laut.de-Kritik
Das ist nicht nostalgisch, das ist die knallharte Gegenwart.
Review von Yannik GölzUngefähr alle drei Monate kam die letzten zwei Jahre ein neues großes Griselda-Album, und damit haben sie ihre erste Release-Wut sogar noch gezügelt. "God Don't Make Mistakes", "Tana Talk 4", "The Liz 2" ... das New Yorker Kollektiv, das sich, kurz erklärt, als Boom Bap-Beats mit Handfeuerwaffen-Adlibs subsumieren ließe, hat nostalgische Produktion mit Hustler-Mentalität und Trapper-Arbeitsethos in die Gegenwart geholt, wo sie eine nicht gerade unberechenbare, aber stetige Nische fanden. Und immer, wenn man denkt, der Zauber habe sich wirklich abgetragen, ziehen sie den nächsten Typen aus dem Hut, der dann doch wieder irgendwie echt geil ist.
Rome Streetz verjüngt das Camp, indem er das "Grobiane auf der Fashion Week"-Ding wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Weniger künstlerisch als ein Mach-Hommy, weniger Marke als ein Westside Gunn, aber doch noch einmal ein Stück unpolierter als die Conways und Bennys: Der Mann rappt wie Big L, wäre der in einer Welt nach Gucci Mane groß geworden. Jetzt, mit Ende dreißig, steht er da, hat einen Sack voll Beobachtungen über das Ticker-Leben voll und rappt so hungrig, als wäre er ein siebzehnjähriger Rookie.
"Kiss The Ring" funktioniert so einwandfrei, weil man beiden Parteien anmerkt, dass sie Bock aufeinander haben. Rome Streetz hat einen Hafen gefunden, in dem er einfach nur ein gemeiner Spitter sein darf, das Griselda-Camp gibt ihm Form und Produktion vor. Auf "Tyson Beckford" zum Beispiel rappt er bloß auf einem in die Ewigkeit geloopten Violinen-Tremolo, "1000 Ectacy" zeigt, wie man Piano-Keys so dreckig flippt, dass sie in keinen Relax-and-study-to-Stream mehr passt. Die Percussion-Produktionen auf diesem Album klingen fast durchgehend umwerfend, organisch, verdreht, energetisch. Wer Boom Bap je als schnarchiges Genre wahrgenommen hat, wird hier frontal durch den unteren Frequenzbereich geprügelt.
Entsprechend stolz gebärdet sich Rome auf diesen opulent-aufgeblasenen New York-Instrumental. Zehntausendmal ruft es ihm "Conductor! We have a problem!" zu (einer der besten Producer-Tags der Gegenwart), und er reagiert wieder und wieder wie gerufen von einem Bat-Symbol. "I'm a rapper now, I had the work in the pot sizzling / Bitch down to ride by my side like Elizabeth", eröffnet er auf "Cry Champagne". Man merkt immer noch die Nachwirkungen von Jay-Z im Rap-New York, wo jetzt alle keine Business-Männer mehr sind, sondern Business, Männer. Aber Rome ist insbesondere gut darin, das Rappen wie seinen unverhofft aufgekommenen Side-Hustle zu verkaufen, der nur by public demand jetzt die Milligramm-Wagen ersetzt.
Ist das innovativ, ist das neu? Nicht unbedingt. Trotz all seiner Backpacker-Flirtation sollte man Rome auch nicht unbedingt mit einem Rapper verwechseln, den man unbedingt Bar für Bar auseinanderpulen müsste. "Kiss The Ring" ist essentiell nur dieselbe alte Griselda-Formel, auch so aufgetischt, dass durchaus Beats von einem anderen Album genauso gut auf diesem landen könnten. Vielleicht beißt ihnen dieser One-size-fits-all-Ansatz irgendwann in den Arsch, weil den Leuten das Zeug doch irgendwie zum Hals raushängt. Aber dann drückt man eben doch noch einmal Play auf einem Song wie "Big Steppa" und freut sich, dass es diese kleine Parallelwelt in der Rapszene gibt.
Ganz ehrlich? Vielleicht haben die Griselda-Jungs und -Mädels in ihrer DNA entgegen aller Ästhetik doch mehr mit den modernen Trap-Kollegen zu tun als mit ihren Neunziger-Vorbildern. Rome Streetz ist die Sorte Typ, der, in Memphis geboren, jetzt bei Yo Gotti auf dem Label rappen würde, auf Trap-Beats wie alle anderen dort. Für ihn ist Rap der Hustle, die Kaltschnäuzigkeit und die Attitüde, teure Klamotten und Autos inklusive. I
Irgendwie verdeutlicht diese radikal uninnovative Großartigkeit von "Kiss The Ring", dass es gar nicht so abwegig wirkt, dass Griselda eigentlich auch nur Trap-Zeitalter-Rap auf Oldschool-Sound mit Adlibs und Producer-Tags ist. Vielleicht war das insgeheim die ganze Zeit über schon, was dieses Projekt so geil macht: Das ist nicht nostalgisch, das ist die knallharte Gegenwart.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Sorry, das hat mit HipHop nichts zu tun. Hört euch mal Toni L an (Geheimtip). Mittlerweile glaube ich, dass die Amis Rap nicht verstanden haben.
unlustiger trotl
Rumpelt schön. Aber irgendwie klingen die Griseldas auch alle ziemlich austauschbar auf immergleichen Beats.
Sehe ich auch so. Warum ich das hören soll, und nicht irgendein altes Westside Gunn Mixtape, weiß ich nicht so richtig...
Bin nicht so der Griseldafan. Die Beats sind nicht mein Ding (gibt Ausnahmen wie zb. Scatter Brain) und ausser Conway finde ich die Stimmen auch nicht so doll. Ich mag halt die Art Rap nicht sooo sehr... Wofür ich sie richtig feier? Meiner Meinung nach haben die mit Abstand die coolsten Artworks im ganzem Genre. Ich sehe halt immer die endlos geilen Cover und dann hör ich mir das an und es sind halt immer diese souligen Boombap Beats. Ist alles toll gemacht aber ich steh auf andere Sachen.
Das Album fühlt sich an wie eine Zeitreise in die 90er. Beats die nach den klassischen Queensbridge Alben klingen und ein Rome der in seinen besten Momenten wie ein junger Cormega rappt.