laut.de-Kritik

Viel Skill, kein Faden.

Review von

Megaloh ist fraglos talentiert und zählt zu den deutschen Rappern, die in Theorie eigentlich jeder gut findet. Wenn er auf einem Feature auftaucht, wenn er in Gesprächen genannt wird, man kann sich auf ihn einigen, genau wie man sich auf sein fantastisches letztes Album "Regenmacher" einigen kann. Aber Talent allein macht kein Album. Und mit "21" fällt er zurück ein Schema der technisch guten Platten, die man nach einem soliden Hördurchgang Staub ansetzen lässt. Denn so viel Skill und Kompetenz er hier auch darbietet, es fehlt an rotem Faden und Vision.

Man möchte meinen, dass Megaloh wahllos durch seine zugesendeten Beats shufflet. Die ersten fünf Songs orientieren sich an moderneren Hip Hop-Tropen und zeigen einen Megaloh im Trapper-Gewand. Gerade Songs wie "Mach So", "21" oder "Renn" sind überraschend wenig subversiv, es klingt, als hätte der Mann eine musikalische Atlanta-Phase hinter sich und meint jetzt, das genauso machen zu müssen. Aber die Lingo klingt aufgesetzt, die Attitüde nicht wahnsinnig glaubhaft und jede Phrase wirkt aus seinem Munde doppelt so phrasig. "Sie komm' zu mir auf Shows / Die Blonde will auf Schoß / Hater gucken wie Autos / Gläser geh'n rauf, Toast" sagt er dann auf dem Titeltrack (und es geht den Rest des Parts so weiter). Er zielt wohl auf Vibe und kopflosen Flow, aber er ist zu betont, zu präzise. Er rappt solche Lines mit der Delivery eines Lyrikers statt beiläufig aus dem Bauch heraus - und das Ergebnis wirkt steifer, als es wohl beabsichtigt war.

Das ist witzig, weil er auf etwas organischerer Produktion sofort wieder viel natürlicher wirkt. Das musikalische Highlight ist die Celo & Abdi-Kollabo "Gordon Shumway". Hier bekommt er einen groovenden Bass, eine lebendige Untermalung und plötzlich bewegt er sich wieder wie ein Fisch im Wasser. Sein Alf-Worship klingt erzsympathisch, seine Lines strotzen vor Persönlichkeit und die Feature-Gäste reihen sich perfekt in den dritten Part ein.

All das gilt genauso oder noch mehr für den Posse-Track "Live & Direct", einem geistigen Erbe des Sparten-Meisterwerks "Live MCs". Hier wird gerappt, um zu beeindrucken und auf einem monotonen Sample-Beat packen die Rapper ihre besten Reimketten und Doubeltime-Pattern aus. Fühlt sich ein bisschen hängengeblieben an, aber die Herren sind in ihrem Element. Megaloh legt temporeich vor, Marteria zeigt, wie viele Zweckreime in 45 Sekunden passen, überraschenderweise sind es die Parts von Savas und die wunderbar im Tandem agierenden ASD-Boys Samy und Afrob, die hier noch einmal ein Highlight setzen.

Was nicht heißt, dass Megaloh per se schlecht auf modernerer Produktion klingt. Die Fusion von afrikanischen Klangideen und einem Drill-Beat auf dem Closer "Muss Los" funktioniert einwandfrei. Auch sonst klingt weniges wirklich schlecht. Eher gibt es öfter Momente, auf denen eine einzelne schräge Entscheidung den ganzen Song herabziehen. Die Hooks auf "Monte Christo" und "Wasser" sind beide gewagt, aber nicht gewonnen, "Falsch" und "Morgens" haben eigentlich schöne und süße Texte, sind aber musikalisch ein bisschen fantasielos aufgegossen.

"21" ist nicht schlecht, weil Megaloh viele Dinge falsch gemacht hätte, es ist eher recht mittelmäßig, weil es sich wenig vornimmt. Es hat keinen musikalischen und inhaltlichen Kern, der das Vielseitigkeits-Reiten der Produktion rechtfertigen würde. Die moderneren und klassischeren Elemente verbindet wenig, und gerade auf ersteren spricht Megaloh teils ganze Parts lang in Phrasen. Ein paar Songs haben solide Ideen, ein paar Parts gehen gut ab, "Gordon Shumway" ist ein Banger, aber gerade nach einer so ambitionierten und stimmigen Arbeit wie dem "Regenmacher" wirkt "21" wie ein recht wahlloses und durchwachsenes Projekt.

Trackliste

  1. 1. Renn
  2. 2. Glaub Ma
  3. 3. Mach So (feat. DJ Stylewarz)
  4. 4. Ceasar
  5. 5. 21
  6. 6. Gordon Shumway (feat. Celo & Abdi)
  7. 7. Monte Christo (feat. Ghanaian Stallion, YONII & Sugar MMFK)
  8. 8. Wasser (feat. Roland Meyer De Voltaire)
  9. 9. Falsch (feat. Musa)
  10. 10. Live & Direct (feat. Kool Savas, Marteria, ASD, Amewu & Ghanaian Stallion)
  11. 11. Morgens
  12. 12. Muss Los

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8 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    "Live & Direct" geht schon klar, vom Rest blieb bisher nicht viel hängen.

  • Vor 2 Jahren

    sehr gute Review, die den Nagel auf den Kopf trifft. Ein belangloses, weil inhaltloses und chaotisches Album. Megaloh ist sehr talentiert, doch gilt bei diesem Langspieler eher "Perlen vor die Säue". Einige Songs starten solide, werden interessant und dann aber plötzlich komisch/peinlich/seltsam (inbs. inhaltlich). Und das geschieht ständig, was sehr schade ist. Gerade weil die davorige EP "Hotbox" so vielversprechend war: alle 7 Tracks auf diesem "Zwischenspiel" haben es in sich, bieten lyrisch sowie beat-technisch höchste Qualität und machen einen roten Faden erkennbar...das ist jedoch auf dem Album überhaupt nicht der Fall. Echt schade. 1,5/5