laut.de-Kritik
Geglückter Neustart mit wunderbarer Anna Loos.
Review von Artur SchulzNeustart geglückt: nach dem zu frühen Tod von Tamara Danz veröffentlichen Silly mit "Alles Rot" das erste Album mit Schauspielerin Anna Loos als Sängerin. Silly 2010 bedeuten ein gänzlich neues Projekt, das die eigenen Wurzeln zwar nie verleugnet, bei dem Anna allerdings weit mehr als nur einen Ersatz für die frühere Frontfrau darstellt.
Die im Deutschrock oft überstrapazierten Twen- und Teenie-Problemchen haben in den erwachsenen Texten keine Chance. "Alles Rot" behandelt die Gedanken einer Frau, die ihren Liebsten an eine jüngere Geliebte verliert. "Ich Sag Nicht Ja" bietet einen straff inszenierten Uptempo-Rocker. Die "Findelkinder" begeistern durch wiegende Wehmut und einfühlsame Text-Beobachtungen. Das Arrangement hält einen straff inszenierten, dramatischen Aufbau bereit.
Unter den Balladen hinterlässt besonders der "Flieger" nachhaltigen Eindruck. "Du bist das Mädchen unterm Schnee / das wieder über den Frühling singt", beschreibt Anna die Hoffnung auf bessere Zeiten in Zeiten persönlicher Krisen und Sinnsuche, mitsamt tröstlich, doch nie kitschig auftrumpfendem Streichermeer.
Dagegen fällt der allzu schlicht gehaltene Durchschnitts-Rocker "Mein Kapitän" mangels origineller Ideen kräftig ab. Politisch angehaucht muss nicht BRD-dröge bedeuten: "Warum Ich" liefert den überzeugenden Nachweis, dass das neue Deutschland nicht unbedingt das endgültige Maß aller Dinge darstellt.
Nachdenklichkeit und Melancholie überwiegen in den Lyrics, allerdings ohne überzogenen Weltschmerz. Gern einmal verträumt-versponnen gehalten, verraten Werner Karmas Texte gutes Gespür für Stimmungs-Beschreibungen und Moment-Aufnahmen des Wesentlichen. Silly bieten Orientierungshilfe im Umgang mit persönlichen Zweifeln und geben ein klares Bekenntnis zur Verantwortung des Einzelnen über sein persönliches Lebens-Schicksal ab. Anna & Co. feiern die Individualität eines Jeden, ohne dabei die Gefahr einer egoman ausgerichteten Haltung aus den Augen zu lassen.
Als Volltreffer erweist sich Anna Loos. Sie fungiert nicht als weitere Schauspielerin, die auch mal singen will - nein, ihre schon seit Jahren andauernde Zusammenarbeit mit anderen Band-Mitgliedern unterstreicht nachdrücklich ihr Engagement. Gesanglich gelingt ihr ein gelungener, eigenständiger Mix aus Leidenschaft und wohldosiertem Pathos. Glaubwürdigkeit charakterisiert ihre Ausstrahlung, und das wiegt in Zeiten belanglosen Tralalas als ein richtig fettes Pfund.
Sauber eingespielt, erstickt der Sound nie in wabernder Überproduktion. Immer bleibt genügend Raum für mit viel Liebe eingespielte Nuancen. Silly sitzen nicht in einer der üblichen hiesigen Rock-Jammerhöhlen und warten auf bessere Zeiten, nein, sie gehen den besseren Weg, eingedenk der Worte des chinesischen Philosophen Konfuzius: "Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu fluchen".
7 Kommentare
immer wenn so gruselige platten mehr als einen punkt bekommen, steht der artur drunter.
silly = urghs
zensur!!! artur hat meinen kommentar gelöscht !!!11!
klasse cd. ich mag nicht mehr als drei songs am stück hören, klingt aber echt gut!
Ich als alter Silly-Fan habe mir das Album natürlich gekauft und bin sehr zufrieden. Natürlich gibt es (aus der 2. Hälfte der Platte) auch Songs die mich kaum ansprechen, aber das Album bietet genug Abwechslung und, wie der Rezensent schon meinte, hochwertige deutsche Texte. Und das ist ja etwas, was heutzutage nicht mehr so oft vorkommt.
"Sie fungiert nicht als weitere Schauspielerin, die auch mal singen wil"
Diesen Satz habe ich irgendwie bis jetzt beim jeden Schauspieler/in gelesen, die auch singen. Eigl ist er fast schon obsolet.