laut.de-Kritik
Das hier könnte ganze Emo-Heere endlich auf die gute Seite ziehen.
Review von Matthias MantheUnser Gedächtnis ist ein großer Fälscher. Strapaziertes Exempel: Verwandte gesetzten Alters. Wenn die anfangen, von den Good Old Days zu schwärmen, winken wir Berufsjugendlichen nur müde ab oder schalten zumindest geistig auf Durchzug. Oma und ihr Gerede vom "Früher war alles besser". Schon klar, damals nach dem Krieg, da gab es noch Werte usw. usf.
Als weithin hemmungsloser im Geschichteverdrehen erweist sich allerdings die Popmusik. In ihren mannigfaltigen Retroesken brachte sie in den Neunzigern Schlager und Schlaghose zurück, um zuletzt vorrangig die Achtziger genüsslich durchzukauen. Ein Jahrzehnt, das bis vor nicht so langer Zeit bloß noch als Werbepausenfüller via "Time Life Music"-Sampler diente.
Plötzlich war kalte New Wave-Künstlichkeit wieder en vogue und die Eighties ein Füllhorn charmanter Erinnerungen. Spätestens Anno 2007 steht nun unter dem Neunziger-Banner. Alle sind sie wieder da: Die Class of Eurodance (Snap), der Grunge (Navel) und die funktionale Dance-Musik, die den Techno-Minimalismus in den Clubs abgelöst hat. Und auch der Shoegaze-Sound klopft in Form der Silversun Pickups fröhlich an die Gedächtnistür.
Die Cali-Boys'n'Girls mögen noch so penetrant als Post-Irgendwas deklariert werden, diese verwaschenen Gitarrenwände, solch schwärmerische Sänge, das prasselnde Schlagzeug, der überbrodelnde Bass ... Derartige Noise-Glut kennen wir in erster Linie von den Genre-Großeltern My Bloody Valentine. Aber nicht nur das Herz des Gitarrenverzerrer-Freundes macht jetzt natürlich Freudensprünge - das hier könnte ganze Emo-Heere endlich auf die gute Seite ziehen.
So geschehen in den USA. Silversun Pickups fahren auf Mischreifen aus ungestümer Beschwingtheit und Winterdepression Richtung Sonnenuntergang und Sternenmeer, dass es das Dreampop-Quartett dort glatt zu Helden der Adoleszenz geschafft hat. Mit sounddesignter, dennoch diffusionslastiger Perfektion zelebrieren sie dEUSsche Verdüsterung, fahren Ash-Indiepop gegen die Schallwand, öffnen wie Amusement Parks On Fire Traumräume.
Man kippt von gänsehautiger Teenage Angst, die ganz frühe Foo Fighters zitiert, in My Vitriol-Schroffesse. Bitte widmen Sie fünf Minuten Ihrer Zeit der unaufhaltsamen Überhymne "Future Foe Scenarios". Aber die Referenzliste hört hier nicht auf: "Lazy Eye" ist die Reinform eines erhebenden Smashing Pumpkins-Hits, wohingegen sich "Rusted Wheel" in gefährlicher Nähe zu den Altherren U2, befindet, aufgrund des Jugendfaktors aber trotzdem umgehend Herzen gewinnt.
Nicht zuletzt dank Silversun Pickups werde ich später etwaigen Enkeln von den seeligen Neunzigern vorschwärmen. Ohne mir die Hände an NuMetal schmutzig machen zu müssen. Jetzt freue ich mich fast aufs Alter.
13 Kommentare
Super Band.
Hab sie letzte Woche als Vorband von den Kaiser Chiefs gesehen - Top.
Och Mano.
Ich will aufs Konzert von denen, aber ich hab sie ja scheinbar schon wieder verpasst.
Echt schöne Musik... lange nichts mehr derart gefühlvolles gehört. *in erinnerungen schwelg*
wieder ausgegraben und es wird immer besser
Southside!
Sehr gutes ALbum
Super Stimme und Shoegazer Zitate.
wo ist die Review für den Nachfolger?