Am Fuße des idyllischen Örtchens Rothenburg o.d.T. gings hoch her. Checkt Review und Fotogalerie.
Rothenburg o.d.T. (laut) - Traditionsgemäß steigt das Taubertal Festival am zweiten August-Wochenende am Fuße des idyllischen Örtchens Rothenburg ob der Tauber. Während sich die Touristenmassen durch die pittoreske Altstadt schieben, bekommen sie dann gratis noch eine Ladung Qualitätsmusik aus dem Tal auf die Ohren. Was für ein Service, oder?
Dabei hat sich das Taubertalfestival dieses Jahr ein Stück weit neu erfunden: Neue Bühnen, hier und da leichte Veränderungen auf dem Festivalgelände. Nur eines bleibt: Bereits am Anreisetag stehen viele Festivalbesucher:innen im Stau. Macht nichts, gehört einfach dazu. Dem ersten Festivalabend auf der >Eiwiese, immer am Donnerstag im Steinbruch, steht trotzdem nichts entgegen.
Sonne im Herzen - und am Himmel
Der Freitag beginnt mit Sonne im Herzen und am Himmel: An der Hauptbühne feiert das Publikum ausgelassen zu Itchy, die mit starker Bühnenperformance wirklich jeden zum Tanzen bringen. Kein Wunder, wo sie doch so viel Liebe für alle im Gepäck haben! Weitere Highlights des Freitags sind Rogers, Fiddler's Green und die Leoniden. Letztere führen die Tradition der guten Indiebands, die auch noch live richtig was reißen, fort. Großes Tennis und mehr als einen Anspieler wert.
Schwerkraft? Gilt für Fever 333 nicht
Das wahre Highlight auf der Hauptbühne kommt gleichwohl aus den Staaten: die sagenumwobenen Fever 333. Im Publikum hört man schon vor dem Gig Gemurmel und Gerüchte, dass bei "denen ganz schön was los ist". Das Publikum lügt natürlich nicht. Fever 333 fegen wie ein Derwisch über die Bühne, springen meterhoch, gehen mitten ins Publikum, hechten zurück auf die Bühne und veranstalten einen Veitstanz, von dem man beim Taubertal wohl noch lange erzählen wird.
Während sich Sänger Jason Butler aus Monitorboxen und Cases eine Rampe baut, über die er zu springen gedenkt, erklimmt Stephen Harrison die Bühne. Neben der Leinwand, bis ganz nach oben. Ohne Sicherung. Dem ein oder anderen dürfte spätestens jetzt klar sein, dass diese drei Typen aus Inglewood vollkommen verrückt sind. Was für ein Spektakel! Augen auf, die Amerikaner sind hin und wieder auf Tour, und diese Show sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen. Zugegebenermaßen haben dem Flogging Molly mit ihrem familienfreundlichen Irish Folk wenig entgegenzusetzen. Die Band wird dennoch abgefeiert und grüßt sogar Fever 333.
Ein Zirkus mit K
Um 22:30 Uhr fällt dann der Vorhang. Das Backdrop zeigt sich, auf dem in großen, roten Lettern Kraftklub steht und tausende verzückte Gesichter blicken gen Bühne, auf der sich die fünf Jungs aus Karl-Marx-Stadt in Position gebracht haben. Kraftklub is in da house! Mädchen wollen Felix anfassen - oder halt irgendeinen aus der Band - aber vor allem Felix. Das Festivalset der Indies mit Rap bietet wenig Zeit zum Verschnaufen, aber auch wenig Überraschungen.
Von Minute eins bis Minute 90 singt das gesamte Festival die Smash-Hits mit, von "Ich Will Nicht Nach Berlin" bis hin zu "Chemie Chemie Ya", "Schüsse In Die Luft" und "Songs Für Liam". Das mittlerweile bekannte Glücksrad bleibt heute bei "500 K" stehen, und so bekommen Felix und die Glücksfee Anna ihren Willen. Die Sorge, dass sich Werwölfe im Publikum befinden, die sich verwandeln, bleibt glücklicherweise unbegründe: Felix Kummer erfreut sich das ganze Set über an der Kulisse der Burg im Vollmond erfreuen. Danke, Kraftklub1 so muss ein Freitagabend enden: Respekt mit K.
Erst mal Bier-Yoga
Der Samstag startet für die einen entspannt mit Yoga im Burggarten, die anderen widmen sich tiefenentspannt dem Bier-Yoga auf dem Zeltplatz - und für einen nicht geringen Teil mit einem veritablen Kater. Soll heißen: Das Wetter hält, die Bands haben Bock und die Fans ebenfalls. Bereits seit Freitag laufen die Emergenza-Endrunden, und es lohnt sich, bei den Newcomern vorbeizuschauen. Findige Musikmanager:innen sollten sich das Taubertal Festival jedenfalls dick im Kalender anstreichen.
