1. März 2018

"Die Rolling Stones-Tickets waren extrem teuer!"

Interview geführt von

Weil ihnen "White Bear" in Retrospektive zu hart ausfiel, stellten sich The Temperance Movement beim Schreiben von "A Deeper Cut" die Identitätsfrage. Wie die Antwort darauf ausgefallen ist, was sich Rocker von Rappern abschauen können und wie sich Ticketbetrug auf die Fanbase einer Band auswirken kann, verrät Gitarrist Paul Sayer im Interview.

Auch der Verlust zweier Gründungsmitglieder konnte The Temperance Movement nicht aus der Spur bringen. Zwar stützen sich die inzwischen mit den Neuzugängen Matt White und Simon Lea an Gitarre und Drums ausgestatteten nach wie vor stark auf die Einflüsse von Vorbildern im Classic- und Blues-Rock Briten, gehen ihren Weg dabei aber selbstbewusster als je zuvor.

In den nur gut sechs Jahren ihrer Existenz mauserten sie sich von der Vorband der Rolling Stones zu einem Act, der spielerisch selbst als Headliner große Crowds unterhält, und außerdem zum Zugpferd ihres Labels Earache. Im Berliner Ramones-Museum trafen wir Gitarrist Paul Sayer, um über das dritte Album "A Deeper Cut" zu plaudern.

Das dritte Album wird gern als karrieredefinierender Moment betrachtet. Fühlt es sich wie einer an?

Hahaha. Ich schätze, es ist mehr eine Reise. Die Band hat einige Veränderungen hinter sich. Da uns einige Mitglieder seit dem Vorgängeralbum verlassen haben, ist es wohl ziemlich karrieredefinierend, dass wir es bis hierhin geschafft haben. Wenn zwei wichtige Personen sich verabschieden, gibt es zwangsläufig einen Moment des Hinterfragens. Und dann stellst du fest: Das ist, was ich tun möchte; wir werden neue Leute finden. Wie wahrscheinlich viele andere Bands fragten wir uns während dieses Prozesses, wofür die Band stehen sollte. Wir realisierten, dass wir einfach eine Platte aufnehmen und aufhören sollten, uns Sorgen zu machen. Würde es nach Songwriting und Recording nicht richtig klingen, könnten wir uns immer noch Sorgen machen. Als wir an das Album herangingen, dachten wir deswegen nicht an etwas Karrieredefinierendes, sondern einfach: "Ziehen wirs durch."

Eure ersten beiden Alben waren in den Charts recht erfolgreich. Kommt damit ein gewisser Druck? Vielleicht nicht während des Schreibprozesses, aber jetzt, da es an Promotion und Veröffentlichung geht?

Ich bin sehr stolz auf die Platte. Ich finde, es ist unsere beste bisher. Die Reaktionen der Leute, die sie schon gehört haben, fielen großartig aus. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass das Album einen guten Stand haben wird und – viel wichtiger –, dass die Leute es mögen werden. Ich bilde mir auch ein, dass vielleicht von außen einiges karrieredefinierend wirkt, während wir selbst es nicht so wahrnehmen. Immerhin stecken wir jeden Tag hier drin, sodass es sich wie eine Reise anfühlt. Klar: Ein Albumrelease ist ein wichtiger Moment. Aber was wir uns in erster Linie davon erhoffen ist, dass unser Publikum weiter wächst. Ich erwarte keineswegs, dass wir von einem auf den nächsten Tag plötzlich vor 50.000 Leuten spielen werden. Ich weiß, dass das nicht passieren wird. Was ich durchaus erwarte, ist, dass mehr Leute drauf stehen werden.

Es soll die alten Fans zur Treue animieren und neue anziehen.

Genau. Wir wollen wachsen. Danach streben wir mit der Platte und viel mehr kannst du dir wahrscheinlich gar nicht wünschen.

