laut.de-Kritik
Das 'Who Is Who" des American Indie für die gute Sache.
Review von Christoph Dorner"Aids ist eine vermeidbare Krankheit. Geht auf Nummer sicher, praktiziert geschützten Sex und helft Menschen auf der ganzen Welt in ihrer Not. Musik ist ein Instrument für positiven sozialen Wandel." Liest man diese Botschaft auf den beiden CDs des vorliegenden Benefiz-Albums, kommt einem der Zusammenhang von Aids-Prävention in Afrika und westlicher Popmusik noch recht konstruiert vor.
Vielleicht sollte man stattdessen ganz einfach an den praktischen Nutzen von Projekten wie Bob Geldofs "Band-Aid" und "Live-Aid" erinnern, die in den achtziger Jahren mit der Hilfe von Popgrößen eine Millionensumme für Afrika sammelten. In dieser Tradition steht "Dark Was The Night", das von Bryce und Aaron Dessner von The National zusammengestellt und produziert wurde, um Geld für die künstlernahe Spendenorganisation Red Hot zusammenzubekommen.
Noch bemerkenswerter als das Projekt für sich ist allerdings, wen das Brüderpaar der New Yorker Band für diese Herzensangelegenheit gewinnen konnte. So liest sich die Liste der Interpreten der 31 Songs wie ein 'Who Is Who' einer neuen Generation des "American Indie": Arcade Fire, Beirut, Cat Power, The Decemberists, Feist, Conor Oberst, Sufjan Stevens.
Sie alle haben sich zu zum Teil ungewöhnlichen Kollaborationen hinreißen lassen und ausnahmslos unveröffentlichte Songs und Coverversionen beigesteuert, wobei – so viel sei verraten – keiner der Künstler eine Hitsingle einfach so unentgeltlich verschenkt. Die Kuratoren von The National jedenfalls gingen mit gutem Beispiel voraus und steuern mit "So Far Around The Bend" eine Midtempo-Hymne bei, die sich auch auf Boxer gut gemacht hätte.
"Lenin", der solide Beitrag von Arcade Fire, ist wie immer reich arrangiert, jedoch für Band-Verhältnisse etwas dünn produziert. Da können Beirut, Bon Iver und Iron mit ihrer werktreuen akustischen Folklore schon mehr überzeugen. Es sind überhaupt die Songwriter, die dieses Doppelalbum veredeln: Stuart Murdoch von Belle And Sebastian und Antony forschen gekonnt nach traditionellem Folk, letzterer stöbert dabei sogar eine altes Outtake von Bob Dylan auf.
Und während Soul-Lady Sharon Jones und White Hip Hop-Artist Buck 65 Genregrenzen sprengen und eine Riege aus My Brightest Diamond, Andrew Bird und The New Pornographers sich mit kraftvollen Songs für eine größere Zuhörerschaft empfiehlt, stechen von den zahlreichen Kollaborationen insbesondere jene der Dirty Projectors mit Talking Heads-Kopf David Byrne und die beiden Duette von und mit Feist heraus. Und wenn auf der Compilation überhaupt eine Enttäuschung auszumachen ist, dann ist es der missglückte Progrock-Ausflug von Sufjan Stevens.
Vielleicht sollte man aber auch gar nicht so viele Worte über einzelne Songs und Interpreten verlieren. Was zählt ist wie bei "Do They Know It's Christmas?" der finanzielle Nutzen und die Signalbotschaft, dass Musiker nicht nur Songs für Werbespots weggeben, sondern auch für wohltätige Zwecke. Eine gute Sache!
6 Kommentare
Zitat (« Und wenn auf der Compilation überhaupt eine Enttäuschung auszumachen ist, dann ist es der missglückte Progrock-Ausflug von Sufjan Stevens. »):
meiner meinung nach das beste stück der sammlung. erhielt auf lastfm auch mit weitem abstand die meisten begeisterten user-kommentare.
Ich mag Compilations eigentlich grundsätzlich nicht, aber hier fällt es wirklich schwer, ein Haar in der Suppe zu finden. Durchweg unveröffentlichtes Zeug, das meiste davon absolut hochwertig. Die Künstlerauswahl ist über jeden Zweifel erhaben. Und dann unterstützt man noch ne gute Sache damit. Gekauft.
nur gute Sachen drauf! Und zum Besten gehört der missglückte Progrock-Ausflug von Sufjan.
gekauft, schon zig mal gehört, noch keine sekunde bereut.
und ja, der Sufjan-Stevens-Track ist bei weitem nicht missglückt.
Die zweite CD packt mich leider nicht annähernd so wie die erste, aber allein für die hat sich der Kauf gelohnt. Tightrope beste Song.
Hab mir das Ding auf Vinyl zugelegt. Eine interessante, hochwertige und absolut gelungene Compilation, mit einer super Bandauswahl, toller Songreihenfolge und edler Verpackung für einen tollen Zweck. Das Ding lässt sich wirklich gut von Anfang bis Ende durchhören. Und der Sufjan Stevens- Track ist vielleicht mal geil (und auch der von Antony).