laut.de-Kritik

Zwischen Pop, Chanson, Schlager und Musical.

Review von

"Und die Lieder aus den Charts, die waren besser / denn die konnte man noch pfeifen / und die Texte waren einfach / und 'Voyage' bedeutet Reise / und die geht bekanntlich weiter / die geht bekanntlich weiter als die Nacht", tönt es aus der ersten Single "Sophie Marceau". Mit Nostalgie-orientiertem Deutsch-Pop mit orchestraler Begleitung haben wohl die wenigsten gerechnet, als erstmals von Nora Tschirners Band die Rede war. Eher schon mit Indie-Rock oder der Schauspielerin als DJane.

Nix da. "Premiere" beschwört Nostalgie an allen Ecken und Enden. Auch bei "Zeit" oder "Warten" zeigt sie sich. Fast jedes Lied zeigt einen gewissen Retro-Touch, dafür sorgt der doch sehr pathetische und manchmal etwas zu hohe Gesang von Erik Lautenschlänger oder seinem Bandkollege Tom Krimi.

Nora Tschirner hingegen erinnert zeitweise an Annette Humpes Schwester Inga. Sie sticht aber gesanglich nicht wirklich hervor und darf ohnehin nur bei wenigen Liedern mitsingen. Eigentlich ist sie für die Bariton-Gitarre oder wahlweise Hackbrett und Mandoline zuständig. An Instrumenten ist somit auf "Premiere" fast alles vertreten.

Im Vordergrund steht aber das tschechische Filmorchester. Das sorgt für große Gefühle und verleiht dem Album einen cineastischen Anschein. "Sein 70er-Pult und sein Können haben großen Anteil daran, dass unser Album so klingt, wie es klingt", so die Band über Guy Sternberg, Inhaber der LowSwing Tonstudios in Berlin. Die Songs könnten problemlos alte Filme unterlegen. Viel mehr noch steigt beim Hören vor dem inneren Auge die ergreifende Darbietung von Musicaldarstellern auf der Bühne auf.

Prag ziehen den Hörer in eine andere Welt - ein bisschen wie im Zirkus. Eine verträumte Welt voller banaler Dinge, die teils humorvoll ("Und nur die Vögel singen, wenn die Sonne brennt / Warum hat ihnen keiner erklärt, wie man so 'nen Morgen verpennt?", "Vögel"), teils etwas zu einfach ("Einfach") thematisiert werden.

"Für mich sind Texte besonders gut, wenn sie trotz Intimität universell funktionieren," sagt Nora Tschirner über die Gestaltung der Songs. Da mag man ihr Recht geben, kommt doch beispielsweise im poppig-rockigen "Drehbuch" unmissverständlich durch, wie trivial und einfach die Liebe manchmal ist.

In "Einkauf" hingegen erstickt die anfänglich humorvolle Schunkelstimmung letztlich doch im Keim. Da wirkt dann fast schon lächerlich, wenn Nora ein sich wiederholendes "Also kaaauf!" ans Ende setzt.

Wer "Premiere" öfter als ein Mal aushält, entdeckt doch den ein oder anderen Ohrwurm. Die Texte bieten hier und da ganz gutes Identifikationspotenzial, sind gewürzt mit Humor und dem immer wieder durchklingenden Pathos.

Die Musik lässt sich schlecht in eine Schublade stecken, balancieren Prag doch zwischen Pop, Chanson, Schlager und Musical. Fraglich bleibt, ob man sich solches ohne begleitendes Theater- oder Musicalmaterial um die Ohren hauen möchte. Nora wirkt zwar auf der Bühne so sympathisch wie im Film. Prag jedoch erscheint als zu ausgeklügelt inszeniertes Projekt, um authentisch zu wirken.

Trackliste

  1. 1. Leisestreichler
  2. 2. Sophie Marceau
  3. 3. Zeit
  4. 4. Zweiter
  5. 5. Drehbuch
  6. 6. Vögel
  7. 7. Einfach
  8. 8. Und Jeder Hält Die Luft An
  9. 9. Bis Einer Geht
  10. 10. Einkauf
  11. 11. Argumente Tausendfach
  12. 12. Warten
  13. 14. Ende

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LAUT.DE-PORTRÄT PRAG

"Wir alle waren so / verliebt in Sophie Marceau / sag' nicht, es war nicht so / denn es war doch so / sag' nie, es war nicht so." Dieser Meinung sind …

7 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    ich hatte die cd zuerst gehört, ohne dass ich wusste, dass nora tschirner am start ist, da fand ich die songs wirklich große klasse ("zweiter" beispielsweise ist wirklich nett). Ein Urteil wie "Wer "Premiere" öfter als ein Mal aushält, ..." finde ich schon arg übertrieben.

  • Vor 11 Jahren

    deutsche Pseudo-Leichtigkeit.

    2 Punkte passt.

    Live bei Raab gehört und den Sänger für untalentiert empfunden.

  • Vor 11 Jahren

    Pseudo-lustig-semi-ironische, verkrampft-niedlich-naiv-heitere Texte, wie man sie in den vergangenen Jahren ausgiebigst zu hassen gelernt hat, gekreuzt mit einem schwungvollen 50er-Jahre-Omas-Tanztee-irgendwie-retro-Sound, dazu fies-unerträglicher Fistelgesang und die schauspielernde LML aka feuchter Traum aller deutschen Hipsterbubies an der Triangel (oder einem ähnlich obskuren Instrument). Ich frage mich: Warum?

  • Vor 11 Jahren

    "In Deutschland mögen die Leute keine leichte Musik, die wollen was Erbauliches haben oder belehrt werden. (...) Ich weiß gar nicht, was 'authentisch' bedeuten soll u ob das unbedingt etwas positives ist" - Carsten Friedrichs, im Interview mit D.Radio

    Mir gefiel die Single jetzt auch nicht so, aber die Band anscheißen, weil sie einen gekünselten Gegenentwurf wagt, abseits der ausgelatschten Authentizitätspfade (aka Pfade der Pop-Dämmerung)? Lahm.
    @keine Ahnung: für untalentiert befunden, als untalentiert empfunden... 2 Punkte auch für dich.

  • Vor 11 Jahren

    @fleur-de-lease («
    @keine Ahnung: für untalentiert befunden, als untalentiert empfunden... 2 Punkte auch für dich. »):

    touché

  • Vor 11 Jahren

    Die neue Tocotronic ist groß und läuft bei mir auf Dauerrotation. Von Ausgelutschtheit keine Spur! PRAG wäre was für meine Mutter. Der habe ich schon Stardust von Lena geschenkt. Perfekte Musik fürs Putzen und Bügeln.