Langsames, aber stetiges Wachstum ist für eine Band wohl auch gesünder als abrupte Popularitätsschübe.

Hundertprozentig! Guck dir doch mal Leute an, denen sowas passiert: Ein Jahr später sind sie wieder unten. Wir wissen, dass das, was wir haben, auf sehr stabilem Boden gebaut ist. Wir haben super Fans, die wirklich lieben, was wir tun. Und: Sie lieben das Album, nicht nur eine Single. Wir wissen auch, dass unsere Musik nicht neben Katy Perry, Beyoncé und Ed Sheeran im Radio laufen wird. In dieser Welt ist es durchaus möglich, zur Über-Nacht-Sensation zu werden. Aber in dieser Welt existieren wir nicht. Aber das ist cool, wir wollen gar nicht dort existieren – wir machen etwas anderes. Plötzliche Explosionen wird es bei uns nicht geben. Stattdessen geht es bei uns darum, gute Shows zu spielen, gute Alben aufzunehmen. Es dauert zwar so eine lange Zeit, aber irgendwann sind wir vielleicht trotzdem ganz oben, hahaha.

Du hast vorhin schon kurz die neuen Mitglieder erwähnt. Waren sie ins Songwriting involviert?

Ja. Matt (White, Gitarre; Anm. d. Red.) stieß ja bereits kurz nach den Aufnahmen zu "White Bear" zur Band. Er musste also gut zwei Jahre lang mit einer Platte touren, an der er nicht beteiligt war. Unsere Intention war aber stets, dass jedes Mitglied der Band auch beim Songwriting mitmischt. Klar trägt jeder so oder so zur Musik bei, aber die Motivation, zwei Jahre lang mit Material zu touren, ist wahrscheinlich größer, wenn du daran beteiligt warst. Zwar ist "A Deeper Cut" das erste Album, auf denen Matt und Simon (Lea, Drummer; Anm. d. Red.) zu hören sind. Aber wie gesagt: Mit Matt tourten wir bereits eine Weile. Und Simon kenne ich bereits seit langer Zeit und bevor wir ins Studio gingen, spielten wir ja auch noch viele Konzerte mit ihm. So "neu" fühlte es sich also alles gar nicht an, sondern sehr natürlich.

Fühlte es sich letztlich genauso an, wie noch mit Luke Potashnik und Damon Wilson?

Ich würde nicht sagen, dass es sich "genauso" anfühlte, aber da wir vor der Studiozeit bereits 18 Monate zusammen Musik gemacht hatten, auf jeden Fall natürlich. Mit der Zeit verändern sich die Dinge innerhalb einer Band ja auch unabhängig vom Line-Up. Wenn du zwei Jahre nach der Veröffentlichung eines Albums das nächste in Angriff nimmst, ist alles anders: Vielleicht gehst du in ein anderes Studio, vielleicht hörst du andere Musik, vielleicht willst und spielst du andere Dinge. Deshalb wirst du nie ins Studio gehen und alles "genauso" machen können wie zuvor.

Stimmt es, dass der Hauptgrund für Luke und Damon, die Band zu verlassen, das harte Tourleben war?

Es spielte sicher eine große Rolle, ja. Wir hatten keinen großen Streit oder sowas. Das Touren kann dich zermürben. Entweder du bist dafür gemacht oder eben nicht.

Wie geht ihr anderen denn damit um?

