laut.de-Kritik
Mit dem fliegenden Trance-Teppich über die Arktis.
Review von Artur Schulz"Herzlich willkommen in der neuen Welt von Schiller", lädt eine weibliche Stimme ein, begleitet von sphärischen Klängen. Gleich 29 Tracks bietet Christopher von Deylen auf zwei CDs verteilt.
Den Inspirations-Hintergrund zu "Atemlos" liefert eine vierwöchige Arktis-Reise auf dem Forschungsschiff Polarstern, an der von Deylen zusammen mit einem Team von Meeresforschern im Juli 2009 teilnahm. Tief beeindruckt von der dortigen Atmosphäre, liefern die Eindrücke dieser Reise den Nährboden für die neuen Schiller-Songs.
Im Aufbau wechseln sich Instrumentals, gesungene oder gesprochene Songs mit kurzen, verbindenden oder überbrückenden Sound-Sequenzen ab. Grundsätzlich gilt: Wohlklang in jeder Ecke, und doch hat Schiller nie etwas mit belanglosem Hintergrund-Gedudel am Hut.
Der Titeltrack "Atemlos" vermittelt mit seinen chilligen Klängen trefflich den Eindruck einer Schnee- und Eislandschaft, in der ein eisiger Wind zuhause ist. Im ersten Teil der CD nimmt sich Schiller Zeit für elegische Sound-Landschaften, und mit Bedacht aufgebaute Stimmungsbilder. Erstmals richtig Tempo bringt "Try" im Verbund mit Sängerin Nadia Ali ins Spiel. Hier dominiert das Schlagzeug, eine schillertypische Ohrwurm-Melodie nimmt einen mit auf die Reise.
Besonderes Augenmerk legt von Deylen von jeher auf die Kombination seiner Titel mit Sängerinnen, die natürlich auch auf "Atemlos" reichlich vertreten sind. Zuhörern ist sicher Kim Sanders bekannt. Namen wie z. B. Mia Bergström, Lenka, Nadia Alia oder Odette Di Maio ergänzen die weibliche Besetzungsliste. Dann gibt es noch allerlei besondere Gaststars zu bestaunen. Anrührend dabei: die gesprochenen Parts von Schauspielerin Anna Maria Mühe, die den Zwischenpart "Unruhig Herz" zu einer geglückten Symbiose aus Gedicht und sanften Electro-Schäfchenwolken macht.
Auch Can-Legende Jaki Liebezeit fügt sich mit seiner Drum-Arbeit hervorragend ins Konzept ein ("Leidenschaft" und "Opium"). Der überlange "Song" schwebt auf einem edlen Teppich mit unterschiedlichsten Sound-Collagen ausgestattet höchst angenehm aus den Boxen. Die Nummer arbeitet effektiv und abwechslungsreich mit ruhigen Passagen und konträr gesetzten, vorwärtstreibenden Drum-Parts. Von Deylen gelingt hier ein epischer Track in musikalischem Cinemascope.
Ex-Ultravox-Sänger Midge Ure glänzt auf "Let It Rise" in einem maßgeschneiderten Titel. Einerseits trägt er die typische Schiller-Handschrift, gleichzeitig klingt er aber auch wie eine Verbeugung vor der Lebens-Leistung der britischen Wave- und Electronic-Pioniere.
Schiller bietet nicht nur Sound-Zauberei satt auf seinem neuen Werk, sondern legt als Extra den Fans noch eine reichlich bestückte DVD bei. Darauf finden sich die zweiteilige Elektronik-Symphonie "Luft" und "Wasser", zehn Songs in 5.1.-Ton, sowie Eindrücke von der Studio-Session mit Jaki Liebezeit. Ein informativer Arktis-Expeditionsbericht rundet die Zugabe willkommen ab.
"Atemlos": ein höchst ambitioniertes Projekt, mit dem Christopher von Deylen seinen persönlichen Künstler-Status weiter zementiert. Gelungener Arktis-Zauber also, gepackt in ein stimmiges Umfeld der Bereiche Dance, Electro, Ambient und Pop.
4 Kommentare
Ich finde das Album nicht so überragend. Alles sehr ruhig, fast schon einschläfernd. Die Gastkünstler passten teilweise nicht recht zu den Tracks (z.B. für Kim Sanders so eine langsame Ambient Nummer, dafür hat sie überhaupt nicht die Stimme). Nadia Ali ist natürlich schon etwas das highlight auf dem Album, die Nummer ist schon eher das was Christopher gerne als "Global Pop" verkauft.
Diese eher ruhigen Ambient Nummern das ist IMHO nichts wo Schiller punkten kann. Das können andere besser und auch so das man dabei nicht vor Langeweile einschläft. Diese sehr melodielastigen und poppigen Tracks das liegt Schiller irgendwie mehr.
ist das tekkkno?
Bei den vorherhigen Alben gab es immer mindestens einen Titel, bei dem ich dache "Wow! Sofort nochmal anhören!". Dieses Gefühl habe ich bei dem erstmaligen Anhören von Atemlos nicht. Hingegen hatte ich einige Dejà Vus. Als die "Drums" in Sunrise einsetzen, dachte ich sofort an den Industrial Sound von Depeche Modes "Construction Time Again". Polarstern beginnt nahezu identisch zu White Eagle von Tangerine Dream. Was nichts schlechtes heißen muss, denn nach wenigen Sekunden gewinnt das Stück seine Eigenständigkeit zurück und hätte prima in Winfried Trenklers WDR-Sendung "Schwingungen" gepasst. Insgesamt eine ziemlich ruhige, handwerklich gelungene Platte von Schiller, allerdings ohne die ganz großen Höhepunkte.
Kaum Höhepunkte, für Pop zu uninteressant und für Elektronik zu wenig Einfälle das man die Sachen auch noch ein 2. Mal hören will.
Dazu noch die Story die gerne verkauft wird, das er sich Inspirationen von der Arktisreise geholt hat... Ja, ja.. alles klar
Insgesamt alles viel zu Seicht wenn auch handwerklich gut umgesetzt. Kommt aber nicht Ansatzweise an seine Vorbilder wie Enigma heran. Da muss Deylen noch viel üben.