laut.de-Kritik
Militant austauschbar, herausragend lieblos.
Review von Yannik GölzEs herrscht eine gewisse Sehnsucht nach dem Angepasstsein im modernen Straßenrap. Nicht unbedingt im Sinne des Übergangenwerdens, aber im Sinne des Seinwollens wie alle anderen, des Dazugehörens. Mert gehört zu den Rappern, die diesen neuen Wunsch nach der Uniformität fast albern ausleben. Er nennt sein Album, wie um einen Punkt zu machen, ausgerechnet "Boxerschnitt" und sagt damit schon alles, das man wissen muss. Diese simpelste und unauffälligste Frisur, wie sie auf der Straße beinahe jeder zweite trägt, repräsentiert ein Album, dessen einziges Kredo es ist, ja so zu sein, wie alle anderen. Bloß nicht unangenehm auffallen.
Es gibt immer wieder kurze Momente, in denen ein bisschen Potenzial durchschimmert. Die Kernbeobachtung von "Komme Nicht Rein" ist ein Ansatz von auf den Punkt gebrachter und natürlich formulierter Gesellschaftskritik: "Ich laufe im Club, aber komme nicht rein" ist ein schnörkelloser Lucky Punch, der eine deutsche Gesellschaft ins Mark trifft, die sich zwar mit ihrer Multikulturalität schmückt, sich aber nicht wirklich damit umgeben will. Der Opener "Vollgas" deutet kurz an, dass Mert auf einem guten Beat auch tatsächlich gut rappen und eingängig klingen könnte.
Leider bleibt es bei diesen kurzen Momenten. Der Rest von "Boxerschnitt" gerät nicht nur militant austauschbar, sondern auch herausragend lieblos. Spätestens Track zwei, "Nagelneu", ist ein dummdämliches Amalgam aus Deutschrap-Klischees, das nur die hilflos gepolterte, schlecht Autotune-behandelte "Nagelneu, nagelneu, nagelneu"-Hook krönt. Auf diesen absolut durchwachsenen Fillertrack referenziert Mert im Verlauf der Platte noch zwei Mal. Heißt: Aus irgendeinem Grund war er auch noch wirklich stolz darauf.
An anderer Stelle vermerkt er mehrmals, er habe große Teile von "Boxerschnitt" in zwei Wochen geschrieben und aufgenommen. Ich will jetzt nicht sagen, man höre es dem Projekt an, aber ich will auch nicht behaupten, vor Schock über diese Einsicht vom Stuhl gefallen zu sein. Zumindest die regelmäßigen Widersprüche erklärt das. Wenn er zum Beispiel auf harten Songs wie "Air Force One" oder "Randalier" gegen tanzende Rapper, Afrotrap und Pop-Rap wettert, macht es ihm trotzdem nichts aus, zwei Tracks später einen Afrotrap-Fußballer-Hymnen-Aufguss mit "Roberto Carlos" aufzunehmen, der mitsamt schlecht verwursteten Dancehall-Beat alle Klischees bedient. Die Hook? Ratet mal. "Carlos, Carlos / Carlos, Roberto Carlos / Carlos, Carlos / Carlos, Roberto Carlos / Carlos, Carlos / Carlos, Roberto Carlos / Carlos, Carlos / Carlos, Roberto Carlos."
Damit sind wir beim Kern der Sache angekommen. Mert ist kein per se unfähiger Musiker, aber er ist ein Mundatmer, ein Mitläufer, ein Opportunist und eine komplette Schießbudenfigur, dem es vermutlich sogar an Persönlichkeit und Meinung für die Entscheidung fehlt, welches Junkfood er am Abend essen soll. "Boxerschnitt" ist ein Album wie nach Checklist, welche Songs man gerade so auf ein generisches Straßenrap-Album packt. Banger für die Streets, check, Afrotrap, check, Trap-Flows, check, schnulziger Song für die Mama, check, wir alle kennen den Drill. Um diese Musik zu genießen, muss man vehement alles mögen, das gerade so erscheint, und den Eindruck haben, Mert sei ein netter, unterstützenswerter Dude. Aber keine Ahnung, irgendwie muss ich da passen. Wie Carlos, Roberto Carlos. Carlos, Roberto Carlos.
