laut.de-Kritik
Eines der aufregendsten Debüts seit langem.
Review von Alexander CordasIhr kennt das. Ein Konzert steht an und voller Vorfreude dackelt man zum Veranstaltungsort, nur um festzustellen, dass wieder einmal eine Vorband am Start ist, nach der eigentlich keiner gefragt hat. So geschehen jüngst auf der Blackfield-Tour. Im Vorprogramm war eine Combo namens Pure Reason Revolution angekündigt.
Besser gesagt: Am Merchandise-Stand, wo die CD der Band relativ unspannend zum Erwerb auslag, ließ sich darauf schließen. Unter solchen Voraussetzungen ist es meist am besten, wenn der Support ohne feststellbare physische wie psychische Folgeschäden an einem vorüber zieht.
Und dann kommen da diese vier Briten auf die Bühne und werfen sämtliche, über die Jahre empirisch gesammelten Erfahrungen bei ihrem Support-Gig über Bord. Nach ungefähr zweieinhalb Tracks hat er gezündet, der magische, hypnotische und alles andere als gewöhnliche Cocktail. Dabei, und das muss man sich ernsthaft vor Augen führen, handelt es sich bei "The Dark Third" um ein Debüt! Und was für eines.
Gut, die allenthalben zu lesenden Meinungen über das Intro "Aeropause" sind in Ansätzen noch nachvollziehbar. Gehen sie doch hier auf Pink Floydeske Soundreise mit den typisch Gilmour'schen Bluesgitarren-Licks. Wer jedoch an solchen Nebenkriegsschauplätzen einen Grabenkampf entfacht, ist wirklich selbst schuld und verpasst eines der aufregendsten Debüt-Alben, die es seit langem gegeben hat.
Die Revolution ist in der Summe nicht wirklich eine, aber was das mittlerweile zum Quartett geschrumpfte Kollektiv aus Reading fabriziert, hat mehr als nur ein Ohr verdient. Spacige Ambient-Momente wechseln sich mit schredderigem Indierock ab, nur um wenig später von Led Zeppelin-Riffs auf der Überholspur abgehängt zu werden. Nicht zu vergessen: Dieser immer wieder auftauchende, polyphone Harmoniegesang, der dem ganzen das Krönchen aufsetzt.
Stilistisch sind PRR nur schwer zuzuordnen. Weder klingen sie typisch britisch, noch fehlt ihnen die aggressive Härte metallastiger Prog-Bands. Die Jungs und das hübsche Mädel spielen sich munter durch die Schnittmengen episch gestalteter Musik. Erst nach knapp sechs Minuten instrumentaler Einleitung erklingt zum ersten Mal die Stimme von Chloe Alper, die sanft und einschmeichelnd in die Welt von PRR entführt.
Die Zartheit des Beginns darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Band sehr wohl weiß, wie sie dezent und akzentuiert Härteausbrüche einzusetzen hat, um das Gesamtbild abzurunden. Zwischen melodischen Parts und heftigen Rockismen hin und her zu pendeln, scheint die Spezialität der Briten zu sein. Dieser dualistische Hang erschafft einen wunderbaren Ausgleich zwischen hormoneller Aufregung und verträumtem Zurücklehnen.
Okay, zugegeben: Aus einigen der überlangen Songs hätte man gut und gerne mehrere schnitzen können, aber gerade deren Epik macht diese Platte so überaus spannend. PRR geben ihren Tracks mit Freude mehr als die üblichen drei Minuten mit.
Beispiele hierfür gibt die Trackliste genügend her. "The Bright Ambassadors Of Morning", eines der zentralen Stücke, steigt mit sphärischem Geblubber und spacigen Sounds ein und steigert sich im weiteren Verlauf zu einer herzhaften Rocknummer, um im Mittelteil wieder in fein ziselierte Tiefen mit vorsichtig angeschlagenem Gitarrengeklimper hinab zu steigen. Und dann pardauzt es nach acht Minuten derart heftig aus der Jimmy Page-Ecke, dass sogar gestandene Headbanger auf ihre Kosten kommen könnten.
Direkter geht es aber auch. Mit "Bullits Dominae" schicken PRR ihren besten Track erst kurz vor dem Kehraus ins Rennen. Die Quintessenz des PRR-Sound lässt sich hier wohl am besten ausmachen. Melodie, Melodie und nochmals Melodie mit einem ordentlichen Schub aus dem Gitarren-Nachbrenner. Eine Violine fügt sich hervorragend ein und macht diese sonische Erfahrung zu etwas ganz Besonderem.
Quasi als Sahnehäubchen erscheint die europäische Version des Debüts mit Versatzstücken aus der bereits erschienenen EP "Cautionary Tales For The Brave" sowie Songs, die auf Singles erschienen. Nach mehrmaligen Durchläufen fallen auch diese Lieder von der Qualität her kaum ab. Ein Grund mehr, das Album weltklasse zu nennen. Pure Reason Revolution, definitiv ein Name, den man sich merken muss.
3 Kommentare
Wow! Großartig, da bin ich doch grad zufällig drüber gestolpert, bei durchstöbern neuer Musik, und, was selten genug passiert, es hat sofort gezündet.
Ne großartige Platte!
Auf jeden Fall.
Ja.