laut.de-Kritik

Gecastet, auf Gehorsam gedrillt und bis ins Detail austauschbar.

Review von

Adornos Feststellung "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" mag vielzitiert sein, an Wahrheitsgehalt hat sie nichts eingebüßt. Danach definiert der kulturindustrielle Komplex Kunst nicht nach ästhetischen oder authentizitären Gesichtspunkten, sondern ausschließlich über ihren ökonomischen Wert.

Die siebte Auflage des Popstars-Konzepts führt das Prinzip der zusammengecasteten, auf Gehorsam gedrillten und bis ins Detail austauschbaren Band nun konsequent fort. Tatsächlich geht die Staffel "Just 4 Girls" sogar weiter als alle vorangegangenen, indem sie das Exempel eines Instant-Wegwerfprodukts statuiert.

Statt zur Auswahl der finalen Mitglieder eine einzelne Show abzuhalten, gibt es gleich zwei. Die TV-Produzenten folgen der Logik totaler Gewinnmaximierung und verzögern die Entscheidung in die gefühlte Unendlichkeit – mehr Sendezeit, mehr TEDs ("Schick eine SMS mit 'GIRL 2' an") = mehr Marge.

Drei der vier Mädchen zwischen 16 und 20 wurden über ein Juryvotum gewählt; die vierte im Casting-Bunde durfte sich in einem zusätzlichen TV-Endkampf mit zwei weiteren Wettbewerberinnen um die Gunst der Fernsehzuschauer messen.

Der Clou: Im Vorfeld der abschließenden Popstars-Sendung nahm jede der Kandidatinnen gemeinsam mit den drei feststehenden Mitgliedern eine Version des Debütalbums "Volume 1" (geht es zynischer?) auf. Jede verkaufte CD/jeder Download zählte als eine Stimme für die jeweilige Anwärterin.

Ein Novum mindestens in der deutschen Castingshow-Geschichte, vor allem aber das ehrliche Eingeständnis von Warner Music, dass ein Majorlabel letztlich nur den Absatzzahlen gehorcht. Die eher schüchterne 17-jährige Antonella verkaufte am besten, vermutlich weil ihr Wesen das für Popmusik unabdingbare Moment an Mysterium lieferte.

In der Disziplin Gesangsleistung jedenfalls unterschieden sich die drei nur marginal. Der genaue Vorsprung Antonellas bei den Absatzzahlen bleibt übrigens Geheimnis zwischen den Chartsmachern Media Control und Popstars. Somit auch, ob das Voting der Zuschauer für die Entscheidung überhaupt noch relevant war.

Der Aufmerksamkeits-Peak ist nach der finalen Farce in jedem Fall überschritten, die Nachwehen haben begonnen. Für einige Monate werden die Strippenzieher ihr mit glühender Nadel gestricktes One-Way-Produkt durch Talkshows und Stadtfeste schieben, bis Queensberry schließlich das gleiche Schicksal winkt wie Overground oder Bro'Sis: beim Online-Händler Amazon für 0,01 Euro pro Album verramscht zu werden.

P.S.: Der offizielle Queensberry-Shop queensberry-merch.de ist anderthalb Wochen nach der Veröffentlichung von "Vol.1" trotz Bewerbung im Booklet nicht aufrufbar. Ironischer Vermarktergag?

P.P.S.: "Deine ehrliche, natürliche Art gibt dir Starappeal." (Sido, Jury-Mitglied, zu Queensberry Gabi)
"Öh, hab ich dich gerade die ganze Zeit Vici genannt?" (Oli P., Moderator, zu Queensberry Leo)
"Mein bisheriges Leben war eher langweilig." (KayKay, Kandidatin, im Videoclip)

P.P.P.S.: Frauenbild 2008 in Queensberry-Lyrics: "Can't stop shopping", "Jump into my velvet pacific / I know you wanna get in it", "He's got a plan and he knows it's working / Yeah, here's the man / Say my name, I'm admitting … I'm admitting"

Trackliste

  1. 1. No Smoke
  2. 2. Bike
  3. 3. Sorry
  4. 4. Dr. Blind
  5. 5. Over It
  6. 6. End Of Love
  7. 7. Sprung
  8. 8. I Can't Stop Feeling
  9. 9. Beautiful Thing
  10. 10. Stiletto Heels
  11. 11. Jump
  12. 12. Butterfly
  13. 13. Why Should I Believe In You

