laut.de-Kritik

"Schiffe gucken, Schnauze halten". So einfach geht Glücklichsein.

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"Alles Dreht Sich" - aber einer bleibt auch bei Turbulenzen immer ganz relaxt. Und kann dann, wie auf vorliegendem Album, ganz in Ruhe die kleinen Beobachtungen des Lebens in richtig gute Songs kleiden. Natürlich mit viel hanseatischem Charme und eben dieser unverwechselbaren Soul-Seebären-Stimme.

Für die nachdenkliche Bestandsaufnahme von Wünschen und Sehnsüchten im Opener "Mein Meer" dient die passende Meeresmetaphorik. Die "Handvoll Liebe" könnte in falschen Händen eine oberflächlich-gefühlsduselige Gutmenschen-Nummer gebären. Doch Gwildis setzt vor einem musikalisch tadellos umgesetzten Hintergrund Klartext-Beispiele für gegenseitigen Respekt und Toleranz.

"Doppelhaushälftenherz" hüpft auf 70s-Beats umher und wenn Gwildis dann zum tiefen "Oh Baby" ansetzt, ist die große Verbeugung vor Soul-Schwergewicht Barry White offensichtlich. Textlich bietet die Nummer einen originellen Blick aufs Mittelstandsdasein einer vernachlässigten Ehefrau. Der zündende Kunstgriff: Gwildis singt hier aus der Perspektive eines Bofrost-Ausfahrers, der aufgrund seiner jahrelangen Lieferungen genau weiß, was seine Kundin bewegt. Etwa die Verachtung des angesagten Diätwahns: "Jedes Gramm an dir ist göttlich / du hast es bestellt / ich hab' es dir geliefert".

Im Titelsong "Alles Dreht Sich" vermischt der George Clooney des deutschen Soul dann wieder Pop mit Jazz-Elementen. Das als "hanseatische Meditation" gepriesene "Pollerhocken" bietet einen mit flirrender Hammondorgel ausgestatteten Vorschlag zum Entspannen: "Schiffe gucken / Schnauze halten". So einfach geht Glücklichsein. In "Wo Wir Hingehen" setzt sich der Sänger behutsam mit dem Thema Altersdemenz auseinander.

Gwildis präsentiert mit "Alles Dreht Sich" erneut ein geschmackvoll angerichtetes Adult Pop-Menü, das er auch mal mit Easy Listening ("Sonntag") oder südamerikanischen Klängen ("Naja Naja") abschmeckt. Waghalsige Experimente hat der Fan natürlich nirgends zu befürchten: Der Hamburger bleibt in seinem erprobten Fahrwasser und drückt dem Sound seinen besonderen Racke Rauchzart-Stempel auf.

Trackliste

  1. 1. Mein Meer
  2. 2. Naja Naja
  3. 3. Handvoll Liebe
  4. 4. Doppelhaushälftenherz
  5. 5. Alles Dreht Sich
  6. 6. Pollerhocken
  7. 7. Zu Dir
  8. 8. Alles Gute
  9. 9. In Meiner Kathedrale
  10. 10.
  11. 11. Wo Wir Hingehen
  12. 12. Sonntag

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LAUT.DE-PORTRÄT Stefan Gwildis

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1 Kommentar

  • Vor 9 Jahren

    Meine Rezension bei amazon zur CD möchte ich hier gern beitragen:

    Hamburger Philosophie - Harlem goes Hamburg

    Soll man "Haben" oder "Sein" bevorzugen?
    Kann man gar nicht beantworten oder wenn, dann höchstens mit "Nö!", wie im Stück auf "Alles Dreht Sich".

    Stefan Gwildis ist durch unglaublich authentische Soul-Musik mit deutschen Texten bekannt geworden.
    Bislang gefielen mir seine Eigenkompositionen nicht immer genauso gut wie die Ami-Originale.
    Aber spätestens beim Album "Frei Händig" hat sich der Sänger von den großen Vorbildern gelöst und fast nur noch eigene und eigenständige Songs vorgelegt.

    Diese Soul-Stimme!
    Diese Melodien und Akkorde!
    Die Texte sind ebenso gut. Man muss manchmal darüber nachdenken und interpretieren und kann sie nicht immer vollständig verstehen, weil nicht alles ausgesprochen wird. Das macht gerade ihren Reiz aus.

    Die aktuelle CD beginnt mit einer Liebeserklärung an das Meer. Oder steckt noch mehr dahinter als nur der Ozean?

    "Naja Naja" beschreibt, dass wir Deutschen durchaus brasilianisches Feuer im Blut haben, sogar so westfälische Kaltblüter wie ich :-) . "Jeder kann das!"

    In "Handvoll Liebe" wird auf sehr zurückhaltende Weise unser aller Grundbedürfnis (Liebe, Respekt, Toleranz) thematisiert, ohne irgendwelche erzieherische Absicht, stattdessen mit feinstem "SEELEN-Feeling".

    "Doppelhaushälftenherz": Lass dein Leben nicht nur durch die materiellen Dinge bestimmen, versuche einfach mal zu leben. Du hast nur die eine Existenz. Meine sehr freie Interpretation des humorvollen und fast schon satirischen Textes.

    Der feine 6/8-Takt im Titelstück macht einem das Herz leicht. "Spiel dein Spiel und alles ist im Fluss."

    Manchmal muss man einfach mal die "Schnauze halten" und sich auf die Poller hocken, wenn's einem schlecht geht. Die funky Bläser-Section pustet einem den Blues aus dem Kopf. "Du wirst sehen: ... alles, alles kommt wieder ins Lot."

    Eines meiner Lieblingsstücke ist "Zu Dir". Die Ballade beschreibt die Liebe zu ...? Das weiß der Hörer nicht. Ist es ein religiöses Stück? Geht es um eine große Liebe, vielleicht sogar einen verstorbenen Verwandten? Das Stück geht dir nicht mehr aus dem Kopf. Harlem goes Hamburg! "Alle Wege führn zu dir ..."

    "Mönsch, nu feier doch deinen Geburtstag," (in meinen Worten), "trauer nicht." Ein Ständchen für einen Unbekannten. Eine Hymne auf das Leben.

    "In meiner Kathedrale" ... wieder etwas melancholisch. Abschied - aber mit positiven Untertönen. Wir sehen uns wieder!

    "Nö!" Wenn man diese fetzige Musik nicht gut finden kann, ist Hopfen und Malz verloren :-) "Ansatzlos wie eine Bö: ... Nö." Knackig und mitreißend wie kaum ein Stück, das ich in meinem 57-jährigen Leben bisher hören durfte.

    "Wo gehen wir mal hin?" Diese Frage bestimmt das Stück Numero 11. Stefan kann Balladen. Wer daran noch zweifelt, möge sich das mal anhören.

    Der Schluss-Bossa Nova "Sonntag" ist für mich der Text mit dem größten Interpretationsspielraum. "Uli, nun streng dich doch mal an, was hat Stefan gemeint? Schreib mal einen Aufsatz drüber."
    NÖ!
    Bitte kauft die CD und bildet euch eine eigene Meinung. Ihr könnt mir den Text von "Sonntag" dann ja mal erklären.

    Ein Meisterwerk hat Stefan da geschaffen, ohne quälend lange Soli, immer auf den Punkt, wie es seine hanseatische Art is