Vom einzigen überlebenden Drilling zur Legende: Leben, Aufstieg, Fall und Tod des Johann Hölzel in leicht konsumierbaren Häppchen.

Wien (dani) - Je mehr es über jemanden zu lesen gibt, desto mehr Bullshit findet sich in aller Regel darunter. Über Falco ist bereits eine ganze Menge geschrieben worden, vielleicht sogar mehr, als es sein vergleichsweise übersichtliches Oeuvre rechtfertigt. Es kann also nicht schaden, dass einmal jemand mit kursierenden "populären Irrtümern" aufräumt und eventuell sogar noch ein paar "andere Wahrheiten" offeriert.

Autor Jens Buchholz, als Musikjournalist unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Rundschau oder Neues Deutschland tätig, hat sich dieser Aufgabe verschrieben und mit "Falco: Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten" (Klartext Verlag, 120 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro) zugleich das eigentlich Unmögliche vollbracht: Trotz seines freimütig eingestandenen Fantums uferte er nicht aus, sondern komprimierte das Pop-Phänomen Falco auf handliches Format. In seiner Häppchenhaftigkeit taugt das Buch, was keinesfalls despektierlich klingen soll, bestens als Klolektüre. Wenn man es nicht ohnehin am Stück einatmen möchte: Grafisch ansprechend aufbereitet und flankiert von zahlreichen Fotos lassen sich die kurzen Kapitelchen, ob einzeln oder am Stück, mühelos wegkonsumieren.

Von Johann zu Falco

Buchholz rollt das Leben des Johann Hölzel von der Geburt in Wien als einziges überlebendes Baby von Drillingen bis zu seinem Unfalltod am 6. Februar 1998 in der Dominikanischen Republik auf. Den musikalischen Stationen, die Falco durchlief, von seiner ersten Band Umspannwerk über die Wiener Institutionen Spinning Wheel und Drahdiwaberl zu seiner alles überstrahlenden Solokarriere, widmet er dabei naturgemäß besondere Aufmerksamkeit. Viel des knappen Raums nehmen Falcos Beziehungen zu seinen wechselnden musikalischen Wegbegleitern ein. Wie Falco über sie sprach, und wie sie wiederum Falco in Erinnerung haben, lässt ziemlich tief in eine von Alkohol, Drogen, Selbstzweifeln und Erfolgsdruck zerrissene Künstlerseele blicken.

Die strenge Chronologie, nach der der Autor vorgeht, verdeutlicht zweierlei wirklich anschaulich: Zum einen lässt sich die Verwandlung von Johann Hölzel in die von ihm ersonnene Kunstfigur Falco ganz hervorragend nachvollziehen. Zum anderen bekommt man so noch einmal fingerdick aufs Brot geschmiert, wie wenige wirklich herausragende Songs manchmal ausreichen, um zur Legende zu wachsen. Ergebene Falco-Jünger dürfen jetzt gerne in Schnappatmung verfallen, aber es stimmt doch: Seine Diskografie umfasst schon eine ganze Menge teils echt verzweifelter Mittelmäßigkeiten.

Buchholz verschweigt diesen Umstand nicht, auch wenn er nicht ganz aus seiner Fan-Haut herauskommt. Selbst "Data De Groove" versucht er noch in ein halbwegs positives Licht zu rücken: "Hier erreicht Falco den avantgardistischen Höhepunkt seines poetischen Schaffens." Nun, man hätte ein grottiges Album auch einfach mal ein grottiges Album nennen können, aber so viel innere Distanz war dann wohl doch nicht drin.

Hit unter Protest

Seis drum, dafür habe ich an mehreren Stellen gut gelacht. Zum Beispiel über Falcos nickelige Weigerung, beim Charityprojekt Austria for Africa mitzumachen, weil er mit einem der beteiligten Kollegen beleidigt war. Oder über die Schilderung, wie ein offensichtlich hackedichter Falco stur wie ein bockiger Fünfjähriger "nur unter größtem Widerstand und auf Druck meines Managements" eine von ihm verachtete Nummer einsingt. Dazu hatte er sich überhaupt erst gnädig herabgelassen, nachdem das verantwortliche niederländische Produzenten-Duo Bolland & Bolland, von ihrem Klienten als "die Kasroller" geschmäht, sich bereit erklärt hatte, auch das von The Cars "Looking For Love" inspirierte "Munich Girls" aufzunehmen, das Falco für einen Hit hielt, ganz im Gegensatz zu diesem "Amadeus-Schmarrn".

Falco mochte offenbar weder den Song (Platz eins in Deutschland und Österreich, Platz zwei in der Schweiz) noch den für den US-amerikanischen Markt aufgebrezelten Salieri-Remix von "Rock Me Amadeus", den er für "für'n Arsch" hielt (Platz eins in den britischen wie in den US-Charts). An dem zugehörigen Musikvideo, das Maßstäbe setzte, ließ er im Vorfeld ebenfalls kein gutes Haar: "Glaubt's ihr, ich stell mich als Touristenattraktion ins Schaufenster der Nation und lass' mich als Mozartkugel rollen?"

Ohnehin schon top informierte Falco-Ultras wissen das vermutlich alles schon, sie werden aus diesem Büchlein eher nicht allzu viel Neues erfahren, für den Normalo-Fan jedoch birgt es trotz seiner Kürze manches bisher unbekannte Detail. So richtig empfehlenswert ist diese Buch aber für alle, die sich mit Falco bisher noch gar nicht weiter beschäftigt haben und allenfalls mit seinen Überhits "Der Kommissar", "Rock Me Amadeus" und dem skandalumwitterten "Jeanny" in Berührung gekommen sind: Diese Klientel bekommt hier einen knappen, dennoch informativen Abriss und eine Ahnung davon, wie passieren konnte, dass Falco mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod noch immer zu Tribute-Shows, Dokumentationen, Kinofilmen, Musicals und - wie man sieht - zu Büchern inspiriert.

Deplatziert

"Das Quiz für echte Falconizer" hätte wesentlich interessanter gewirkt, hätte es am Anfang gestanden. Dort hätte es wahrscheinlich selbst der einen oder dem anderen, die*der sich für versiert in der Materie hält, manche Wissenslücke aufgezeigt. Da es aber ausschließlich Kenntnisse abfragt, die die soeben absolvierte Lektüre vermittelt hat, hinterlässt es, am Ende platziert, nur die leise nagende Frage: Hält der Autor sein Publikum wirklich für so doof, sich nicht fünf Minuten lang merken zu können, was es gerade gelesen hat? Abgesehen davon aber: ein gelungenes kleines Ding, dieses Buch.

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