Weidner und Co. suhlen sich beim Comeback-Gig im Legendenstatus, Titty-Cam und braune Flecken hinterlassen einen faden Beigeschmack.
Hockenheim (mab) - Hurricane und Southside waren Dorffeste gegen Hockenheim am 20. und 21. Juni 2014. Deutlich mehr Fans als bei den beiden Festivals zusammen fanden sich an Baden-Württembergs Rennsportmetropole ein, um den Böhsen Onkelz zu huldigen. Die polarisieren auch 34 Jahre nach ihrer Gründung, wissen aber immer noch, wie man eine fette Show auf die Beine stellt.
Immer Auf Der Suche
So schick der Bühnenaufbau auch sein mag – über das Drumherum hat man sich wohl eher weniger Gedanken gemacht. Dabei gestaltet sich die Anfahrt zum Campinggelände noch recht erfreulich. Schon kilometerweit entfernt stehen an jeder Ecke Ordner und weisen hilfsbereit den Weg. Da sieht man schon mal über die unverschämt hohen Zeltplatzpreise hinweg.
Umso mehr bereue ich die Investition nach fünfmaliger Wegstrecke zwischen Auto und Bändchenpavillon, weil ein jeder Verantwortliche andere Vorstellungen davon hat, wozu das Campingticket gut sein soll. Aber wie schon die Onkelz plakativ ankündigten, ist glücklicherweise nichts für die Ewigkeit und so stehe ich irgendwann tatsächlich auf dem Campground.
Gehasst, Verdammt, Vergöttert
Dort tönen aus jeder Ecke Böhse Onkelz in Dauerrotation. Nicht nur aus der Dose, sondern teilweise auch handgemacht. Ein Camp spielt den ganzen Tag Aufwärmkonzerte. Bewaffnet mit Akustikgitarre- und Bass schrubben sie sich gar nicht mal unhörbar und mit beständig wechselnden Chormitgliedern durch die gesamte Diskographie. Neuankömmlinge werden als Sänger engagiert und sofort ins Camp integriert. Mit vereinten Kräften verschwinden schließlich auch die Zeltheringe im steinharten Boden.
Von Hass und Verdammung ist auf dem Gelände nichts zu spüren, Vergötterung dafür allgegenwärtig. Nahezu jeder rennt mit Onkelz-Shirt durch die Gegend, exakt zweimal während des gesamten Aufenthalts schnappt man andere Klänge als "Heilige Lieder" und Co. auf: einmal Frei.Wild (angeblich war das Tragen von Frei.Wild-Shirts auf dem Infield verboten, um Stress zwischen den zwei Fanlagern zu vermeiden), einmal Metallica. Für die meisten der Anwesenden sind Stephan Weidner, Kevin Russell, Matthias Röhr und Pe Schorowsky tatsächlich Götter. Eine andere Band neben den Onkelz? Vergiss' es!
Der Preis Des Lebens
Dementsprechend voll ist es an der Einlassschleuse bereits sechs Stunden vor Konzertbeginn. In der prallen Sonne harren mehrere tausend Fans und warten auf die Öffnung der Tore. Der Großteil hat seiner T-Shirt-Sammlung mittlerweile ein weiteres Motiv hinzugefügt. Sogar zu einem durchaus vertretbaren Preis. Wo andere Bands bei Comeback-Konzerten 35€ oder gar mehr für ihre Leibchen verlangen, verticken die Deutschrocker ihre für moderate 20€.
Die Gesänge erreichen zu diesem Zeitpunkt locker den Lautstärkepegel eines Fußballstadions. Vereinzelt dringen in Bezug auf die WM auch immer wieder grenzwertige "Deutschland, Vaterland – und sonst nichts!"-Rufe durch. Spätestens als ein fein säuberlich ausrasiertes "88"-Nackentattoo aus dem Strickpullover meines Vordermannes hervorlugt, beginne ich, die Kritiker teilweise zu verstehen.
Anweisung von oben
Schließlich strömt um kurz nach 14 Uhr die riesige Warteschar durch die zweite Einlasskontrolle vorbei und macht sich auf, einmal die komplette Rennstrecke entlangzulaufen, um endlich den Innenraum betreten zu können. Vorher entledigen die Ordner noch einen jeden seines Tetrapacks, das – entgegen der Ankündigung – ebenso wie Plastik- und Glasflaschen verboten ist. Die Hartplastikbecher des Rings dürfen natürlich in rauen Mengen mitgeführt werden.