Ich liebe und genieße es. Ja, zuhause gibt es Menschen, die ich vermisse, wenn ich unterwegs bin. Aber ich weiß, dass ich nicht in einem Büro arbeiten werde. Das wird nie passieren. Diese Option fällt also weg. Natürlich gab es auch schon harte Momente – aber jeder hat harte Momente im Leben, egal ob du nun in einem Büro fünf Minuten von Zuhause entfernt arbeitest oder in einer tourenden Band. Manche Leute sitzen am Schreibtisch und hadern mit sich, weil sie ihr Kind die ganze Woche lang nicht gesehen haben – sie müssen früh um Sieben raus, kommen um Acht wieder heim und hassen das. Ich liebe, was ich tue und ich weiß trotz der gelegentlichen Nachteile, dass es das ist, was ich tun möchte. Und andere Menschen möchten ebenfalls, dass ich das tue. Außerdem: Stimmt, wir sind viel unterwegs – aber wenn wir mal zuhause sind, müssen wir nicht um Sieben aufstehen und ins Büro gehen. So kann ich ganz anders Zeit mit meiner Familie verbringen als Leute, die jeden Tag in die Arbeit müssen und nur das Wochenende haben.

"Was ein trendy DJ sagt, spielt keine Rolle!"

Phil befand in einem Interview "White Bear" als zu heavy für eure Band. Stimmst du dem zu?

Wir sind sehr stolz auf das Album, aber ja: es fällt wohl etwas heavier aus als die Band natürlicherweise ist. "White Bear" ist definitiv heavier als das Meiste, was ich selbst als Musikfan höre. Das gleiche gilt für Phil und wahrscheinlich auch für die anderen Mitglieder. Aber letztendlich geht es doch bei Musik genau darum, mit anderen zusammenzukommen, sich gegenseitig die Bälle zuzuwerfen und etwas Gemeinsames zu schaffen. Plötzlich ploppt ein Album raus und du stellst fest: "Oh, das ist heavy." Wir hatten vielleicht nicht vor, ein hartes Album zu schreiben, trotzdem entstand eines. Das ist doch super und hat definitiv Charme. Bis es fertig ist, weißt du nie sicher, was es werden wird. Aber grundsätzlich denke ich, dass Phil mit seiner Aussage recht hat. "A Deeper Cut" ist wahrscheinlich repräsentativer für die Identität der Band und zeigt auch besser, worauf wir als Hörer musikalisch stehen.

Ich stelle bei mir selbst auch ab und zu fest, dass ich zwar viel Spaß daran habe, bestimmte Stile zu spielen, denen ich als Hörer kaum etwas abgewinnen kann.

Klar, genau. Spielen und Hören sind zwei total verschiedenen Dinge. Und jeder der Musik macht, verfügt über bestimmte Kanäle dafür. Bei mir ist es die Gitarre. Es gibt auch elektronische Musik, die ich gern höre, die aber keine Gitarre in sich trägt. Als Musikspieler gibt es darin rein gar nichts für mich zu holen. Vielleicht höre ich es genau deswegen – als Pause und Flucht. Als Songwriter oder Produzent kann das allerdings trotzdem Einfluss sein. Und genauso gibt es Gitarrenmusik, die für mich als Hörer total uninteressant ist, von der ich mir aber als Gitarrist viel abschauen kann.

Kann man den Titel des neuen Albums – "A Deeper Cut" – so verstehen, dass ihr nun auch in der Musik "tiefer" gehen wolltet?

Total. Ich weiß nicht, ob es für die Phrase "A Deeper Cut" auch eine deutsche Entsprechung gibt, aber bei uns beschreibt man damit einen Albumtrack – und zwar nicht die am Anfang stehende Single, nicht das Zeug, das in der Main-Rotation im Radio gespielt wird, aber ein Lied, das die Band repräsentiert. Sowas findest du zum Beispiel dann in Late Night-Specials. Song Nummer 8 wäre zum Beispiel eine typische Position für einen "Deeper Cut".

Also gewissermaßen eine Reflexion dessen, wofür die Band steht – aber nicht auf Song-, sondern auf Albumlänge?

