laut.de-Kritik

Maximal brutal.

Review von

"God is gone", brüllt CJ McMahon in "Chemical Christ". Thy Art Is Murder wechseln das Feindbild. Welchen Sinn hätte es auch, in dieser gottverlassenen Szenerie, die sie auf "Human Target" zeichnen, wie früher gegen Religion zu wettern? Der Mensch steht im Mittelpunkt ihrer fünften Platte – sowie die von ihm verursachten Übel: Technologie, Krieg, Ausbeutung, Missbrauch. Musikalisch bleibt alles beim Alten, und das bedeutet maximale Brutalität.

Zu Beginn des Titeltracks und Openers "Human Target" erstickt die Gitarre fast in Distortion. Der neue Drummer Jesse Beahler kündigt sich erst durch mächtige Trommelwirbel an, dann beginnt das Blastbeat-Gewitter. CJ McMahon lädt seine stimmliche Panzerfaust und feuert – bei "New Gods" auch in Hochgeschwindigkeitssalven.

Die oft als Gangshouts gedoppelten Spuren sind als Stilmittel bekannt – funktionieren aber immer noch ganz hervorragend. "Make America Hate Again" klingt als wolle McMahon Trumps Mauer kraft seiner Stimme einreißen. Dazu gibts maßgeschneiderte Titel wie "Death Squad Anthem". Mehr Kahlschlag als mit diesem Organ geht einfach nicht.

Apropos Organ: Im Titelsong prangern Thy Art Is Murder fragwürdige Organentnahmepraktiken an, und die damit zusammenhängende Missverhältnis zwischen Arm und Reich. "Choke down the bones of all below / Unholy masochists / Feeding on the weak, poluation control / They will devour us." Bei "Chemical Christ" malt McMahon viszerale Bilder von selbstgeschaffenen Dämonen ("A loaded gun with no trigger / An itchy hand with no fingers") und formuliert eine in all ihrer dystopischen Wucht verdammt eingängige Catchphrase: "Chemical Christ / Heaven is a nihilist paradise" Sich selbst packen Thy Art Is Murder ebenfalls am Schopf: "Atonement" schrieben sie nicht nur, um auf sexuelle Gewalt aufmerksam zu machen, sondern auch, um sich für frühere frauenfeindliche Texte zu entschuldigen.

Wie schon auf den Vorgängeralben mischen die Australier zu ihrem Deathcore reichlich Elemente aus klassischem Black und Death Metal. "Voyeurs Into Death" erinnert teilweise an Cannibal Corpse, über allem schwebt der inspirierende Schatten Behemoths. Rhythmisch komplexe Breakdowns gemahnen an Decapitated.

Atmosphäre geht bei Thy Art Is Murder trotzdem klar über Technik, wovon die Songs enorm profitieren. Dass sie dabei immer wieder auf ähnliche Schemata zurückgreifen, bleibt angesichts ihrer Urgewalt und meisterhaften Umsetzung fast unbemerkt. Wie gut sich Schlagzeugneuling Beahler bereits in die Band integriert hat, hört man in "Welcome Oblivion", einer griffgewaltigen Berg- und Talfahrt, bei der alle Instrumente als perfekt austarierte Zahnräder einer todbringenden Maschine ineinander greifen.

Wer Thy Art Is Murder hören möchte, bekommt auf "Human Target" Thy Art Is Murder. Die Band präsentiert sich auf dem Album in ihrer Essenz und schließt damit nahtlos an den Vorgänger "Dear Desolation" an. Größter Unterschied zum Vorgänger ist die Reduzierung von Soundeffekten, wodurch einen Songs noch ein wenig direkter anspringen. Mit "Death Squad Anthem", "Make America Hate Again", "Chemical Christ" und dem Titeltrack finden sich gleich mehrere Songs mit Potenzial zum Band-Klassiker. Nur zum Schluss enttäuschen Thy Art Is Murder ein wenig: Wie zur Hölle kommt man auf die Idee, ein derart brachiales Album auszufaden?

Trackliste

  1. 1. Human Target
  2. 2. New Gods
  3. 3. Death Squad Anthem
  4. 4. Make America Hate Again
  5. 5. Eternal Suffering
  6. 6. Welcome Oblivion
  7. 7. Atonement
  8. 8. Voyeurs Into Death
  9. 9. Eye For An Eye
  10. 10. Chemical Christ

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