laut.de-Kritik

French Pop lebt. Auch abseits von Superstar Benjamin Biolay.

Review von

Kaum zu glauben, dass French Pop-Fanatiker und DJ Thomas Bohnet die "Le Tour"-Samplerreihe einst als kleine, aber feine Dreingabe zu seinen "Tour de France"-Diskoabenden konzipierte. Zwar erfreuen diese sich nach wie vor großer Beliebtheit, "Le Tour" wird in der Szene nach vier Ausgaben aber längst als eigenständige Samplerreihe angesehen, die stets überraschende Akzente zu setzen weiß.

Besonders stolz ist der Münchner mit Recht auf seine Trüffelnase, deren Errungenschaften wir dank "Le Tour" nicht nur auf der Tanzfläche seiner Parties genießen dürfen. Dass er mit Benjamin Biolay diesmal den französischen Superstar schlechthin mitbringt, mag auf den ersten Blick verwundern, geht es Bohnet doch vor allem um unentdeckte Künstler.

Doch erstens war Biolay bereits auf "Le Tour 4" zu Gast, und zweitens ging dessen aktuelles Doppelabum "La Superbe", Bohnet zufolge Biolays "Opus Magnum", hierzulande wieder mal unter. Davon abgesehen dürfte es selbst in Frankreich schwierig sein, Menschen zu finden, die alle Gruppen auf Bohnets Samplern kennen.

Da wären zum Beispiel L'homme Parle, die mit "La Crise" ein geradezu unheimlich groovendes World Music-/Chanson-Ungetüm mit Sprechgesang lostreten, wie es einfach nur eine Band aus unserem Nachbarland hinbekommt. Selbst der Nicht-Franzose kann sich anhand des Titels ausnahmsweise mal ausmalen, worüber hier gerappt wird. Dass der Name Sarkozy noch vor dem Refrain fällt, sollte also kaum überraschen. Laut dem gewohnt informativen Booklet einer der YouTube-Hits 2009 in Sarkozy Country.

Der Songwriter Renan Luce war schon bei der letzten "Le Tour"-Ausgabe zu Gast und kürzlich auch als Support auf der großen Comebacktournee des ewigen Idols Jacques Dutronc. In den großen Freiluftarenen dürfte er erwartungsgemäß noch einige Fans hinzugewonnen haben. Seit 2008 ist der Name des Sängers aus der Bretagne in der Heimat aber schon ein Begriff.

Die von Bohnet als Geheimtipp (ach!) apostrophierten As de Trêfle (Kreuz-As) treffen ebenso ins Schwarze mit ihrem akustischen Folk-Rap. Mächtig schiebendes Balkan Beat-Feeling kommt mit dem Watcha Clan und R-Wan auf, während La Grande Sophie vor allem mit ihrer ausdrucksstarken Stimme in Erinnerung bleibt.

Und der alte Bekannte Mickey 3D liefert den Elektro-Indie-Hit der Scheibe, was nicht unbedingt zu erwarten war, wenn man noch sein trocken groovendes "Johnny Rep" im Ohr hat. Simplement magnifique!

Alles in allem wieder eine feine Sache, auch für diejenigen, die sich gerade von Nouvelle Vagues French New Wave-Attacke "Couleurs sur Paris" bezaubern ließen.

Trackliste

  1. 1. L'Homme Parle: La Crise
  2. 2. Renan Luce: La Fille de la bande
  3. 3. As de Trêfle : A l'oreille de ta femme
  4. 4. Melanie Pain: Ignore-Moi
  5. 5. La grande Sophie: Quelqu'un d'autre
  6. 6. Watcha Clan: Balkan Qoulou
  7. 7. R-Wan: À Pic
  8. 8. Babylon Circus: L'Envol
  9. 9. Caravan Palace: Jolie Coquine
  10. 10. Magic System feat. Khaled: Même pas fatigué!!!
  11. 11. Les Gourmets: Sors tes couverts
  12. 12. Féfé: Clichés
  13. 13. Pauline Paris: Corrida
  14. 14. Tiken Jah Fakoly: Ouvrez les frontières
  15. 15. Princes Chameaux: Magic Cirkus
  16. 16. Da Silva: L'indécision
  17. 17. Mickey 3D: Méfie-toi l'escargot
  18. 18. Benjamin Biolay: Padam

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1 Kommentar

  • Vor 13 Jahren

    As de trêfle machen mächtig Dampf, mit sehr witzigem Text.

    Babylon Circus sind mit dem wohl besten Track ihres letzten Albums vertreten, sie bestechen durch hervorragende, verspielte und poetische Texte. Das ganze Album "La belle étoile" ist eines der besten aus dem ganzen jahrgang 2009.

    Tiken Jah Fakoly passt eigentlich nicht so ganz auf den Sampler, ist er doch eigentlich Ivorer und Reggae eher ein untypischer Genre in der Samplerreihe. Dennoch einer meiner Höhepunkte auf dem Album.

    L'indécision von Da Silva besitzt eine wunderbare Gitarrenmelodie, melancholisch und doch leicht.

    Mickey 3D sind wie B. Biolay in Frankreich bereits sehr bekannt, jedoch hat auch hier diese Reputation es nicht über den Rhein geschafft. Schade, denn sie machen sehr sehr gute Musik, das neueste Album ist wieder ein Meisterwerk.