laut.de-Kritik
Keanu Reeves am Bass. Muss das sein?
Review von Giuliano Benassi"Wir haben auch viel geklaut" gab John Lennon in einem Interview zu, als ihn ein Reporter über Bands fragte, die sich an den Beatles orientierten. Sich an große Vorbilder heranzuwagen, ist sicherlich kein verwerfliches Unterfangen - nicht jeder Musiker startet seine Karriere als Revolutionär. Sammlungen an Coverversionen sind auch OK. Aber warum zum Teufel eine solche CD über eine Gruppe wie Mr. Big veröffentlichen, die schon im Original Brechreiz verursachte?
In den Grenzen des Möglichen haben die Verantwortlichen durchaus Fleiß bewiesen. In erster Linie Billy Sheehan, der Ausnahmebassist, auf dessen Initiative die Gründung von Mr. Big zurück geht. Mit Schlagzeuger Pat Torpey und Gitarrist Richie Kotzen, der Mitte der 90er Jahre Paul Gilbert ersetzte, ist die tonführende Abteilung der aufgelösten Band vertreten. Zu ihnen gesellen sich zahlreiche alternde Bekanntschaften.
So haben sich Dough Pinnick und Ty Tabor King's X "Take Cover" angenommen. Quiet Riot-Bassist Chuck Wright ist gleich auf mehreren Stücken zu hören, Steve Lukather von Toto und Marty Friedman von Megadeth steuern die Soli zu "Price You Gotta Pay" bzw. "Colorado Bulldog" bei.
Der ehemalige Guns n'Roses-Drummer Matt Sorum singt Backgroundvocals auf "Crawl All Over Me", Rainbow-Röhre Joe Lynn Turner darf sein Organ neben "Colorado Bulldog" auch in "Daddy, Brother, Lover, Little Boy" auspacken. Am überraschendsten fallen aber die Beiträge des ansonsten mit sich selbst beschäftigten Yngwie Malmsteen ("Daddy, Brother, Lover, Little Boy") aus, sowie die eines Wochenendbassisten, der Kinogängern bestens bekannt ist: Keanu Reeves.
Bei der offensichtlich lockeren Studio-Atmosphäre ist tatsächlich der eine oder andere gute Moment gelungen. Die Schnulzen "To Be With You" und "Wild World" beweisen sich als unrettbare Patienten, bei den schnelleren Stücken wie "Colorado Bulldog", "Addicted To That Rush" und "Daddy, Brother, Lover, Little Boy" wippt der Fuß aber gelegentlich mit. Der Preis fürs beste Gitarrensolo geht trotz der namhaften Konkurrenz an Sheehan für "Addicted To That Rush".
"Influences And Connections" heißt die neue Reihe, die mit Mr. Big beginnt. Ein merkwürdig Anfang, denn wen sollen die Poser mit Hang zu schnulzigen Balladen beeinflusst haben? Kaum die hier vertretenen Musiker, die entweder Teil der Kombo waren oder sich schon davor einen Namen erspielt hatten. Unbekanntem Nachwuchs diese Stücke auf den Weg zu geben, ist zudem eher Anstiftung zur Straftat als ein Wegweiser in die Zukunft.
1 Kommentar
Ach, wie ich Kritiker liebe, die ihre persönlichen Vorlieben als Fachwissen tarnen... *rolleyes*