laut.de-Kritik
"Motherfucker, can you hate this?" Keine Chance.
Review von Dani Fromm"Wir müssen uns gegenseitig vertrauen - weil wir uns definitiv überhaupt nicht verstehen." Betrachtet man die Perlen, die aus seiner Zusammenarbeit mit 9th Wonder bereits erwachsen sind, man möchte nicht glauben, was Murs da erzählt.
"Ich hör' mir nicht etwa an, was er anzubieten hat, und such' mir dann die Beats aus, über die ich rappen will. Er gibt mir einen Beat und erzählt mir hundertmal, worum es in dem Song geht. (...) Er macht sein Ding, ich mach' meins, und wir fahren gut damit."
Sollte das das Patentrezept sein, nach dem sich der "west coast king shit, California swagger supreme", der aus "Fornever" quillt, kochen lässt: Bitte, bitte zu Hause nachmachen! Die Welt braucht mehr Rap-Platten dieser Sorte.
Flowt eigentlich irgendjemand lässiger als Murs? "Forever, man, you'll never be better than Murs and 9th Wonder / Wanna welcome you to Neverland", beantwortet gleich der eröffnende Titeltrack, was eigentlich als rhetorische Frage gedacht war.
Zu technischer Finesse gesellen sich Rhythmusgefühl, ein Händchen für Satzbau- und Wortspielereien, grenzenloses Vokabular und ein Auge für kleine Geschichten und große Zusammenhänge - also schlicht alles, was man von einem MC, der diesen Ehrentitel tatsächlich verdient, erwartet. "Motherfucker, can you hate this?" Keine Chance.
Völlig egal, ob Murs die Vorzüge der asiatischen Damenwelt feiert ("Asian Girl"), sich durch eine Beziehungsdiskussion kämpft ("Let Me Talk") oder in epischer Breite die wenig märchenhafte Geschichte der "West Coast Cinderella" erzählt: Murs trifft stets den richtigen Tonfall.
Schon mal mit einem Porno-Star ausgegangen? Könnte - unabhängig davon, ob dieser wie "Vikki Veil" seinen Namen dem DC-Universum entliehen hat - kompliziert werden. "Can you tell me what the problem is?" Wie ein Hilfeschrei tönt solches. Murs steht bereits parat, um klarzustellen, wo die Schwierigkeiten sitzen.
Nebenbei huldigt man den kleinen Freuden des Alltags: "The cancer might kill you or cirrhosis of the liver / But we still keep spinnin' on cigarettes and liquor." 9th Wonder strickt einen fröhlich durchgeknallten Beat dazu, dessen Comic-hafte Melodie unter den Murs'schen Zeilen entlang dudelt.
Häufig musste der Produzent aus North Carolina sich vorwerfen lassen, er stagniere, wenn auch auf hohem Niveau. "Fornever" hält immensen Abwechslungsreichtum dagegen. Die stimmig zusammengeloopten, souligen Vocal-Samples, die im Verbund mit knackigen Drumbeats zu 9th Wonders Markenzeichen avancierten, bekommen Gesellschaft.
"The Lick" reitet den Funk, "Asian Girl" setzt auf hypnotische Wiederholungen. Blecherne Claps, Seufzer und "Uuuuh"-Gesänge durchziehen den staubigen Sound von "Vikki Veil". Percussion und Klavier in "The Problem Is ..." gemahnen an den "Inner City Blues" aus dem Hause Motown, werden allerdings von Streichern überlagert. "Live At Roscoe's" ertönen gedämpfte Jazz-Trompete und Fingerschnippen.
Aus "West Coast Cinderella" schallt die klassische Talkbox, zu deren Klängen vor dem geistigen Auge unwillkürlich breite Straßenkreuzer noch breitere, von Palmen gesäumte Straßen kreuzen: "California Love" lässt grüßen.
Mit einer Extraportion Soulsahne frisch aufgequirlt, wirkt Commons Liebeserklärung an den Rap, "I Used To Luv H.E.R.", ungeachtet der Tatsache, dass die Nummer mehr als 15 Jahre auf dem Buckel hat, frisch wie der junge Morgen.
Unter den Gästen am Mikrofon findet sich gleich zweimal Kurupt, dessen deutlich harscherer Flow mit dem Murs' überraschend gut harmoniert. Der Rest klinkt sich derart unauffällig ins Geschehen ein, dass man ihr Fehlen auch nicht vermisst hätte.
Ohne ein Rap- oder Produktions-Rad neu zu erfinden, demonstrieren Murs und 9th Wonder: Die Strategie "Er macht sein Ding, ich mach' meins" geht auf, wenn die richtigen Beteiligten involviert sind. Vielleicht stimmt aber auch einfach die Motivation: "We do it for the love. What the fuck you're making music for?"
3 Kommentare
Mich hat das Album enttäuscht.
Einer besten Producer überhaupt mit einem charismatischen MC - alles was 9th Wonder anpackt ist eh absolutes Pflichtprogramm für mich.
das macht spass! habs mir grad beim joggen durch die ohren geblasen - da läuft es sich dreimal leichter bei so viel rücken-flow.
mindestens 4 sternchen, vielleicht sogar 5, muss noch mal ein paar ründchen drüber laufen gehen^^