Die Acts, die es am Ende auch ohne Musikwettbewerb auf die Bretter, die die Welt bedeuten, geschafft haben, sind LaBrassBanda, die als erste die Taubertal-Bühne zum Schwitzen bringen, gefolgt von den immer noch aktuellen Wizo, die eine grandiose Show mit Tiefgang und wichtiger Message abliefern, SDP, die bekannteste unbekannte Band, die den Hauptstadtflair nach Franken bringen und AnnenMayKantereit. Trotz voller Hütte liefern Letztere den schwächsten Auftritt des Tages ab. Der nur oberflächlich tiefgründige Studenten-Indiepop ist längst auserzählt, und von einer Zweizimmerwohnung mit Balkon brauchen die Herrschaften nicht mehr zu träumen, dank solventer Fans dürfte der Altbau im Prenzlauer Berg schon klar gehen.
Von Callejon bis Faber
Abseits der Hauptbühne rocken Massendefekt und Kiezkaff, beide machen richtig Spaß, was sich auch an der beträchtlichen Zuschauer:innen-Anzahl zeigt. Faber und seine Band stehen in einem Meer aus roten Blumen, vermutlich Nelken, was einerseits an das aktuelle Bühnenbild von Casper erinnert, andererseits aber auch ein wenig an Nirvanas Musikvideo zu "Heart Shaped Box". So oder so, mit seinen schelmischen Texten, verpackt in leichten Gypsie-Sound, dürfte er heute wieder neue Fans dazugewonnen haben.
Für härtere Töne ist im Anschluss Nathan Gray zuständig. Der Boysetsfire-Frontmann hat sich für sein Soloprojekt unter anderem Ben Christo an die Gitarre geholt, der, bevor er sich voll und ganz seiner Karriere bei den Sisters Of Mercy widmet, noch ein letztes Mal mit auf Tour dabei ist. Nathan betritt die Bühne mit Federboa und nimmt mit einer positiven Ausstrahlung binnen Minuten das sich stetig füllende Infield für sich ein. Klasse! Und auch Callejon wissen im Anschluss, wie man ein Publikum bei der Stange hält und beschließen den Abend gebührend.
Auch der letzte Festivaltag kann was
Am Sonntag herrscht schon spürbar Aufbruchsstimmung. So schnell können drei Tage vorbeigehen. Bei noch immer perfektem Festivalwetter stimmen die Monsters Of Liedermaching das Publikum gemütlich und mit einem zwinkernden Auge auf das unausweichliche Ende des Taubertals 2022 ein. Auf der Sounds for Nature-Bühne geht es noch mal hoch her. Blond eröffnet, Mid City übernimmt, Das Lumpenpack zieht kräftig Publikum und Clutch zeigen am Ende wieder allen, wo der R'n'R-Hammer hängt.
Swiss Und Die Anderen für die Antilopen Gang
Für die Corona bedingt ausgefallene Antilopen Gang springen kurzerhand Swiss Und Die Anderen ein, und etwas Besseres hätte kaum passieren können, denn die charmanten Hamburger strotzen nur so vor Spielfreude und kessen Sprüchen. So dauert es nicht lange, bis sich die erste Wall of Death bildet, und man im Circle Pit munter im Kreis rennt. Den erfrischendne Crossover kann man im Spätherbst noch live auf Tour einmal quer durch die Republik erleben. Hingehen!
Im Anschluss stimmen Kontra K und seine Band zu einem aufwändigen Bühnenbild, inklusive Höllenhunde, bei bester Laune auf Headliner Biffy Clyro ein. Die Schotten spielen ein mitreißendes und tadelloses Set, das keinen Hit vermissen lässt. Dank der atmosphärischen Lightshow wird das Konzert zu einer Erfahrung für alle Sinne: ein würdiges Finale für drei tolle Festivaltage.
Taubi: Postkarten-Kulisse
Von der Postkarten-Kulisse abgesehen ist und bleibt das Taubertal eines der entspanntesten und schönsten Musikhappenings. Die positive Grundstimmung vor und hinter den Bühnen, die immer gut gelaunten und hilfsbereiten Securities, die relaxte Festivalwache, das gut kuratierte Musikprogramm, die liebevollen Foodtrucks mit regionalen und internationalen Spezialitäten zu humanen Preisen und natürlich der unerschütterliche Optimismus der Fans, die jedes Jahr aufs Neue ins Taubertal pilgern, sind Grund genug, schon jetzt einen Besuch auf dem Taubi 2023 fest einzuplanen. Wir fahren zum Taubertal, wie jedes Jahr, und das bleibt auch so!
Text und Fotos: Désirée Pezzetta.
1 Kommentar mit einer Antwort
Frauen wollen einen Mann anfassen? Das ist ja widerlichste sexistische ableistische und unwoke reduktion eines Mannes auf seine Reize. Wo bleibt der Aufschrei? Ach Ja, weiße Männer sind ja per se privilegiert und daher kann es in diesem Fall als empowerment verstanden werden hauptsache niemand wehrt sich dagegen sonst setzt sich der Canceltrain schneller in Gang als man Kulturmarxismus buchstabieren kann.
Wie die Überschrift tatsächlich geändert wurde, stark.