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LAUT.DE-PORTRÄT Queensberry

Auch 2008 lässt es sich ProSieben nicht nehmen, wieder ein paar Popstars zu casten. Die siebte Staffel der Casting-Show steht unter dem Motto "Just 4 …

207 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    schöner artikel, spricht vieles von dem aus, was ich in den letzten wochen auch gedacht habe. solche aktionen machen "richtige" musik kaputt. aber : solange es teenies gibt, wird es auch solche bands / shows weiter geben, also besser nicht drüber aufregen. da fällt mir der gute alte gallagher von oasis ein, der mal gefordert hat, die charts nur durch plattenkäufe der über 18jährigen berechnen zu lassen...
    kann man es den mädels verübeln, zum casting zu gehen ? 5 minuten ruhm, kohle und das gefühl, ein "star" zu sein inkl. prominentem boy-friend hinterher vielleicht sogar mit absicherung ist wahrscheinlich nicht schlecht... wenn es ganz clever gemacht wird, gibt es ne blitzheirat bzw. schwangerschaft und man kann mit spätestens 25 beruhigt für immer die füße hochlegen.. schuld an diesem ganzen casting wahn sind die leute, die einschalten ( ich auch ) bzw. die cds kaufen - gäbe es die nicht, würden diese formate aussterben. aber da heute auch jeder teenie einen fernseher im zimmer stehen hat, wird es eines tages auch noch die 100. pro 7 - band geben.

  • Vor 15 Jahren

    Herrlich, wie im Review kein einziges Mal Bezug auf die Musik des Albums genommen wird - das wäre auch widersprüchlich, denn die Rezension soll ja verdeutlichen, um was für ein austauschbares Massenprodukt es hier geht.

    Spricht mir jedenfalls aus der Seele, dankeschön.

  • Vor 15 Jahren

    @LF (« Herrlich, wie im Review kein einziges Mal Bezug auf die Musik des Albums genommen wird - das wäre auch widersprüchlich, denn die Rezension soll ja verdeutlichen, um was für ein austauschbares Massenprodukt es hier geht.

    Spricht mir jedenfalls aus der Seele, dankeschön. »):

    normal reg ich mich auf wenn das in rezensionen so gemacht wird, diesmal bin ich dankbar dafür, die rezension des tv-phänomens reicht hier ja auch

    trotzdem fiel mir auf als ich deren "performance" am samstag bei Schlag Den Raab gesehen habe dass hier schon wieder stilistisch ein aktueller trend im pop versucht wird zu kopieren, Duffy und Whinehouse lassen grüßen

    ob der rest des albums auch so angelegt ist? werden wir aufgrund der rezension zwar nicht erfahren, aber wie gesagt, ist ja eigenltich auch :wusrt:

  • Vor 15 Jahren

    Meine Meinung:
    Mindestens eine hat echt 'ne pralle Stimme und so scheisse finde ich die Mucke auch gar nicht mal. Amorphis ist aber besser.

  • Vor 15 Jahren

    @Mobbi (« Meine Meinung:
    Mindestens eine hat echt 'ne pralle Stimme und so scheisse finde ich die Mucke auch gar nicht mal. Amorphis ist aber besser. »):

    Ihr seid doch alle verrückt geworden :D

    Ich finde das Album langweilig und uninspiriert...
    Und es ist nicht die Musik, die ich so sehr hasse, sondern die Menschen dahinter...

    Nu pagadi würde ich aber mal ganz weit vom Metal wegschieben!

  • Vor 15 Jahren

    Was hast Du denn mit den Menschen dahinter zu tun? Wie sind die denn so und warum beeinflusst das Dein Leben? Welche Menschen überhaupt? Und was wäre, wenn Dir die Mucke gefallen würde? Würdest Du die Mucke dann trotzdem scheisse finden wegen der Menschen dahinter? Die Menschen dahinter wollen doch gerade damit Geld verdienen, dass einem die Mucke gut genug gefällt, dass man sie kauft. Ich sehe da kein Problem. Wer's kauft, muss selbst damit klarkommen. Ich muss schließlich auch damit klarkommen, dass ich im Laufe der Zeit Dutzende von CDs gekauft habe, die dann beschissener Schrott waren (aus heutiger Sicht) und beklage mich nicht. Ich bündele meine Energie und investiere sie lieber in wichtige Dinge wie Naturschutz und Nächstenliebe - und nicht in Hass auf banale Nebensächlichkeiten.

    In Liebe und Save the Whales!

    Mobbi