laut.de-Kritik

Astreiner Death-Metal - und Mister X am Mikro.

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Die Verwirrung ist komplett. Höre ich jetzt auf meiner Version den ominösen Mister X oder noch CJ McMahon? Jenen McMahon, den die Band im September nach seinem transphoben Kommentar zu einem Video, das Geschlechterdiversität bei Kindern thematisierte, feuerte und den Albumrelease daraufhin kurzfristig um eine Woche verschob? CJ hatte auf Instagram über eine Mutter geschrieben, die ihr Kind das Geschlecht frei wählen lassen wollte, man "hätte sie zu Tode verbrennen sollen."

Thy Art Is Murder lassen in ihrem Statement nach der Veröffentlichung auf jeden Fall keinen Zweifel an dem Rauswurf und den neuen Gesangsspuren – und die Deathcore-Szene brennt: Sänger wie Alex Terrible von Slaughter To Prevail eilen McMahon zu Hilfe und fordern den Boykott, andere Fans wiederum unterstützen die Entscheidung.

Im Endeffekt sollte die klare Haltung der Bandmitglieder um Gitarrist Sean Delander niemanden verwundern, wurde doch 2008 schon der erste Sänger Brendan Van Ryn nach Kritik an frauenfeindlichen Texten auf der Debüt-EP "Infinite Dreams" entlassen. Auch danach nahm die Band ihre linksgerichteten Wurzeln und ihren Kampf gegen Sexismus und Rassismus sehr ernst, als man zum Beispiel 2013 im Vorfeld eines Auftritts mit den Veranstalter:innen des berühmten Leipziger Conne Island ausgiebig diskutierte.

Dabei ist die generelle Diskussion eine klassische: Man kennt sie bereits aus der Hardcore-Szene seit den 90ern, als damals reaktionäre, fast faschistische Tendenzen auf die linksgerichten Idealisten trafen.

Ironischerweise liefern Thy Art Is Murder musikalisch mit "Godlike" statt eines Hardcore-Bretts ein astreines Death-Metal-Album ab. Immer wieder forcieren die Australier auf den zehn Tracks ihrer sechsten Platte das Tempo im Stile von At The Gates, inklusive melodischer Leadgitarre oder sparsamer Synthie-Unterstützung. Dazu malen die häufigen, gut gesetzten Blastbeats das Todesblei schwarz an. Hardcore-Elemente wie Breakdowns und Gangshouts kuscheln zwar immer wieder mit dem Metal-Sound, übernehmen ihn aber nicht.

Trotz der jüngsten Eskalation scheinen Thy Art Is Murder ihren eigenen Sound gefunden zu haben. Bereits auf früheren Alben interpretierte die Gruppe den vermeintlichen Deathcore bei aller Brutalität immer mit einer Bodenständigkeit, einer gewissen Wärme und verzichtete auf einen kalt-harten Sound sowie eine Überladung mit Breaks und Growl-Scream-Irrsinn. Nach zwei Jahren, in denen der Band zufolge "die Gitarren im Schrank verstaubten", entlädt sich die kreative Spielfreude von Beginn an.

Der Opener "Destroyer Of Dreams" beginnt schleppend und hymnisch mit melodischer Leadgitarre, gefolgt von Blastbeats, während der erste Breakdown erst nach zwei Minuten den Nacken malträtiert. Thy Art Is Murder setzen auf stabile Songstrukturen. Die kraftvolle Stimme verwundert nicht, sie klingt wie eine sehr gut produzierte, ausgeruhte Version von McMahon, die nicht überdreht, aber in jeder Phase eine gewisse Autorität ausstrahlt. Lyrisch bleibt der Anti-War-Song leider flach.

Für kritisches Nachdenken ist jedoch keine Zeit. Das Mörder-Riff auf "Blood Throne" zersägt selbst Betonwände. Mit seinem unaufhaltsamen Groove, den Gangshouts im Refrain und dem Angriff auf alle Lügner:innen dieser Welt slamdanced der Song am dichtesten am Core-Genre. Danach übernimmt wieder der klassische Todes-Thrash-Sound. "Join Me In Armageddon" mosht bis zu Minute 2:30 straight durch, gönnt mit einem doomigen Breakdown-Part und Interlude eine kurze Verschnaufpause und zieht dann das Tempo wieder an.

Die Single "Keres" gerät zum besten Track der Platte: Brutale Blastparts treffen auf Göteborg'sche Geschwindigkeitsattacken, Gitarrensoli auf kurze, aber effektive Breakdowns. Herausragend neben Gesang und Gitarrenriffing trommelt Jesse Beahler ohne Effekthascherei und tritt die Doublebass schnell und mit Wumms. Dave Lombardo lässt grüßen. Die oben erwähnten Synthies tauchen in "Everything Unwanted" und "Corrison" auf und schieben im experimentellsten Track der Bandgeschichte gar die schwedischen Death Metal-Gardinen beiseite: "Bermuda" beendet "Godlike" als Industrial-Doom-Emo-Hybrid.

Das Album ist eine Wucht, der neue Sänger sofort präsent und die Produktion supertight. Der neue Sound funktioniert. Thy Art Is Murder gehen den Weg von "Human Target" weiter, fügen ihm jedoch die besten Versatzstücke aus ihren Anfangstagen bei. Jetzt liegt es auf den kommenden Gigs an den Fans, wie sie die Umstände des Endes von CJ McMahon verarbeiten.

Trackliste

  1. 1. Destroyer Of Dreams
  2. 2. Blood Throne
  3. 3. Join Me In Armageddon
  4. 4. Keres
  5. 5. Everything Unwanted
  6. 6. Lesson In Pain
  7. 7. Godlike
  8. 8. Corrosion
  9. 9. Anathema
  10. 10. Bermuda

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