Vor der Bühne angelangt sieht man sich mit der nächsten Ungereimtheit konfrontiert. Schon nach wenigen Augenblicken schließen die Securities den noch nicht einmal zu einem Drittel gefüllten, vorderen Zuschauerbereich. Diese verstehen das ebenso wenig wie zahlreiche empörte Fans. "Anweisung von oben", lautet die Erklärung.
Brüste für alle
Als weitere Anweisung von oben entpuppt sich der mitten im Securitybereich vor dem zweiten Wellenbrecher aufgebaute Getränkestand. Der wohlgemerkt ausdrücklich nur befugt ist, den paar Hanseln vor dem Wellenbrecher auszuschenken. Die dahinterstehenden müssen wohl oder übel verdursten oder hoffen, dass ab und zu ein wandernder Bier- oder Eisverkäufer sich müht, sich über den Sicherheitsgraben zu strecken.
Für Wasser im Mund sorgt immerhin die endlos ausgeschlachtete Titty-Cam, die in der Umbaupause nach Limp Bizkit jedes auf Schultern getragene weibliche Wesen im Umkreis der Bühne zum Blankziehen animiert (wir hätten da schon einen Vorschlag für das Bonusmaterial der Konzert-DVD...). Erst das Intro setzt der fröhlichen Busenshow ein Ende.
Hier Sind Die Onkelz
Zockten davor mit Soulfly (die keiner kannte) und Limp Bizkit (die rein stageactingtechnisch den Headliner in die Tasche steckten) schon gute Gigs, kommt jetzt endlich die Monsterbühne richtig zum Einsatz. Unter der rechten Videoleinwand kommt ein Orchester zum Vorschein, eine monumentale Backdropprojektion startet, wenig später stolziert Ben Becker ins Rampenlicht und gibt auf der mitten aus dem Publikum ragenden zweiten Bühne den pathetischen Marktschreier. An mangelndem Selbstbewusstsein mangelt es den Onkelz ganz sicher nicht.
So mutiert auch der Rest der Show teilweise zur reinen Selbstverherrlichung. Die Onkelz als wiedergeborene Götter treten aus dem Nebel, die Onkelz als unerschütterliche Kämpfer gegen den Mainstream, in dem sie selbst spätestens mit dieser Show endgültig angekommen sind. Weidners ständige Beteuerungen, wie sehr er das doch vermisst hat, wirken ohnehin ziemlich unglaubwürdig vor dem Hintergrund, dass er bis vor kurzem noch jede Reunion-Spekulation vehement im Keim erstickte. Trotzdem: man sieht der Band die Euphorie über ihre Wiedervereinigung deutlich an.
Einmal um den Ring bitte!
So liefern sie dann auch ein solides und dank gigantischer Produktion auch unvergessliches Konzert ab. Drei Stunden Hits am laufenden Band, der sichtlich geläuterte Kevin übernimmt jetzt auch zwischen den Songs einige Male das Mikro und hat noch immer die hasserfüllteste Stimme Deutschlands. Gonzo gibt wie gewohnt den schweigsamen Showman und zeigt immer wieder, dass er deutlich mehr drauf hat als 08/15-Akkordgeschrammel. Als besonderes Schmankerl entert bei "Koma" der bekennende Langzeitfan Moses Pelham die Bühne und wertet das Set mit seinem sympathischen Auftritt zusätzlich auf.
Schön und gut: die Böhsen Onkelz haben also nach zehn Jahren Pause ein hunderttausendköpfiges Publikum im Griff. Nur müssen die natürlich auch wieder vom Gelände runter. Der Hockenheimring beweist einmal mehr sein nicht vorhandenes Organisationstalent und schleust (trotz vorhandener Alternativen) sämtliche Besucher durch denselben Ausgang: Einmal um den Ring bitte!
Wieder Mal 'Nen tag Verschenkt
Zu allem Überfluss leiten die Organisatoren den Menschenstrom auch noch um und ziehen zeitgleich die tagsüber stationierten Ordner im angrenzenden Ort ab, sodass Horden von Fans orientierungslos nach Zeltplatz, Shuttlebus und Bahnhof suchen. Ganze zwei Stunden dauert es, bis ich endlich wieder mein Zelt und die auf ihren morgigen Einsatz wartenden Akustik-Onkelz erblicke.
Was bleibt ist vor allem ein penetranter "Behind Blue Eyes"-Ohrwurm (der Song, den die ach-so-anti-Mainstream eingestellten Neffen und Nichten in derselben Lautstärke mitsingen wie später "Finde Die Wahrheit"), Wes Borlands Slipknot-Outfit, Zyon Cavaleras Weltklasse-Drumming, der peinliche Auftritt Ben Beckers und Durst in zweifachem Wortsinne. Ach ja: Gonzos Hütchen war auch ganz nett. Die Flammensäulen können allerdings Rammstein besser. Die Berliner waren übrigens eine der wenigen anderen auf T-Shirts vertretenen Bands. Denn der Spruch "Manche führen, manche folgen" prangt nicht etwa auf Onkelz-Textilien, liebe Spiegel-Kollegen.
