hälfte stärker. Wohl auch weil Mechanical Animals mein Lieblingsalbum ist oder aber ich mit den Jahren langsam ruhiger werde (dagegen spricht das Bloodlust immer noch heftig bei mir rotiert). 4/5 für die ersten 5 Tracks 5/5 für die letzten 5. Somit also 4,5!
Hab jedoch in meinem Kuhkaff auf der Baumschule gelernt das in diesem Fall aufgerundet wird! Also 5/5! Und das passt auch!
Geht mir genau so
fand die ersten 2 tracks nicht so gut aber danach hat es sich echt massiv gesteigert
Ui, hätt ich vom Onkel Manson nicht mehr erwartet.
Obwohl die zweite Hälfte etwas ruhiger ist, hat sie, wie ich finde, noch genug Punch, um das Album wie aus einem Guss wirken zu lassen. Find's auch geil, dass Manson nur zehn Songs draufgepackt hat. Unterm Strich: Bestes Manson-Album seit The Golden Age of Grotesque.
also da fand ich pale emperor wesentlich stimmiger und ich finde nicht, dass das irgendwie "real" wirkt.. eher publikumsbefriedung
naja, ich sag mal so hätte er sich sparen können - kann man den dude auch anzeigen wegen Lärm-Belästigung?
Marilyn Manson ist eine Leidenschaft die mit ihrer finsteren Musik oft Leiden schaft. Die unmöglichen Kommentare die hier teilweise stehen sind echt menschenfeindlich, und das bei einem solchen edlem Tier