8 Kommentare mit 18 Antworten
Fatih macht im Gegensatz zu Yannik kein Auge und gibt seinem Bruder Mert viel Hak für das überaus kranke Album!
Haartrimmer in der Box. "Ja doch, ist hochwertig, würd ich sagen."
muss mir den Moppel auch mal wieder reinziehen.
Der Teigknödel überlegt sich ja, sich seine speckige Matte mit dem "hochwertigen" 3€-Haartrimmer zu schneiden...wird bestimmt gut. Auch wie er diesen Friseurkittel feiert...
Der Kittel! kann ihn mir richtig gut vorstellen, wie er den Kittel über seinen viel zu engen Ufo361-Pulli streift und mit dem trimmer an den Rand seiner Maskulin-Kappe entlangfährt. Die talgig schimmernden Haare plumpsen in den limitierten Shindy-Rucksack, der nun doch noch einen Zweck erfüllt, der ihm gerecht wird.
Du hast die Lutschiano-Weste mit dem "Gang-Gang"-Patch vergessen.
Deutschrap ist wirklich ein erbärmlicher Hurensohn!
Glaub, die Weste hab ich verpasst. Werde ich aber wohl noch nachholen müssen. -.-
Habe mir am Wochenende im Katermodus viel zu viele Videos, vom einzigen Menschen der ein Doppelkinn aber trotzdem nur ein Kinn hat, angeschaut.
Habs jetzt auch gesehen. Das erste Mal, dass Fatih einer "Box" fast durchgehendkritisch gegeüber steht. Verpackung stinkt nach Chemie, kann man nicht in die Vitrine stellen, Weste stinkt nach Scheiße und ist untragbar... Aber Album immerhin wieder Bombe.
Ja, der Bruder Luciano hat krass abgeliefert...
https://www.youtube.com/watch?v=RFvK2hruu5k
Das ist auch so wunderbar. 24 Quadrat
Puh, kann ich mir echt nur in kleinen Happen geben...sein adaptierter Slang ist schon anstrengend, mashallah, du weiiißt!
"Boah, das riecht nach Schemie, Brudi...boah, das riecht aber geil!" Die Maske steht ihm
Die stylishe Sonnenbrille aus der Loredana-Box passt aber leider nicht auf seine Speckrübe
https://youtu.be/2-Qo59fY7IQ?t=318
Django, bitte mach kein Auge!
Reingeschissen!
Aber mal im Ernst: Ich kann mir seine Videos nicht geben. Das deprimiert mich eher. Bin da wohl empathischer als ihr.
Icy macht definitiv Auge. Bald fällt das Auge raus und dann bist du ein Pirat, jaaa. Egal, reingeschissen!
Sein Bruder Loredana auf jeden Fall auch mit dem richtig stabilen Hypebeast-Mundschutz am Stizzle. Zur Tasche: "Das passt ja nicht mal über meine Fußschenkel".
Sehr passendes Äquivalent zu Rainer Winklers Arschrücken.
Icy macht schon fast zwei Augen. Wird Zeit, dass er mal vom Butterly für Arme zerschnibbelt oder zersägt wird, ma sagen.
Fatih ist sich sogar nicht zu schade für die Shirin David-Box...reingeschissen!
"Also, sogar die Folie wurde bedruckt so, Yani! Und das ist geil, also wirklisch geil!"
https://www.youtube.com/watch?v=_zNz2kyDcdw
@box
und ich dachte immer, untermenschlicher als der drachenlord geht nimmer
"...der eine deutsche Gesellschaft ins Mark trifft, die sich zwar mit ihrer Multikulturalität schmückt, sich aber nicht wirklich damit umgeben will."
macht doch mal den anfang bei laut.de.
euer impressum ist von multikulti auch weit entfernt
Kann weg. Utopischer 08/15 Müll
Ungehört 1/5.
Ich würde mich lieber durch Miley Cyrus' komplette Diskografie hören als durch ein Album von diesem unsympathischen Bauern. #AMK
Der Boxerschnitt ist schon ein faszinosum. Ich hätte nie gedacht, dass man aus :"bitte nur die Seiten und hinten Rasieren" eine eigenständige Kunst und einen 30min dauernden Haarschnitt machen kann