Gewissermaßen, ja. Wir glauben noch immer an das Format Album und das Album als Gesamtwerk. Wir möchten, dass die Leute das ganze Paket lieben. Einiges in diesem Paket ist radiofreundlich, anderes eher nicht. Das heißt jedoch nicht, dass letzteres weniger wichtig wäre. Das ist das eine und zum anderen spielte auch das mit rein, was du meintest: tiefer zu gehen. Wofür stehen wir? Wie können wir das tiefer ausdrücken? Wozu sind wir als Band in der Lage? Was sind unsere Einflüsse? Musikalisch sind wir auf dem Album viel breiter aufgestellt als bei den Vorgängern. Das war eine bewusste Entscheidung. Wir wussten, dass wir zu all dem fähig waren, auf den bisherigen Platten kommt das allerdings nicht so durch – warum eigentlich nicht?

Apropos Einflüsse: Ihr habt da diesen Song "Backwater Zoo". Anfangs klingt das höllisch nach Elton John, bevor ihr plötzlich in Richtung "Flashdance" abbiegt!

Hahahaha.

Besonders zu Beginn eurer Karriere wurdet ihr wegen Phil Vocals gerne mit AC/DC verglichen. Sorgt ihr euch manchmal darum, Ähnlichkeiten zu anderen Bands aufzuweisen?

Wir hatten definitiv eine Phase, in der uns das sehr beschäftigte, aber jetzt nicht mehr. Wir gehen ja nicht ins Studio, legen Rolling Stones auf und sagen dann: "Let's go, lasst uns das kopieren." Wir wissen, dass wir ehrliche Musik mit Anstand machen. Wir haben eben viel Stones, Beatles, Faces und Elton John gehört – das ist in uns drin! Es ist die Musik, die wir lieben, also kommt sie am anderen Ende eben auch wieder raus. Das wird jetzt zwar eine recht lange Antwort, aber ich hole mal etwas aus. Wir werden oft als Classic Rock-Band bezeichnet, nicht wahr?

Kann man so sagen.

Eine Weile hat uns das richtig angepisst. Der Grund, warum uns das anpisste, war, dass der Mainstream, Pop-Medien und Co., entschieden hatte, dass das – warum auch immer – uncool ist. Wir denken aber keineswegs, dass das uncool ist. Wir sind der Meinung, die Stones sind die tollste Band aller Zeiten! Wir erlauben diesen Mainstream-Leuten, allen zu erzählen, es sei uncool! Bis wir es irgendwann selbst glauben! Es dauerte eine Weile, bis wir das realisierten, doch dann sagten wir einfach: "Fuck it. Es ist cool!" Dieser trendy DJ sagt vielleicht, es sei uncool, aber spielt das eine Rolle? Deswegen beschäftigte uns das Classic Rock-Label sehr – nicht weil wir AC/DC nicht mögen, sondern ...

... weil man euch damit einen Stempel aufgedrückt hat.

Ganz genau. Und dieser besagte, dass wir in der heutigen Musikindustrie keine wirklich Relevanz besitzen. Auf einmal kapierte ich aber, dass ich jeden Abend auf der Bühne stehe und 2.000 Leute vor mir uns durchaus für relevant halten. Das zählt! Wir können uns nicht von dem losschneiden, an was wir musikalisch glauben – nur wegen der Worte einiger Schwänze! Inzwischen sind wir mit uns im Reinen und stehen zu dem, was wir lieben. Und wir lieben auch Pearl Jam, Nirvana, Ryan Adams und James Blake. Wenn ihr uns in diese Schublade stecken möchtet – okay! Ihr vergleicht uns damit mit einigen der größten Bands überhaupt.

"Wir machen nicht das Bestmögliche aus unserer Szene"

Themenwechsel: Ihr habt vor einer Weile bei einigen Akustikshows ein neues Ticketing-System probiert, um teure Weiterverkäufe zu verhindern. Um sicherzustellen, dass Fans und keine Großeinkäufer die Karten abgriffen, musste man vor dem Kauf einige Fragen zur Band beantworten. Glaubst du, das könnte ein Modell für die Zukunft sein?

