laut.de-Kritik

Manchmal ist ein bisschen einfach zu wenig.

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Dieses Gefühl bei dem Gedanken an die 4th Street in Leavenworth, Kansas wurde Melissa Etheridge bis hinein ins 25. Karrierejahr nicht los. Es entwickelte sich, als sie noch zu den Halbstarken im Heimatort zählte und im 25 000 Seelen-Kaff der Alltagstrott irgendwo zwischen McDonalds und Burger King seinen Höhepunkt fand.

Manchmal gab es die Möglichkeit zur Flucht nach vorne, raus auf den Highway 7 gen "Kansas City", im Delta '88 ihres alten Herrn. Hundert Meilen vom Zielort entfernt, den halben Tank aufgebraucht, dafür "lucky charms and tic-tacs and mom's amphetamines" im Kofferraum verstaut. Im Stakkato tuckert die Gitarre los wie ein stumpf klopfender Motor, die höheren Drehzahlen im Refrain werden durch rotierende Leslie-Lautsprecher der Hammondorgel ausgelöst.

Es ist der Beginn einer Reise durch das amerikanische Heartland, das sich seit Jahrzehnten im Stillstand befindet. Und es ist Rockmusik, die abgenutzte Jeans trägt und sich für seichte Schäferstündchen auf den Rückbänken verbeulter Chevrolets bewirbt. Hie und da sprudelt aus der Etheridge die Kratzbürstigkeit einer Tina Turner heraus, im Kern aber ist das eher ein harmloser Kratzer gegenüber Turners ekstatischen Schreikrämpfen.

Ein Glanzlicht aus Etheridges Gefühlshaushalt ist der geschmeidige Moment des Titelsongs "4th Street Feeling" mit seinen dezenten Rhodes-Tupfern: Ganz unaufgeregt vergegenwärtigt Etheridge ihre schrankenlose Vergangenheit. "Falling Up" ist das Ergebnis aufkeimender Mumford-Hörgewohnheiten ihrer Kinder. Da musste Mutti, um Schritt halten zu können, eine Banjitar (Kreuzung aus Gitarre und Banjo), unterbringen.

Überhaupt hat sie in großem Stil sämtliche Gitarren selbst eingespielt. Ein Prozess, der ihre Fingerfertigkeiten stärkte, aber im Ergebnis ein wenig schwachbrüstig dasteht. So ist auf "4th Street Feeling" alles nur ein bisschen: Ein bisschen tröpfelnde Funk-Gitarre ("Be Real"), ein bisschen wehmütiges Klavier ("A Disaster") und ein bisschen gepflegter Kuschelrock ("I Can Wait", "Rock And Roll Me"). Manchmal ist ein bisschen einfach zu wenig.

Trackliste

  1. 1. Kansas City
  2. 2. 4th Street Feeling
  3. 3. Falling Up
  4. 4. Shout Now
  5. 5. The Shadow Of A Black Crow
  6. 6. Be Real
  7. 7. A Disaster
  8. 8. Sympathy
  9. 9. Enough Rain
  10. 10. A Sacred Heart
  11. 11. I Can Wait
  12. 12. Rock And Roll Me

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LAUT.DE-PORTRÄT Melissa Etheridge

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1 Kommentar

  • Vor 12 Jahren

    Hatte lange nichts gehört von melissa. also so auf anhieb gefällt mir die neue langrille gut.
    ihre musik ist vielleicht nicht so aufdringlich, das man beim ersten anhören die eintrittskarten von bruce springsteen zerreist.
    solides werk, vielleicht nicht unbedingt für europäische ohrmuscheln konzipiert.
    an der ebenso soliden rezi stört mich allerdings der unpassende aus der luft gegriffene vergleich mit tina turner !!!???!!!