laut.de-Kritik

Monströse Songs versperren wie mannshohe Kakteen den Weg.

Review von

Wenn ich diese kaputten Glühbirnen schon sehe, kommen mir die Tränen vor Lachen und irgendwie fühle ich mich an meine eigene "Era Infantilis" erinnert, die von Europa-Hörspielplatten und Yps-Gimmicks geprägt war. Josh Homme erklärte das Cover in einem Interview als "Sinnbild für das, was man für eine großartige Idee hält, was tatsächlich aber doch keine so großartige Idee ist".

Die Hookline von "Into The Hollow" ändert die Quelle meiner Freudentränen sofort in Wehmut. Man muss nicht Kalifornier sein, um dieser Musik zu erliegen. Man muss aber schon einmal die Mojave-Wüste auf den Spuren der Palm Desert-Szene durchstreift haben, um bei solchen Songs garantiert feuchte Augen zu kriegen. Deswegen war es ganz sicher eine gute Idee der Queens, sich wieder einmal unter die Fittiche von Producer-Legende Chris Goss zu begeben, denn er ist der Meister des ganz speziellen Grooves, der untrennbar mit dieser Wüstenerfahrung verbunden ist.

Die Queens machen es ihren Fans aber nicht durchgehend leicht, den neuen verschlungenen Pfaden dieser Platte zu folgen. Da stehen monströse Songs herum, die einem wie mannshohe Kakteen den Weg versperren. "Turnin' On The Screw" ist extrem stachelig und unbequem und will einen nicht recht fortkommen lassen.

Daneben findet sich das völlig schräge "Battery Acid", das seine wirren Riffs spastischen Zuckungen gleich übers Rückenmark verteilt und deshalb einfach so klingt wie es heißt. Im Hintergrund blitzt still "Misfit Love" wie der Pilz eines Nukleartests am Horizont auf und breitet seine sperrigen Gitarren als ungesund strahlender Fallout über der Landschaft aus.

"Sick, Sick, Sick" erinnert an "Tension Head" auf "Rated R" und ist anfangs von der Erwartung geprägt, dass Nick Oliveris bis zum Platzen geschwollene Halsschlagadern den Song gleich aus der Umlaufbahn kicken. Statt Oliveri ist es aber Strokes-Frontmann Julian Casablancas, der mit geschwollener Hühnerbrust die Backingvocals beisteuert. Es bleibt unterm Strich ein typischer QOTSA-Song mit Abgeh-Garantie, der es nicht zuletzt wegen seinem Wiedererkennungswert zur Single gebracht hat.

Zwischen all dem stacheligen Dickicht und undurchdringlichen Gestrüpp tummelt sich aber immer wieder in schattige Ecken versprenkelt diese kleine bunte Wüstenblume, die so zart und zerbrechlich in allen Farben des Sonnenlichts blüht, als hätte es gerade geregnet. Zum Beispiel im plötzlichen Kyuss-artigen Tempowechsel inmitten des Bonustracks "The Fun Machine ...", der diesem endlos langen Gitarrensolo ein paar Scheite ins Feuer wirft, um schließlich gegen Ende nochmals richtig Dampf abzulassen.

Oder die rückwärts abgespielten Loops bei "River In The Road", die sich angenehm düster unter die rauen Vocals mischen. Oder die leichthändige Ballade "Suture Up My Future", die gegen Ende zu einem furiosen Gitarrengewitter mutiert.

Die Queens schwimmen mit zehnjährigem Selbstbewusstsein entschieden gegen jeden Mainstream und überraschen entgegen weitläufiger Fan-Erwartungen mit dem bei weitem undurchschaubarsten Output ever. Bei den ersten Durchläufen bleibt das gesamte Album noch unerschlossen. Es besticht aber nach hinten durch catchy Melodien, die trotzdem kleben bleiben, so dass sogar diverse Lieblingsstücke auszumachen sind. Die teilweise extremen Strukturen lassen jedoch wenig Raum für den schnellen Kick - es fehlt an songwriterischer Glätte, um an das Hitalbum "Songs For The Deaf" heranzukommen.

Trackliste

  1. 1. Turning On The Screw
  2. 2. Sick, Sick, Sick
  3. 3. I'm Designer
  4. 4. Into The Hollow
  5. 5. Misfit Love
  6. 6. Battery Acid
  7. 7. Make It Wit Chu
  8. 8. 3's And 7's
  9. 9. Suture Up Your Future
  10. 10. River In The Road
  11. 11. Run Pig Run

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221 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    Das umstrittene Era-Vulgaris. Eines der am größten vermarkteten Alben der QOTSA. Für mich persönlich DAS Album, dass mich zum Fan erhob.

    "Turnin' On The Screw" der sich wie ein Schraubenzieher in das Gehirn einrammt mit seinen konsequenten Riffs und schüchternen Vocals ist einer der Vorzeige Songs des Albums. "Sick, Sick, Sick", "I'm Designer" und "3's & 7's" untermalen die schnelle Steroid wirkung des Albums und zerstören das Gehör auf eine sehr angenehme Art und Weise.. als würde man an zu viel Zuckerwatte ersticken.

    Tracks wie "Suture Up Your Future", "Make It Wit Chu", "Into The Hollow" bringen dazu die Gegenseite. Die reale Welt und der eher gemäßigte Akkord bringen Abwechslung ins Album.

    Im Vergleich zu den anderen Album bietet dieses für mich die meiste Abwechslung. Der konsequente Gebrauch von Akkorden und schnelle Refrains gepaart mit kleinen nicht zu Anspruchsvollen Solis ist einfach ein toller Begleitsound für ein schnelles, abwechslungsreiches Leben.