Die Akustikshows fanden in kleinem Rahmen statt und wir wussten, dass mehr Leute würden dabei sein wollen, als Karten verfügbar waren. Also wollten wir einerseits sicherstellen, dass die Tickets an Fans gehen, und andererseits, dass sie nicht am nächsten Morgen für das Doppelte verhökert werden. Die Methode, die wir dafür anwendeten, stellte sich aber als zu kompliziert heraus. Logistisch verwandelte sich das Ganze in einen Albtraum und ging nach hinten los. Aber wir glauben definitiv an die Idee dahinter. Ich hoffe, dass es sich zu einem zukunftsträchtigen Modell entwickelt. Aber ich weiß nicht, ob das passieren wird. Im Ticketing gibt es einige unfassbar mächtige Unternehmen. Und die Wahrheit ist: Eine Band wie wir ist auf diese Unternehmen angewiesen. Sie sind wesentlicher Teil der Industrie, wir brauchen sie, um zu funktionieren. Aber wir sind auch definitiv der Meinung, dass etwas falsch läuft, wenn am Tag des Vorverkaufstarts Tickets zu horrenden Preisen an unsere Fans weiterverkauft werden. Daran muss sich in Zukunft etwas ändern. Es muss sich nur ein andere Weg finden als der, den wir ausprobierten. Wobei ich auch dazu sagen möchte, dass es bei größeren Konzerten ein weniger großes Problem darstellt, da einfach mehr Karten verfügbar sind und die Leute länger Zeit zum Kaufen haben.

Denkt ihr über Alternativlösungen nach?

Kürzlich veranstalteten wir wieder eine Tour in kleinerem Rahmen und handhabten den Vorverkauf gestaffelt. Ein gewisses Kontingent war bereits vor offiziellem Verkaufsstart verfügbar, aber das machten wir nicht öffentlich, sondern achteten darauf, dass nur bestimmte Leute davon Wind bekamen. Der offizielle Vorverkauf begann am Freitag, aber es gab einen Ort im Netz, wo du bereits am Donnerstag zuschlagen konntest. Wir machten unsere Mailing-List und zum Beispiel eine Fangruppe darauf aufmerksam. Vielleicht liege ich falsch, aber ich glaube, so konnten wir zumindest die automatischen Kaufmaschinen ausschließen.

Weißt du, was schlimm ist? Einige Fans denken ja, dass wir von den Weiterverkäufen auch irgendwie profitieren. Aber das tun wir nicht. Wir sehen, dass Tickets zu einer Show, die eigentlich 20 Euro kostet, tags darauf für 200 Euro zum Verkauf steht und gleichzeitig, dass unsere Fans pissig auf uns sind, dass sie diesen Preis bezahlen müssen. Wir kriegen davon rein gar nichts ab, außer den Ärger unserer Fans. Der Grund, warum wir in der Lage sind, die Band als unseren Job zu betreiben, ist, dass Fans Tickets zu unseren Shows kaufen. Dessen sind wir uns sehr bewusst. Warum sollten wir dieses Verhältnis missbrauchen?

Würdest du selbst überteuerte Re-Sale-Tickets kaufen, wenn du ein ausverkauftes Konzert unbedingt sehen möchtest?

Bisher habe ich es noch nicht getan. Aber es würde wahrscheinlich vom Künstler abhängen...

Für wen würdest du denn zahlen?

Hm, gute Frage ... Naja, schau: Ich habe durchaus schon sehr teure Konzerttickets gekauft – zum Originalpreis zwar, aber nichtsdestotrotz sehr teuer. Tickets für die Rolling Stones zum Beispiel waren extrem teuer. Aber wenn ich die Stones wirklich würde sehen wollen, würde ich das wahrscheinlich hinlegen – preislich sicherlich mehr als so manches Schwarzmarktticket. Das Ding ist wohl der moralische Standpunkt. Denn wenn du Weiterverkäufe wahrnimmst, unterstützt du den Markt ja, finanzierst ihn mit und kannst dich eigentlich nicht mehr drüber beschweren. Ich schätze, die richtige Antwort auf die ursprüngliche Frage ist deshalb 'Nein', hahaha.

