laut.de-Kritik
Von links affiger Spaß, von rechts intellektuelles Ironischsein.
Review von Katja ScherleStereo Total zwingen zum Überdenken der Hörgewohnheiten. Laufen sie nur nebenher, wirken sie schnell albern und überdreht. Lauscht man ihnen allzu aufmerksam, reagiert man mitunter fassungslos über so viel anstrengendes Andersseinwollen. Von links affiger Spaß, von rechts intellektuelles Ironischsein – total stereo eben. Und die Wahrheit liegt wohl, man ahnt es schon, dazwischen.
Nach dem Best-of-Album liefert "Paris – Berlin" nun neue Töne der franco-deutschen Musik-Allianz. Rhythmisch rudert der Longplayer fast immer in den gleichen, wohlbekannten Fahrwassern: Schneller Tanzpop wird gespickt mit allem, was der Computer hergibt, gerne kommen auch Streicher und Hall zum Einsatz. Oft werden wahllos verschiedenste "lustige" Klangeffekte platziert.
Heraus kommt ein bunt verspieltes Potpourri, das manchmal so mutwillig süß und spaßig anmutet wie von einer Kindergartengruppe gebastelt. Hysterisch hoher Mädchengesang, der sich ja so gar nicht darum schert, immer hundertprozentig den Ton zu treffen, untermalt beispielsweise im Refrain "Miss Rébellion Des Hormones". Zusammengehalten wird das Album oft nur von verschiedenen, hübsch anzuhörenden Bassläufen.
Textlich scheint die Band nicht von so genannten heißen Eisen lassen zu können. Das Leben als Stricherjunge inszenieren Brezel und Francoise raffiniert als scheinbar lässigen Comic: Flankiert von bewusst schrägen Bläser-Zwischenrufen singt Göring von der täglichen Prostitutionspraxis: "Und wenn ein Wagen hält, dem meine Hose gefällt, hol ich ne Fluppe raus und mach die Gage aus".
"Plus Minus Null" rechnet in überspanntem, immer schneller gedrehtem countryesken Rhythmus das niederschmetternde Geben und Nehmen der Liebe auf. "Komplex Mit Dem Sex" ist da noch angenehm langsam. Wie immer unbekümmert, ob Rhythmus und Reim auch nur annähernd zusammenpassen, erzählt Francoise Cactus von ihrer (?) Libido, die "ein Fiasko" ist. Mit Texten über eine Frau mit Penis und einen Mann mit Titten begeben sich Stereo Total auf eine Mission, die Filme wie "Transamerica" dennoch ein wenig liebenswürdiger aufgeworfen haben.
Es ist doch anzunehmen, dass die beiden Wahl-Berliner sehr wohl wissen, wie schnell ihre Musik die Nerven aufreibt. Und weil sie das wissen, wirkt "Paris - Berlin" auch nicht wie ein verzweifelter Versuch, einer Szene entsprechen zu wollen, die so unbedingt darauf aus ist, schrecklich individuell zu sein. Stereo Total liefern schlicht eine nette Ansammlung von meist tanzbaren Musikstückchen, die allerdings nicht so einfach am Stück zu hören sind.
5 Kommentare
Schöner Text - und will sich so gar nicht auf das Niveau der "Wir-Sind-Fulltime-Individualisten"-
Musiker herablassen.
Die semi-melodische Schrammelmusik wird noch getoppt vom lässig überbetonten französich' Nuschel-Akzent der Sängerin, die leider nur sporadisch den Ton trifft. Manchen gefällt das, ich empfinde es nur als anstrengend wenn solche Experimente konstant einen Halbton danebenliegen.
Nichts gegen Experimentelle Garagenbands wie Neubauten und Peter Licht, aber ein gewisses Niveau sollte es schon haben.
Willst du die Neubauten etwa mit Stereo Total und Peter Licht in einen Topf stecken?
Nicht schön, das.
Außerdem bezweifle ich, dass man die Neubauten als Garagenband bezeichnen kann.
@mama_plazda (« Nichts gegen Experimentelle Garagenbands wie Neubauten und Peter Licht, aber ein gewisses Niveau sollte es schon haben. »):
du bist lustig.
Die Neubauten kann man in den Anfängen sehr gut als Garagenband bezeichnen.
„Sei schlau, klau beim Bau!“ war früher nicht umsonst das Motto. 'Collaps' und 'Stahlmusik' bestehen grösstenteil eher aus Industrial Lärm und Klängen, Blixa schreit auch die meiste Zeit eher als zu singen.