Die halbe Welt feiert die Rockband aus Rom: In der deutschen Hauptstadt veranstalteten die vier Italiener:innen gestern einen Hexenkessel.
Berlin (laut) - Nicht nur im Trash-TV rollen junge, sexy Italiener:innen durch das Land, auch musikalisch steht der Stiefel immer mehr im Fokus: Neben Fedez und Achille Lauro sind Måneskin der italienische Exportschlager schlechthin, der für ausverkaufte Hallen in ganz Europa sorgt. Spätestens seit ihrem Sieg beim ESC 2021 mit der Smash-Single "Zitti E Buoni", was so viel wie 'ruhig und brav' bedeutet, sind die neuen Helden des modernen R'n'R in aller Munde.
Das ist umso erstaunlicher, da die Texte der Truppe nicht nur im weitverbreiteten Englisch daherkommen, sondern zu einem Großteil auch auf Italienisch. An diesem Montagabend in der Berliner Mercedes Benz-Arena ist auch ein beträchtlicher Teil der italienischen Bevölkerung Berlins anwesend, um sich das Phänomen Måneskin live anzusehen, besser: in deren Hexenkessel gekocht zu werden. Mit dem neuen und hochgelobten Album "Rush" im Gepäck sind die vier Musiker:innen gekommen, um zu bleiben.
"Ruhig und brav" war gestern
Ohne Supportact geht die Band aus Rom direkt in die Vollen und startet das energiegeladene Set mit "Don't Wanna Sleep", das ohne Unterbrechnung in "Gossip" übergeht und den Höhepunkt in besagtem Killer "Zitti E Buoni" findet. Bei "Own My Mind" findet das Publikum dann endlich Zeit, sich Måneskin näher anzusehen: Sänger Damiano tritt in einem hellbraunen, eleganten Anzug mit goldenem Gürtel auf, Ausnahmegitarrist Thomas Raggi trägt eine kecke Kombo, bestehend aus roter Hose und blauem Jacket, Bassistin Victoria De Angelis zeigt sich mit ledernen Overknees und Kreuzkette verhältnismäßig züchtig. Zurückhaltend in schwarzer Weste bleibt auch Schlagzeuger Ethan Torchio. Style und Selbstbewusstsein strahlen die Italier:innen aus und hängen mit "Supermodel" die passende Hommage an die 90er an.
Charme und Schimpfwörter
Wer die Band verfolgt, dem wird nicht entgangen sein, dass die Teilnahme am ESC nicht der Beginn der Karriere war. 2017, das jüngste Bandmitglied war gerade mal 16 Jahre alt, nahmen sie bei der italienischen Ausgabe von The X-Factor teil: Ihr Four Seasons-Cover "Beggin'" wurde im Anschluss ein Charterfolg. 2021 entschieden sie das renommierte San Remo Festival für sich und fuhren als Vertreter Italiens zum ESC.
Diese jahrelange Erfahrung mündet längst in eine Routiniertheit, die trotz aller Professionalität nichts von ihrem Charme verloren hat. Wenn Damiano das metaphorische, mit Schimpfwörtern gespickte "In Nome Del Padre" rausrotzt, geht ein Beben durch das erzkatholische Italien, und auch in Berlin verfehlt der Song seine Wirkung nicht. Die Ungestümtheit der blutjungen Italiener:innen ist genau das, was der großen R'n'R-Show in den vergangenen Jahren gefehlt hat.
Ganz nah am Publikum
Die textsicheren Fans hängen an den Lippen des Sängers, sind beeindruckt vom virtuosen Spiel des Gitarristen und vergöttern die Bassistin, die sich in großen Posen auf den Bühnenboden wirft und ihr Instrument bearbeitet. Zwischendurch fehlt dann immer mal wieder ein Bandmitglied auf der Bühne, um sich von der Menge tragen und feiern zu lassen. Angst vor dem Moshpit haben die kontaktfreudigen Italiener:innen jedenfalls nicht. Das eindringliche "Gasoline" wird von Feuersäulen begleitet, vor denen Damiano singt - mittlerweile seines Hemdes entledigt.
"Vent'anni" und "If Not For You" performt er in akustischer Begleitung von Thomas auf einer zweiten, kleinen Bühne im Innenraum und zeigt, dass die Band nicht nur die lauten, sondern auch die leisen Töne kann. Die glasklare Akustik wird von einer ausgeklügelten Lightshow begleitet, die aktuell mit die beste auf dem Konzertmarkt ist. Nach dem Akustikteil schwenkt der Spot wieder auf die große Bühne, wo Bassistin Victoria und Drummer Ethan bombastisch das treibende "I Wanna Be Your Slave“ einläuten. Eine Schrecksekunde gibt es bei "Mark Chapman", als Damiano einen dermaßenen Hustenanfall bekommt, dass sich Thomas erkundigt, ob denn alles in Ordnung sei. Ganz Profi zieht Damiano aber weiter durch, sobald er wieder bei Atem ist.
R'n'R in Reinform
Bei "Kool Kids" dürfen dann einige Fans auf die Bühne, die sich nicht weniger präsent als ihre Idole geben. Da wächst ganz offenbar eine neue Generation selbstbewusster R'n'R-Kids heran: 'R'n'R will never die', und Måneskin haben dem regelmäßig totgesagten Genre wieder neues Leben eingehaucht. Insgesamt zwei Stunden lang rocken sie Berlin, zwei Stunden, in denen die Band das Publikum von vorne bis hinten im Griff hat, über die Bühne wirbelt, nicht mit Posen spart und dabei auch noch verdammt gute Musik macht. Grazie, Måneskin, das war R'n'R in Reinform.
Text und Fotos: Désirée Pezzetta.
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lol