laut.de-Kritik
I am Winnie, too!
Review von Dani Fromm"Pünktlich zu Weihnachten bringt RTL die Geschichte von Winnetou und Old Shatterhand in einer spannenden Neuverfilmung ins Fernsehen zurück." Oh, bitte! Hat 2016 nicht Legenden genug gerissen? David Bowie, Prince, Achim Mentzel ... muss diese Drecksau von einem Jahr kurz vor Torschluss jetzt wirklich noch Winnetou und Old Shatterhand meucheln?
Offenbar. "Abenteuer liegt in der Luft", warnt RTL. "Der junge Deutsche Karl May (Wotan Wilke Möhring) macht sich auf die weite Reise in den unbekannten Westen." Na, herzlichen Dank. Jürgen Vogel und Mario Adorf spielen auch mit. Den neuen Pierre Brice gibt, ich hoffe, ich habe die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge abgemalt, Nik Xhelilaj. (Das gäbe ordentlich Punkte bei Scrabble.)
Ein neuer Wildwest-Dreiteiler mit alten Motiven verlangt natürlich auch nach neuer Filmmusik. Ebenfalls mit alten Motiven, versteht sich. Ohne Martin Böttchers ikonisches Winnetou- oder sein Old Shatterhand-Thema (oder beide zusammen) kommt bestenfalls ein Drittel der Tracks aus. Gesummt, gegeigt, als indianischer Heyyyy-yaaa-heyyy-yaa-yaa-Gesang dargeboten, stehen die sattsam bekannten Tonfolgen dabei oft im Mittelpunkt des Geschehens, verstecken sich aber zuweilen auch fast zur Gänze im dicken Streicherteppich.
Dessen Omnipräsenz wächst sich auf Dauer - dieser Soundtrack untermalt immerhin gleich drei Filme, "Eine neue Welt", "Das Geheimnis vom Silbersee" und "Der letzte Kampf" - zur echten Nervenprobe aus. Roter Faden, schön und gut. Wenn aber über mehrere Stunden eine einzige Soundästhetik regiert, entwickelt das irgendwann ziemlich lähmenden Charakter.
Liegt am Ende genau das sogar in der Absicht des musikalischen Verantwortlichen Heiko Maile? Die unterirdisch hölzernen schauspielerischen Leistungen, die die Trailer zum "TV-Event" befürchten lassen, dürften jedenfalls kaum dazu taugen, das Publikum an die Bildschirme zu fesseln. Noch nicht einmal Zuschauer, die vermutlich längst fest im Griff der Feiertagsträgheit röcheln.
Die Musik scheint jedenfalls noch das Beste am neuen "Winnetou" darzustellen. Die nämlich lässt sich tatsächlich recht widerstandslos genießen. Flöten, Fußschellen, Dobro, Banjo und Mandoline sorgen für dezentes Wildwest-Aroma. Die Rhinowland Singers steuern hie und da Indianergesang bei, "Rache Für Intschu Tschuna" birgt sogar eine amtliche Passage Kehlkopfgesang: sehr atmosphärisch.
Das alles errichtet mit großer Geste große Spannungsbögen, die am Ende nur deswegen in sich zusammenfallen, weil sie einfach den gleichen Knopf wieder, wieder und wieder drücken. "Der Ölbaron", "Der Mob", ob "Abschied Von Den Apachen", "Bei Den Bleichgesichtern" oder "Bei Den Comanchen", ob "Kampf Um Die Brücke", "Der Zweikampf" oder "Zum Letzten Gefecht": Alles und jeder kommt im selben Stil daher und kulminiert am Ende in der Einheitsbreitheatralik von "Blutsbrüder" und "Winnetous Tod".
Die Klänge tragen weit über die TV-Prärie. In jeder Blickrichtung braut sich Unheil zusammen, dem die Helden selbstverständlich furchtlos die Heldenstirnen bieten, bis - zumindest einer - den heldenhalften Heldentod stirbt. Winnetou hat dabei noch Glück: Die betuliche, hüttenmusikartige Akustikgitarren-Zugabe "Brüder Nie Sich Trennen" bleibt ihm so erspart. Die soll wohl hurtig wieder zurück in die Weihnachtsheimeligkeit führen, nachdem der Soundtrack zuvor dicke auf Hollywood-Blockbuster-Score gemacht hat.
Großes Orchester allüberall. Vor allem Streicher. Dynamische Trommeln. Pamm-pamm-pamm-pamm! BRÖÖÖÖÖTZ! Als stapfe unentwegt Batmans Widersacher Bane durch die Szenerie, wild entschlossen, Wotan Wilke Shatterhand im Saloon von Gotham City das Rückgrat zu zerbröseln. Oder in den zuckenden Schatten, die das Lagerfeuer auf die todernsten Gesichter von Winnetous Apachenbrüdern malt, egal. Hauptsache: BRÖÖÖÖTZ!
Aus dieser Finsternis steigen immer wieder die alten Bekannten empor, Winnetous Melodei oder die von Old Shatterhand, und wecken süße, weil nostalgisch verklärte Erinnerungen an den echten Winnetou. Es gibt viele Bries ... abörrr nur einööö Pierre Brice. Hach, damals, da war bestimmt nicht alles besser, das nicht. Eine Sache aber wohl: Statt auf Pomp und Overkill setzte Martin Böttcher einst viel stärker auf die Kraft, die in Rhythmus steckt. Die versumpft in der Neuauflage komplett im alles überdeckenden Gefiedel.
Je länger man darüber nachsinnt, um so unnötiger kommt einem dieses Remake vor. Die Legende dürfte den Aufwärmversuch trotzdem einigermaßen unbeschadet überstehen. Der Mythos lebt. He is Winnetou. I am Winnie, too. Wie viel Winnies haben wir in gesamt? That is the question.
1 Kommentar
Winnetou & Old Shatterhand !!!
Das Thema ist klassischer Karl May und eigendlich Lesestoff vieler Generationen gewesen. Ob man da einem besonderen Sound zugetan sein muß ist nicht ganz klar.
Winnetou III mit Rolling-Stones-Songs wären bestimmt super.