Da du die Stones schon angeschnitten hast: Ihr habt einige Shows als Supportact für sie absolviert. Die Stones sind zwar jetzt ein extremes Beispiel dafür, aber würdest du zum jetzigen Stand eurer Karriere generell noch Supportslots in Erwägung ziehen, wenn Angebote reinkämen? Oder seid ihr inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem ihr ausschließlich als Headliner wahrgenommen werden wollt?

Wie du sagst sind die Stones ein Extrembeispiel. Aber ganz abgesehen davon: Wie vorhin angesprochen bekommt die Rockszene momentan lange nicht so viel Unterstützung vom Mainstream wie zum Beispiel Pop und Hip Hop. Aber nach wie vor gibt es Millionen von Leuten da draußen, die Rock lieben. Wir müssen Wege finden, diese Leute zu erreichen. Ein Supportslot im Vorprogramm einer größeren Band ist ein super Weg dafür. Also ja: Wir würden es definitiv wieder tun. Ich habe außerdem das Gefühl, dass sich Rockbands aus irgendeinem Grund aktuell nicht wirklich zusammenschließen. Wir machen nicht das Bestmögliche aus unserer Szene. Jeder arbeitet für sich allein vor sich hin. Schau dir dagegen mal die Hip Hop-Welt an: Sie touren alle zusammen, featuren sich gegenseitig in Tracks. Diese Attitüde sollte sich auch in unserem Bereich mehr niederschlagen. Wir sind eine Szene! Ich würde deshalb auch wahnsinnig gern mit Bands auf Tour gehen, die in etwa dieselbe Größe wie wir haben. Vielleicht könnte man die Headlinerposition jeden Abend wechseln. Wir müssen rausgehen und den Leuten, die auf unsere Musik stehen, tolle Shows bieten. Wir müssen das Gefühl vermitteln – sowohl den Bands als auch den Fans –, Teil von etwas zu sein, das mehr ist als nur eine Band.

Yoshiki, der Leader von X Japan, äußerte sich kürzlich ganz ähnlich. Er ist der Meinung, Featuring ist die Zukunft des Rock.

Vielleicht sollten wir ihn als erstes fragen, was gemeinsam zu machen, haha. Ja, ich finde, das ist ein guter Punkt. Denn wie gesagt: Es herrscht aktuell gewisse Negativität gegenüber Rock'n'Roll. Weil es sich dadurch anfühlt, als würden wir um begrenzten Raum kämpfen, werden in der Folge einige Leute sehr beschützerisch und schirmen ab, was sie haben. Doch es gibt genug Rock-Ticket-kaufende Leute für alle! Wir müssen daran arbeiten, positiv an die Sache ranzugehen und wirklich eine Szene zu formen. Das wird auch helfen, Rock zurück nach vorne zu bringen. Denn schau dir mal die Stones an: Sie können jede beliebige Stadt der Welt bespielen und 80.000 Tickets verkaufen. Also erzähl mir nicht, es gäbe zu wenig Rockfans. Du musst sie nur finden. Das geht am einfachsten, indem wir alle zusammenarbeiten.

Zumal Rocker gewohnt sind, Supportbands zu hören. Viele würden sich vermutlich auch zum Konzert kommen, wenn die Band, die sie sehen möchten, nicht den Headline-Slot bekleidet.

Ja, absolut! Vor allem sind es Leute, die generell zu Konzerten pilgern, statt sich einmal im Jahr eine Karte für Taylor Swift oder Ed Sheeran zu kaufen. Sie sind gewohnt, öfter zu gehen. Und sie suchen ständig nach neuer Musik – weil sie Musikfans sind.

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