Intermezzo mit einem Vampir: Der Australier verzaubert sein Publikum in einer Manier, die man auf der Bühne sehr selten findet.
Berlin (dp) - Berlin hat für Nick Cave eine besondere Bedeutung. Als junger Mann, in seiner Sturm-und-Drang-Phase, lebte der Australier in einem Kreuzberger Loft. Er lernte Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten kennen und gründete mit ihm die Bad Seeds. Bis 2003 sollte diese Verbindung halten und die besondere Beziehung zu Berlin sowieso. Im Wim-Wenders-Kultfilm "Der Himmel über Berlin" hatte er einen ikonischen Auftritt.
2024 ist Cave immer noch da, gerade erschien sein neues Album "Wild God". Auf der gleichnamigen Tour spielt er nach früheren Gigs in der Max-Schmeling-Halle und der Waldbühne nun vor 17.000 Menschen in der größten Mehrzweckhalle der Stadt.
Ein bisschen schade, denn die Halle ist zwar für ihre gute Akustik, jedoch nicht für besonderes Flair bekannt. So hängt es am Meister, den Abend dennoch so intim wie möglich zu gestalten.
Die Bühne ist voll, aber spartanisch eingerichtet. Cave hat eine Entourage an Musiker:innen dabei, da bleibt nicht viel Platz für Chichi. Diese Band, die live so eng zusammenrückt, als wäre sie ein Körper, ist das Rückgrat für Caves energetische Performance.
Vor allem Warren Ellis, der entrückte Multiinstrumentalist mit dem grauen Rauschebart und Thomas Wydler an den Drums schaffen den Raum, den Cave braucht.
Zusammen mit dem grandiosen Backgroundchor und den weiteren Livemusikern ergibt sich ein Soundteppich, der sich wohlig über die so sterile Halle legt. Für den erkrankten Martyn Casey springt Radiohead-Bassist Colin Greenwod ein. Cave selbst hält es selten an einem Platz. Meistens rennt er über den Steg, der direkt an der Absperrung zum Publikum aufgebaut ist und es dem Sänger ermöglicht, in nahen Austausch mit den Fans zu treten. Zwischendurch packt es ihn aber auch immer wieder und er springt zurück zu seinen Musikern, setzt sich ans Klavier, spielt mal schwungvoll, mal getragen- den schwarzen Flügel, um mit einem Male wieder den Kontakt zum Publikum zu suchen.
Die ersten Reihen recken ihre Hände zu Cave, ihrem Meister und Erlöser und er packt zu, hält sich fest an der Ehrfurcht, die ihm entgegenschlägt, singt fast schreiend seine Fans direkt an und löst die Barriere zwischen Künstler, Freund, Vertrautem und Lichtgestalt völlig auf. Im grauem Anzug, weißem Hemd, adretter Krawatte und den zurückgegelten, schwarz gefärbten Haaren, ähnelt Cave eher einem morbiden Bestatter als einem Rockstar. Und doch hat er seinen Look zum Signature Piece gemacht: Keiner trägt den Biedermeier-Chic besser als er. Die Mode liegt in der Familie, seine Frau Susie Bick ist Gründerin der Modemarke "The Vampire's Wife".
Meister der dunklen Töne
Die Setlist ist hervorragend kuratiert, Cave nimmt Berlin mit durch die vielen Jahrzehnte seines künstlerischen Schaffens. Während das Moderne direkt an den Anfang gestellt wird ("Frogs" und "Wild God") ist bereits der fünfte Song einer der ganz besonderen Klassiker: "This is a terrifying song with a happy ending" verrät Nick, bevor die ersten Takte von "Jubilee Street" durch die Halle tönen.
"Song Of The Lake" hört man heute sogar zum allerersten Mal live. Auch der Elvis Presley gewidmete Song "Tupelo" findet seinen Weg ins Set, eben so wie "Joy" und "Conversation". Caves Lyrics harmonieren so gut mit seiner Stimme und seiner Präsenz, dass Höhepunkte des zweieinhalbstündigen Konzerts schwer auszumachen sind. Cave ist der Meister der dunklen Töne, die nur er mit einer unverwechselbaren Wärme füllen kann. Die Schlüsselphrasen und Worte der Songs werden in großen Lettern auf der Bühnenleinwand eingeblendet. "You're beautiful" steht da, "Wild God" oder "Joy".
Hommage an Anita Lane
Herausragend jedoch einmal mehr das aufgeladene "Red Right Hand". Die Halle wiegt sich unisono im Takt des Hits, Cave schüttelt sich und reißt die Augen auf, um sich ekstatisch dem Rhythmus zu ergeben. Eine der berührendsten Szenen ist die Hommage an seine frühere Partnerin Anita Lane, auch Kurzzeit-Mitglied der Bad Seeds, der der Song "O Wow O Wow (How Wonderful She Is)" gewidmet ist. Cave spricht so gut und zärtlich von seiner Wegbegleiterin, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Wenn dann alte Videoaufnahmen von der tanzenden Lane mit charismatischem Lächeln und anmutigen Bewegungen gezeigt werden, dann ist sie doch wieder auf der Bühne dabei.
Die zwei wohl bekanntesten Titel Caves kommen erst im Zugabenblock. "If you could sing the chorus it would make me ... well ... I wouldn't say happy but ..." lacht Cave verschmitzt, bevor er "Into My Arms" ankündigt. Happiness liegt Cave einfach nicht. Dafür der "Weeping Song" umso mehr, der den ersten Abend beschließt. Was für ein Konzert, was für eine Band! Auch wenn man es schon zigmal erlebt hat, nutzen sich Cave-Konzerte nie ab. Zurecht ist er ein großer, eigenwilliger Künstler in unserer Zeit, die ansonsten vor Mittelmäßigkeit strotzt.
2 Kommentare
Der Verein Deutsche Sprache und 100 Erstunterzeichner wenden sich in einem „Aufruf zum Widerstand“ gegen sogenannte geschlechtergerechte Sprache. Die „zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache“ würden durch das Bestreben nach mehr Geschlechtergerechtigkeit motiviert, heißt es in dem am Mittwoch verbreiteten Appell unter der Überschrift „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ Initiatoren des Aufrufs sind die Schriftstellerin Monika Maron, der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider, der Vereins-Vorsitzende Walter Krämer sowie Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Zu den prominenten Erstunterzeichnern gehören unter anderen Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff, die Lyriker Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze, die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden, Bestsellerautor Bastian Sick sowie 14 Professorinnen und Professoren für Germanistik und Sprachwissenschaften.
Der Verein Deutsche Sprache und 100 Erstunterzeichner wenden sich in einem „Aufruf zum Widerstand“ gegen sogenannte geschlechtergerechte Sprache. Die „zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache“ würden durch das Bestreben nach mehr Geschlechtergerechtigkeit motiviert, heißt es in dem am Mittwoch verbreiteten Appell unter der Überschrift „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ Initiatoren des Aufrufs sind die Schriftstellerin Monika Maron, der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider, der Vereins-Vorsitzende Walter Krämer sowie Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Zu den prominenten Erstunterzeichnern gehören unter anderen Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff, die Lyriker Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze, die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden, Bestsellerautor Bastian Sick sowie 14 Professorinnen und Professoren für Germanistik und Sprachwissenschaften.