53 Kommentare mit 389 Antworten
Sancho, hast Du da auch Deine Titten gezeigt?
Ach, hi Craze. Wie wars auf dem CSD?
war nicht In der Türkei so ein LGTBTT-trallafitti-Aufmarsch?
Shit, CSD verpasst
Craze, sei lieb zu Sancho, dann sind das vlt. die einzigen Titten, die du jemals sehen wirst.
Hast Du was gegen den CSD Sancho? Würde ja zu einem rechtsoffenen Deutschrock Proll wie Dir ziemlich gut passen!
Hast du was gegen Titten? Würde ja zu einem Popoliebhaber wie dir passen.
... also dann doch lieber LSD
Ihr zwei Vögel passt echt gut zueinander.
@Sancho: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Danke.
@manback: kannst du eigentlich noch in den Spiegel schauen ohne dich zu schämen?
jep, passt soweit
Sancho ist ja eigentlich absolut schlank, aber wenn ich das mit den Titten nicht verstehe wird das wohl allein meinem IQ zu verschulden sein.
Hä? Hat jemand behauptet ich sei fett? Morpho? Gehts dir gut?
ben becker hätte ich da jetzt nicht erwartet.
Wahrscheinlich völlig zugekokst. Denn hättest Du jederzeit überall hinstellen können.
http://www.youtube.com/watch?v=wDoIM1dRzGo
omg, kann mir seinen auftritt gar net bis ende geben.wenn er das tatsächlich ernst meint,ist es wirklich scho kurz vor knapp bei ihm.sollte sich mal lieber an seinem leider viel zu früh verstorbenen vater orientieren, der fand immer die richtigen worte .
http://www.youtube.com/watch?v=k1bl8JLKG0Q
Nächstes Mal das Bobbele.
Da die Onkelz eine betont ruhige Setliste hatten, meiner Meinung nach weil sie wussten das viel Druck im Kessel war und die Menge so ruhig gehalten werden sollte (im Bezug auf Pogo), fand ich das übertriebene anheizen auch sehr sehr unnötig.
nun wenn mans sich geben will scheinen sie ja ihr Geld wert. Ein paar mitschnitte mithören reicht mir allerdings. Ich bin aber froh dass ich mir das ganze Fanboygetue nicht geben musste. Hut ziehen vor dem Ersteller des Beitrags.
btw. diese 88er Typen wird man da halt wohl nicht alle ganz fernhalten können.
Für Logik oder Argumentationsbereitschaft sind diese geistigen Eintagsfliegen aber auch nicht grade bekannt oder?
Aber eines muß man ihnen lassen sie sind clever und haben erkannt das sich mit der Dummheit der Leute am einfachsten Geld verdienen läßt. Die fette Rente ist jetzt nach dem Comeback jedenfalls gesichert und Kevin kann sich ne neue Schiene legen....:-)
Ja genau. Alles haben die Onkelz wirklich nicht falsch gemacht. Man denke allein an die Autobahnen und das Mutterkreuz.
Nennen sich Fans von den Onkelz tatsächlich "Neffe"? Und wer hat die dann durchnummeriert?
Die Pegida wollen ihre Demonstranten in Zukunft (was eine beliebte Nazi-Methode war) auch durchnummerieren.
Was ist schlimm an einer Durchnummerierung?
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Nach der Legitimation nationalsozialistischer Rhetorik würden sie sich somit eindeutig deren Propagandamethoden bedienen. Außerdem kontrolliert das doch eh niemand, ob sie ihre Zahlen möglicherweise verfälschen. Da kann man als Organisation die Zahlen beliebig nach oben manipulieren. Wer nur einen Funken historisches Verständnis besitzt, durchschaut das Spiel verhältnismäßig schnell.
...und Musik kann Oomph! am besten!
Nicht Dein Ernst, oder? Hätte nie gedacht das so eine Band überhaupt noch irgendwo Fans hat.
hallo Lango, willkommen hier. Ja, hier auf laut.de gibt es eine Menge Fans...ist ja eine der bedeutendsten deutschen Bands überhaupt (von der manche andere sich was abgeklaut haben). Frohe Ostern dir auch.
...und Musik kann Oomph! am besten!