laut.de-Kritik
In die Jahre gekommener Gitarrenvirtuose auf Esoterikpfaden.
Review von Giuliano BenassiSeit einiger Zeit geistert der Trend 'klassische Musik' durch die Szene alternder, harter Klänge. Ob Neuauflagen alter Hits (Metallica, Scorpions), das Recycling von Melodien aus vergangen Jahrhunderten (Ritchie Blackmore), oder gar die Komposition eigener Stücke für E-Gitarre und Orchester (Yngwie Malmsteen) - sie und andere hauchen neues Leben in eine Verbindung ein, die seit den siebziger Jahren immer mehr in eine Außenseiterposition geraten war. Klassik ist cool - oder wir sind cool, weil wir klassisch sind, - lautet offensichtlich die neue Devise.
Uli Jon Roths "Trascendental Sky Guitar" scheint perfekt in diesen Trend zu passen; der ehemalige Gitarrist der Scorpions tut es seinen einstigen Kollegen gleich und veröffentlicht eine DoppelCD, in der es von Klassik nur so wimmelt: Vertreten sind unter anderen Vivaldi, Mozart, Bach und, für einen Gitarrenvirtuosen unentbehrlich, Paganini. Angereichert wird die Platte durch Eigenkompositionen und einige Jimi-Hendrix-Tracks.
Ihn in die Kommerz- oder Revivalschublade zu stecken wäre allerdings ungerecht, einerseits weil dieses Werk schon seit langem angekündigt wird, andererseits weil er sich schon seit seiner ersten Platte Earthquake (1978) mit klassischer Musik beschäftigt und Anfang der Neunziger gar eine eigene Symphonie uraufgeführt hat. Es geht ihm in erster Linie auch gar nicht darum, auf einer erfolgreichen Welle zu reiten; sein Ansatz ist wesentlich tiefgründiger: Eine Reise durch fünf Jahrhunderte Musik in Begleitung zweier Gitarren, "Mighty Wing, the Phoenix" und "Destiny, the Dragon."
Das ehrgeizige Vorhaben wird ohne falsche Bescheidenheit angegangen: Die Eröffnungsstücke beider CDs sind von Roth selbst und sollen - laut Booklet - den Zuhörer zur Suche nach der Krippe der Ewigkeit ermutigen, wo sich der Schlüssel zur Wiedergeburt befindet. Zur Beihilfe gibt es computergenerierte Abbildungen von Kugeln, Lichtstrahlen, Wälderschatten, eigenförmigen Gitarren und einige des Meisters himself, der, in bunte Roben gehüllt, mit einem zusammengefalteten Bandanatuch über dem wallenden Haar und der inzwischen recht hohen Stirn so aussieht wie der in die Welt laufende Hippie, den man noch gelegentlich in Form eines vergilbten und abblätternden Aufklebers auf alten Enten oder Renault 4 Kastenwagen sehen kann.
Hard Rock, Klassik und billige Esoterik - eine Verbindung, die schon vor dem ersten Anhören höchst suspekt klingt. In der Tat: Was Uli Jon Roth hier präsentiert ist alles andere als ewig oder innovativ. Eher wiedergekäut: Die ausgewählten Stücke sind allesamt eingängig, seine Interpretationen erinnern zu sehr an die anderer Gitarrensolisten. Zugegeben, viele der berühmtesten unter ihnen nennen ihn als eines ihrer wichtigsten Vorbilder, aber es ist kaum zu überhören, dass die Jünger ihren Meister längst überholt haben.
So hört sich "Tuona e Fulmina" von Vivaldi wie Malmsteen meets Rondó Veneziano an und seine "Paganini Paraphrase" ist nichts anderes als dessen fünftes Capriccio für Violine, das Ralph Macchio bzw. Steve Vai in "Crossroads" wesentlich besser herübergebracht haben. Anständig dagegen sind die Jimi-Hendrix-Tracks, die sich sehr an den Originalen orientieren. Auch hier wird keine Gefahr eingegangen - mit "Villanova Gem," "Voodoo Chile" und "Atlantis" werden drei bekannte Stücke verwendet, bei denen der Wiedererkennungseffekt sicher ist. Originell ist das bestimmt nicht, genauso wenig die mentale Reise fördernd wie die Eigenkompositionen oder die "Air de Bach", die die zweite CD schließt.
Das einzig Erstaunliche an diesem Werk ist der Sound von Roths ‘Sky Guitars’, eigens angefertigte siebensaitige Instrumente, die mit bis zu 40 Frets über sechs Oktaven reichen. Der Klang ist präzise und einprägend, die hohen Töne wundersam kristallin. Leider reichen sie nicht aus, um die Platte bedeutsam zu machen. Kaum eineR der ZuhörerInnen wird sich auf esoterische Pfade begeben - es sei denn, er/sie möchte in der Ewigkeit Muzak hören. Neue AnhängerInnen werden sich wohl auch nicht finden - "Trascendental Sky Guitar" ist ein Werk, das nur bei eingefleischten Fans auf Interesse stoßen dürfte. Und davon gibt es wohl immer weniger.
2 Kommentare
1978 ist meine liebe zu den skorpions entbrannt, und das lag hauptsächlich an dem gitarrenspiel von uli roth. leider ist uli in der zeit stehengeblieben. was die klassischen gitarrenparts betrifft, so kann ich interessierten den russischen gitarrero victor zinchuk empfehlen. MfG Rüdiger
Uli spielte schon desöfteren hier in Haltern am See (NRW) und ich muss sagen: sein Live-Programm rockt wirklich!
Die CD ist entsprechen interessant